Dallmeier - Verantwortung übernehmen! Datenschutz, Ethik, Nachhaltigkeit
Es sind drei der wohl wichtigsten Themen die derzeit weltweit diskutiert werden – und sie bestimmen auch die Politik vieler Unternehmen wie Dallmeier Electronic: Datenschutz, ethisches Handeln und nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften und Produzieren.
Hinsichtlich der beiden erstgenannten Metathemen ist mit der Videotechnologie eine Vielzahl sensibler Fragestellungen verbunden. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT befragte dazu – und weiteren aktuellen Themen den Gründer und CEO von Dallmeier Electronic, Dieter Dallmeier.
GIT SICHERHEIT: Herr Dallmeier, die vergangenen Monate haben deutlich gezeigt, dass Corona noch nicht vorbei ist. Wie sind Sie und Ihr Unternehmen mit dieser Krise bislang umgegangen? Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat diese Pandemie auf Ihr Unternehmen gehabt – und wie sehen Sie diesbezüglich die Zukunft?
Dieter Dallmeier: Durch die Schwäche in den für uns wichtigen Branchen Flughäfen, Casinos und Stadien ist es in unserem Unternehmen zu schmerzhaften Umsatzeinbußen gekommen. Diese haben uns jedoch nicht fundamental getroffen. In der zweiten Jahreshälfte 2021 konnten wir eine deutliche Belebung des Geschäfts in diesen Bereichen sehen. Zudem – besonders erfreulich – können wir beobachten, dass sich weitere Geschäftsfelder wie etwa Safe City oder Industrie über unsere Erwartungen entwickelten. Wir blicken sehr optimistisch auf das Jahr 2022 und erwarten ein überdurchschnittliches Wachstum, sobald die Kunden in unseren Zielmärkten ihre Investitionsstaus auflösen werden.
Bevor wir zu konkreten Projekten für 2022 kommen: Eine Reihe übergreifender Themen beschäftigt in diesen Zeiten nicht nur die Sicherheitsbranche intensiv. Auch bei Dallmeier nehmen Sie einen dreifachen, sich teils überschneidenden Komplex von Fragestellungen wahr – unter den Stichworten Datenschutz, Ethik und Nachhaltigkeit. Um mit dem Datenschutz zu beginnen: Zentrale Bedeutung hat hier ja die DSGVO...
Dieter Dallmeier: …richtig. Die Anforderungen der DSGVO als Leitlinie mit den Prinzipien „Privacy & Security by Design“ sind ja hinreichend bekannt, ebenso die potenzielle Verwundbarkeit von Videosystemen als IoT-Systeme. In immer mehr Kundengesprächen ist daher die erste Frage die nach den Themen Datenschutz und Datensicherheit – und vor allem auch die Frage nach einer Dokumentation der Fähigkeiten. Ein Dauerbrenner, der aus unserer Sicht weiterhin an Bedeutung gewinnt.
Das zweite große Thema lautet für unsere Branche immer öfter „ethische Verantwortung“: So installierte im Oktober 2020 das EU-Parlament Kameras eines chinesischen Herstellers, dessen Systeme auch im Rahmen der Uiguren-Internierungen in Xinjiang zum Einsatz kommen. Aufgrund des öffentlichen Drucks und unter Zustimmung von fast 90 % der Abgeordneten wurden diese im April 2021 wieder entfernt. Dies ist nur ein Beispiel, um die Thematik für Ihre Leser zu illustrieren: Der öffentliche Druck zum ethischen Handeln wächst. Immer häufiger regulieren auch Regierungen, – bereits seit längerem die USA, zuletzt das Vereinigte Königreich – welche Systeme öffentliche Auftraggeber zum Einsatz bringen dürfen. Ich erwarte – und wünsche mir –, dass dies auch für das restliche Europa geschieht. Zudem gehe ich davon aus, dass sich auch in der Privatwirtschaft die Sensibilität dahingehend weiter entwickeln wird, ob man mit Beschaffungsentscheidungen anderswo die Verletzung von Menschenrechten unterstützt.
Die DSGVO ist ja ein typisch europäisches Projekt: Es geht um die Gewährleistung freien Datenverkehrs innerhalb des Binnenmarktes – und zwar in einer Form, die den Schutz des Einzelnen, dessen Daten verarbeitet werden, zwingend mitdenkt. Welche Bedeutung hat dieses grundrechtesensible Fundament für eine deutsche und europäische Marke? Ist es auf dem Weltmarkt ein starkes Argument? Könnte noch mehr dafür getan werden?
