Durchgängige Kommunikation - die Herausforderung für die Automatisierung der Zukunft
Die durchgängige Kommunikation von der Sensor-/ Aktorebene über Steuerungen und MES-Systeme bis in die ERP-Systeme ist dank Ethernet heute in zahlreichen Bereichen Realität. Daraus...
Die durchgängige Kommunikation von der Sensor-/ Aktorebene über Steuerungen und MES-Systeme bis in die ERP-Systeme ist dank Ethernet heute in zahlreichen Bereichen Realität. Daraus ergeben sich Vorteile für die tägliche Praxis und ein klarer Nutzen für den Anwender. Vor allem ist hierbei die Transparenz der Daten zu nennen. Ein Beitrag von Jochen Streib, Vorstand Safety Network International.
Sensoren, Aktoren und Steuerungen bzw. ganze Maschinen, die ihre Daten über das Firmennetzwerk (LAN) an übergeordnete Systeme liefern, können Basis einer Optimierung von Produktionsabläufen sein. Diagnosedaten von Steuerungen oder Teil-Maschinen sind Grundlage vorausschauender Wartung und unterstützen damit auf Dauer die Produktivität von Maschinen und Anlagen.
Konsequent weiter gedacht, ergeben sich aus diesen heute schon nutzbaren Vorteilen weitergehende Chancen für die Zukunft. Unter der Annahme, dass in Zukunft nicht nur Maschinen innerhalb einzelner Unternehmen untereinander und mit anderen Abteilungen des Unternehmens vernetzt sind, sondern die Vernetzung über Unternehmensgrenzen hinweg, ja sogar länderübergreifend erfolgen wird und damit einzelne Maschinen oder Produktionsstandorte direkt miteinander kommunizieren werden, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Beispielsweise könnten in Zeiten hoher Auslastung Kapazitäten automatisch verteilt oder fehlende Komponenten automatisch und rechtzeitig beschafft werden.
Schutz von Daten-, Know-how und Identitäten
Wie so oft bringen neue Chancen gleichzeitig auch neue Risiken mit sich. Es liegt auf der Hand: Durch solche unternehmens- oder gar länderübergreifende Kommunikation besteht Handlungspflicht in punkto Sicherheit - Sicherheit der Daten, Sicherheit von Know-how, Sicherheit von Identitäten und weiteres mehr. Die Beherrschung dieser Themen ist zwingende Voraussetzung und absolut erfolgsentscheidend.
Um die Relevanz zu verdeutlichen, sei beispielhaft das Thema Sicherheit von Identitäten genannt - wir kennen es vom täglichen Umgang mit Kreditkarten oder PCs - eine Authentifizierung mittels persönlicher Zugangsdaten ist dabei obligatorisch. Vergleichbare Maßnahmen werden erforderlich, wenn Maschinen, Anlagen oder Produktionsstandorte untereinander kommunizieren sollen. Dazu ist ein sehr hohes Niveau an Sicherheitsmaßnahmen (Security) gefordert, um die aus der IT bekannten Risiken dauerhaft beherrschen zu können.
Security-Maßnahmen dieser Größenordnung werden auch eine Beteiligung der Politik bzw. Regierungen im Sinne einer hoheitlichen Aufgabe erforderlich machen - vergleichbar mit dem elektronischen Personalausweis in Deutschland.
Verteilte Intelligenz
Trotz der Risiken sind die Chancen bestechend. Beispielhaft seien die Anstrengungen zur Energieversorgung in Deutschland genannt, die nicht erst seit der sogenannten Energiewende von Energieversorgern oder anderen Aktionsgruppen unternommen werden. Ziel der Aktivitäten ist es, durch den Zusammenschluss von „intelligenten" Kleinkraftwerken und Zählern (Smart Meter), die Versorgung sicherzustellen. Mehrere Laborversuche und Testläufe verliefen vielversprechend, wenn auch sichtbar wurde, dass noch Verbesserungsbedarf besteht.
Vergleichbare Herangehensweisen finden sich auch in der industriellen Automatisierung. Bereits heute sind Systeme am Markt verfügbar, die einen verteilten, dezentralen Aufbau ermöglichen, über ein leistungsfähiges Netzwerk kommunizieren und dennoch einfaches Engineering erlauben. Ein besonderer Reiz verteilter Intelligenz und der damit verbundenen Verarbeitung vor Ort ist die deutliche Reduzierung der Kommunikationsdatenmenge und eine daraus resultierende schnellere Reaktionszeit.
