Drägerwerk: Ein Maskenvorrat für Bedarfsspitzen
Epidemien und Pandemien treten in aller Regel plötzlich und unerwartet auf.
In einigen Fällen sind es bereits bekannte, in anderen Fällen bislang unbekannte Erreger – egal ob Viren oder Bakterien – die zu einem lokalen oder auch globalen vermehrten Auftreten von bestimmten Krankheitsverläufen führen. Nicht zuletzt wegen Covid-19 arbeiten gegenwärtig weltweit Forscher daran, Pandemien vorhersehbar zu machen.
Eine WHO-Prioritätenliste identifiziert ein knappes Dutzend Krankheiten, die aufgrund ihres epidemischen Potenzials das größte Risiko für die öffentlichen Gesundheitssysteme darstellen – darunter Covid-19, Ebola, Sars, Mers und das tropische Lassa-Fieber. Ständiger Begleiter: Disease X – der nächste bisher unentdeckte Krankheitserreger. „Pandemien beginnen fast immer mit der Übertragung eines tierischen Erregers auf den Menschen“, sagt der US-Virologe Nathan Wolfe.
Die Intervalle zwischen den Ausbrüchen unbekannter Infektionskrankheiten sind kürzer geworden. Im vergangenen Jahrhundert waren es drei, seither bereits sechs. „Seuchenbekämpfung muss schnell, flexibel und effektiv sein“, sagt Prof. Alexander Kekulé, Mikrobiologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das gilt nicht nur für Impfstoffe, sondern, wie die ersten Wochen der Coronapandemie gezeigt haben, auch für die Versorgung mit Medikamenten, Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und Masken.
Vorrat an FFP-Masken
Für den Fall der Fälle bietet Dräger seit diesem Jahr individuelle Bevorratungskonzepte an: Depots mit einer vereinbarten Menge an FFP-Masken erlauben jederzeit Zugriff, ohne zu einer Abnahme zu verpflichten. „Für den Tag X gewährleistet Dräger stets frische Ware“, sagt Dion Stibany, Segment-Manager Industrie und Leiter des Projekts. „Unsere Kunden müssen sich um so gut wie nichts kümmern.“ Bis zum Bedarfsfall fällt eine jährliche Bereitstellungspauschale über den vereinbarten Vertragszeitraum an. Lieferfristen, Mengen und Kaufpreise sind fixiert. In der Not muss nicht mehr verhandelt werden. „Ob Chemie-, Pharma-, Stahl- oder Autoindustrie“, sagt Stibany, „das Konzept ist auf verschiedene Kundengruppen zugeschnitten.“ Auch Krankenhäuser, Pflegedienste oder Feuerwehren können damit verlässlich planen.
Bewirtschaftet wird das Lager nach dem First-In-First-Out-Prinzip. „Wir liefern die Masken aus einem Zentrallager und kombinieren die Bevorratung mit den regelmäßigen Bedarfen anderer Kunden“, sagt Martin Zimmermann, Marketingleiter im Bereich Atemschutz bei Dräger. Masken, die zuerst eingelagert wurden, werden auch zuerst wieder entnommen, und das Lager anschließend mit frischer Ware aufgefüllt. Diese Form der Bevorratung steht auch international zur Verfügung. „Je Land sind im ersten Schritt bis zu zwei FPP2-Masken pro Einwohner sinnvoll“, sagt Zimmermann. Damit ließe sich eine Bedarfsspitze zu Beginn einer Pandemie puffern. Risiken, etwa durch Handelsrestriktionen, entfielen, denn die Masken liegen bereits im Land. Mit einem weiteren Angebot verpflichtet sich Dräger, nach einer vereinbarten Vorlaufzeit, eine bestimmte Menge an Masken pro Monat (zu einem Festpreis) zu liefern. Sobald die Option ausgelöst wurde, beginnt die Lieferung zu den vereinbarten Konditionen, solange der Kunde es möchte.
Globaler Aktionsplan
Indes wollen US-Virologe Wolfe und weitere Forscher unter dem Dach des Global Virome Project Lauschposten an mikrobiellen Brennpunkten aufstellen – dort, wo Wildtiere und Menschen aufeinandertreffen: „Ziel ist es, ein virtuelles Immunsystem zu entwickeln, das Pandemien schneller bekämpfen kann.“ Die Kartierung des Viroms, der Gesamtheit von geschätzten rund 1,6 Millionen Säugetier- und Wasservogelviren aus 25 Virusfamilien, ist ein Mammutprojekt. Von etwa einem Drittel ist bekannt, dass sie Infektionen beim Menschen verursachen. Die Forscher senden ihre Daten von lokalen Hotspots an eine Schnittstelle, wo sie dann systematisiert in einer Open-Access-Datenbank zur Verfügung stehen. Das Frühwarnsystem zeigt, welches Virus gerade wo zirkuliert, und den jeweiligen Erkenntnisstand. „Der Grad an Vorbereitung kann Übertragung und Krankenhausaufenthalte verhindern, wirtschaftliche wie soziale Auswirkungen mildern und letztlich die Zahl der Todesopfer verringern“, erklärt die WHO.
Taiwan hat es gezeigt: Ein Jahr nach Ausbruch von Covid-19, im Februar 2021, verzeichnete der ostasiatische Inselstaat weniger als tausend Infektionen und gerade mal neun Todesfälle. Einreisekontrollen ab Tag eins sowie strenge Vorschriften überrollten die Bevölkerung samt Maskenpflicht. Taiwan hatte einen detaillierten, flexibel an neuartige Erreger adaptierbaren Pandemieplan, mit einem rotierenden Vorrat an chirurgischen sowie partikelfiltrierenden Halbmasken. Das Resultat: Keine Verzögerungen durch das Warten auf Massenproduktion, Unabhängigkeit von Importen und eine sofortige Versorgung der Bevölkerung. Nur wenige Monate nach dem Ausbruch von Covid-19 begann Taiwan, neue Vorratslager für den Tag X einer nächsten Masseninfektion anzulegen – inklusive partikelfiltrierender Halbmasken.
Bollwerk aus Mullbinden
Dr. Wu Lien-Teh, chinesischer Arzt mit malaiischen Wurzeln, erkannte die Macht des Filters schon 1910: In der Mandschurei grassierte die Lungenpest – Sterberate bei unbehandeltem Krankheitsverlauf nahezu 100 Prozent. Er verordnete Atemschutz für das Klinikpersonal und erstmals für die gesamte Bevölkerung. Aus Mullbinden baute er ein Bollwerk gegen den bakteriellen Erreger Yersinia pestis, wie er es aus Studienjahren in Cambridge kannte, und optimierte sie mit einem flachen Filter aus Baumwollfasern. Für einen wirksamen Schutz gegen die Krankheit, schrieb Wu später, „war die Maske aus Baumwollgaze unentbehrlich“. Sie wurde zum Standard der Seuchenbekämpfung und konnte auch im Kampf gegen die Spanische Grippe (1918–1920) viele Leben retten.
Für weitere Informationen zum Thema in der Ausgabe 409 des „Drägerhefts“:
https://www.draeger.com/Library/Content/draegerheft_409_96dpi.pdf