Dieter Dallmeier: Unser westliches Verständnis von Privatsphäre, politischer Unabhängigkeit und Menschenrechten ist unter viel Leid historisch entstanden. Datenschutz und Datensicherheit sind sozusagen in unserer kulturellen DNA. Wenn Sie dann dokumentieren können, dass die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland oder Europa liegt, sie als herstellerneutrale, externe Dienstleister mit intensiven Penetrationstests für Ihre Produkte beauftragen, in einem rechtsstaatlichen System entwickeln und fertigen, wo vielleicht keine Regierung auf die Idee kommt, das Programmieren von „Backdoors“ zu fordern, dann ist das für viele Entscheider sehr wichtig.
Ich meine, Hersteller und Kunden sowie „die Politik“ und die Aufsichtsbehörden für Datenschutz und Cybersecurity sollten hier zukünftig gemeinsam mehr Verantwortung übernehmen, nicht zuletzt auch für unsere eigenen Märkte. Wir sollten die DSGVO und unsere kulturelle DNA einsetzen, um Produkte zu entwickeln, die datenschutzmäßig absolut führend sind. Dann schaffen vermeintliche bürokratische Hürden auf einmal das Potenzial für Unterscheidungsmerkmale, die allein schon aus kulturellen Gründen nicht so einfach in einem kollektivistischen Gesellschaftsrahmen kopiert werden können.
Dazu gehört auch, nicht reflexartig immer die – übrigens häufig nur vermeintlich – günstigste Lösung zu wählen, sondern auch diejenige, die die größte ethische Verantwortung zum Ausdruck bringt. Wenn wir dies verinnerlichen, profitieren langfristig alle: Hersteller, Kunden und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Der Datenschutz geht über in das Thema „Vertrauenswürdige KI“ – ein Metathema, das ebenfalls auf der Agenda der Europäischen Union steht: Ein mit Künstlicher Intelligenz arbeitendes System soll demnach nicht nur in normativer Hinsicht absolut unbedenklich sein. Es soll auch ethischen Grundsätzen genügen – und darf nicht nur keinen technischen, sondern auch keinen sozialen Schaden z. B. durch intransparente Entscheidungsprozesse oder diskriminierende KI-Ergebnisse anrichten. Wie stellt sich diesen sehr hohen Ansprüchen ein Hersteller von Videosicherheitstechnik?
Dieter Dallmeier: Die Kombination von Videotechnik und Künstlicher Intelligenz bietet wichtige Effizienz- und Produktivitätsgewinne, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken und das Wohlergehen der Bürger verbessern können. Sie können auch dazu beitragen, Lösungen für einige der drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. Dazu gehören die Bekämpfung des Klimawandels und der Umweltzerstörung, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit und dem demografischen Wandel, der Schutz unserer Demokratien und, soweit erforderlich und verhältnismäßig, die Kriminalitätsbekämpfung – z. B. im Rahmen einer „Safe und Smart City-Strategie“.
Als Hersteller sind wir aber in der Pflicht, dass unsere Produkte und Lösungen, aber auch wir als Unternehmen insgesamt „vertrauenswürdig“ sind. Egal ob es sich um Datenschutz und Datensicherheit, Cloud-Dienste, Nachhaltigkeit und Umweltschutz, unternehmerische Ethik oder eben das Thema KI handelt. Das Thema „Vertrauen“ sehe ich also als ein ganzheitliches an – bei der Sicherheitstechnik noch mehr als in anderen Bereichen. Und ganz besonders trifft dies auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu: Nur wenn die Politik in Zusammenarbeit mit der Industrie hier die richtigen Antworten und einen entsprechenden moralischen Kompass entwickelt, können wir mittel- und langfristig auch mit der notwendigen Akzeptanz in der Bevölkerung rechnen. Und hier bietet sich auch eine große Chance, für uns als europäische Technologiehersteller.
Lassen Sie uns einmal näher und an konkreten Beispielen betrachten, was vertrauenswürdige KI im Zusammenhang mit Videotechnik bedeuten kann. Da wären zum Beispiel die Themen Klassifizierung von Objekten mit Hilfe eingelernter Bilder oder auch die Gesichtserkennung...?