Internet der Dinge
Im Zusammenhang mit sicheren Systemen im Sinne der europäischen Maschinenrichtlinie (Safety) bringt die verteilte Verarbeitung weitere Vorteile, wie z.B. die einfache Aufteilung in funktional eigenständige Einheiten, die eine kostensparende Modulbildung ermöglicht. Einige Aspekte der Zukunftsszenarien sind heute also schon Realität. Eine Weiterentwicklung der verfügbaren Systeme zum sogenannten „Internet der Dinge" oder „Industrie 4.0" wird in mehreren Industrienationen intensiv diskutiert. Involviert sind dabei sowohl die Industrie, deren Verbände und die Politik sowie Wissenschaft und Forschung.
In Deutschland haben sich im Rahmen der sogenannten Forschungsunion mehrere Expertenrunden gefunden, die unter dem Titel „Zukunftsprojekt Industrie 4.0" seit Anfang 2012 zusammengefasst sind und zu Themenfeldern Handlungsempfehlungen für die Politik ausarbeiten bzw. schon ausgearbeitet haben. Als übergeordnete Themenfelder wurden definiert:
- Smart Factory
- Reales Umfeld
- Wirtschaftliches Umfeld
- Faktor Mensch
- Faktor Technologie
Die Übergabe der Handlungsempfehlungen wird während der Hannover Messe im April 2013 erfolgen. Daran anschließend sind weitergehende Abstimmungen auf europäischer und internationaler Ebene erforderlich.
In der Vielfalt der Themen hat der Aspekt der Kommunikation besondere Aufmerksamkeit verdient. Die Anwendbarkeit und damit letztlich die Akzeptanz beim Anwender steht und fällt mit der einfachen und sicheren, herstellerübergreifenden Verbindung der Komponenten und Systeme. Ethernet-Technologie, wie sie heute schon in der IT, der industriellen Automatisierung und im Consumerbereich zum Einsatz kommt, ist dabei auch in Zukunft die Grundlage der Kommunikation. Nicht nur aus Sicht der Automatisierung ist ein wichtiger Schritt in die Zukunft die Ergänzung der Ethernetstandards in der IEEE um Verfahren, die ein deterministisches Verhalten der Kommunikation ermöglichen.
Security und Safety
Neben gegenseitigen „Verstehen" sind auch Aspekte der Security - wie oben bereits erwähnt - sowie der Safety zu beachten. Beide Aspekte einer sicheren Kommunikation sind schon heute wichtig und werden in zukünftigen Szenarien zur zwingenden Voraussetzung, da eine Akzeptanz bei Anwendern, Berufsgenossenschaften und nicht zuletzt bei Komponentenherstellern ansonsten nicht zu erreichen sein wird.
Aspekte der Sicherung gegen Angriff von außen und innen sind beispielsweise:
- Abwehr von unbeabsichtigten Ereignisse von innen,
- Sicherung von Information und Know-how,
- Sicherung von Produktivität,
- Sicherung der Produktionsqualität
Hinzu kommen weitere Aspekte von Sicherheit wie beispielsweise die Investitionssicherheit.
Es ist heute schon absehbar, dass die Sicherheitsaspekte zukünftig nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden können - auch dafür sind geeignete Lösungen zu erarbeiten.
Impulse aus der Praxis
Unter welcher Überschrift eine Betrachtung erfolgt oder welcher Teilaspekt dieser Zukunftsthemen im Fokus steht, ist nachrangig. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es unbedingt erforderlich, bei der Ausgestaltung der Zukunftsszenarien alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen. Und da sich eine Neuerung nur durchsetzen wird, wenn sie in der Praxis umgesetzt werden kann und einen erkennbaren Nutzen bringt, kommt den Anwendern - Maschinenbauern und Maschinenbetreibern - eine wichtige Aufgabe zu, sie bringen die Impulse aus der Praxis.
Nur unter Berücksichtigung dieser Praxisanforderungen wird es möglich sein, aus der heutigen Automatisierungslandschaft bekannte, vielfältige Lösungen abzubilden und so nachhaltig den Anforderungen der unterschiedlichen Branchen und Anwendungen Rechnung zu tragen, inklusive Berücksichtigung der Vielfalt in den Unternehmensgrößen und -strukturen.
Als Nutzerorganisation versteht sich Safety Network International auch in diesem Zusammenhang als Informations- und Diskussionsplattform für Endanwender und Maschinenbauer von Feldbussystemen. Im Rahmen unserer Workgroup „Industrie 4.0" steigen wir in die Diskussion ein und tragen die Anforderungen aus der Praxis zusammen.