Dieter Dallmeier: KI ist immer dann besonders problematisch, wenn es um personenbezogene oder personenbeziehbare Daten geht. Das Thema Gesichtserkennung ist ein gutes Beispiel: Bei vielen Systemen gibt es ein ethisches Bias durch die Hautfarbe. Solange dieses Problem nicht zufriedenstellend gelöst ist, werden Sie zu Recht ein Vertrauens- und Akzeptanzproblem haben. Auch stellt sich immer die Frage, wie die Algorithmen genau arbeiten. Die Verarbeitung der Daten in einer algorithmischen „Blackbox“, bei der nicht transparent nachvollziehbar ist, wie die Daten korreliert werden, ist nicht unproblematisch. Besonders, wenn irgendwann noch Selbstlernaspekte dazu kommen. Ein weiteres Thema ist, neben der Qualität der Echtdaten bzw. Videodaten, mit welchen Daten man die Systeme „anlernt“. Wir arbeiten hier inzwischen bei vielen Anwendungen ausschließlich mit synthetischen Daten, um das große Thema „datenschutzrelevanter Personenbezug bei Trainingsdaten“ zu lösen.
Dieses Einlernen macht bei Ihnen ein eigenes 3D-Team, das etwa auch Kundenumgebungen zu Planungszwecken virtualisiert?
Dieter Dallmeier: Ja das ist richtig. Ein gutes Beispiel ist das Anlernen unserer Systeme zur Suche nach Merkmalen – wie etwa der Farbe der Oberbekleidung. Hier erstellt unser 3D-Team eine ganze Armada an künstlichen 3D-Figuren, an denen unsere Systeme dann die entsprechenden Muster erkennen. Ähnlich arbeiten wir auch in unseren Casino-Lösungen bei der Analyse von Chip-Stapeln.
Das dritte Großthema neben Datenschutz und vertrauenswürdiger KI ist die ebenfalls alle Bereiche des wirtschaftlichen Lebens umfassende Debatte über Nachhaltigkeit und wie sie zu realisieren ist. Könnten Sie einmal darlegen, wie hier Ihre Strategie aussieht bei Dallmeier und welchen Beitrag Sie hier leisten können?
Dieter Dallmeier: Das Thema Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung wurde bei Dallmeier von Anfang an gelebt. Als Hersteller von Sicherheitssystemen können wir hier natürlich nur einen vergleichsweise kleinen Beitrag leisten. Aber wir sehen, dass für immer mehr Kunden die Qualität wichtig ist, die sich direkt in Langlebigkeit und geringe Wartungsintensität übersetzen lässt. Dabei geht es nicht nur um Kosten. Viele unserer Kunden möchten unter dem Gesichtspunkt der „Corporate Responsibility“ ihren Beitrag zur Schonung unserer natürlichen Ressourcen leisten. Zudem sei unser eigenes, Nachhaltigkeitsmanagementsystem erwähnt, bestehend aus Qualitäts-, Umwelt- Arbeitsschutz- und Energiemanagement.
Herr Dallmeier, kommen wir noch zu Neuheiten auf der Produktebene in diesem neuen Jahr. Was erwartet uns hier?
Dieter Dallmeier: Ganz konkret werden wir mit einer neuen Kameralösung im Bereich Single Sensor / Dome auf den Markt kommen: Die Kameraserie Domera wird einige wesentliche „Kopfschmerzen“ klassischer Lösungen beseitigen. Zum einen reduziert und vereinfacht sie den Montage- und Einstellaufwand für den Errichter wesentlich. Vieles, was heute aufwendig manuell „auf der Leiter“ erfolgt, lässt sich zukünftig bequem vom Rechner aus erledigen. Auch darf man auf ein bisher so noch nicht dagewesenes Weißlicht- und IR-Beleuchtungskonzept gespannt sein. Zudem beseitigt das Dome-Gehäuse in fast allen Anwendungsbereichen viele Nachteile der klassische Box- oder Bullet-Formfaktoren – angefangen beim notorischen „Spinnenproblem“, bei dem das Kamerasichtfeld oftmals durch Spinnennetze bedeckt wird, bis hin zum wesentlich erschwerten Justieren der Kamera. Neue Analysefunktionen und Apps runden das Funktions- und Feature-Portfolio der neuen Domera-Kameraserie ab.
Und zum Thema Systemoffenheit freue ich mich, unseren Endkunden und Errichtern mitteilen zu können, dass unsere patentierten Multifocal-Sensorsysteme Panomera nun auch komplett in die Video Management Systeme von Milestone und Genetec eingebunden sind. Damit steht unseren gemeinsamen Kunden eine extrem leistungsfähige „Best of Breed“-Kombination aus führenden Softwaresystemen und dem besten Kamerasystem für lange Strecken und große Flächen zur Verfügung, das der Markt hergibt.
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