„Einigkeit schafft Stärke“
Auf seiner 34. ordentlichen Mitgliederversammlung in Bad Homburg hat der ASW Bundesverband (künftig VSW Bundesverband) Johannes Strümpfel einstimmig zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Als stellvertretender Sicherheitschef bei Siemens und langjähriger Vorsitzender des Bayerischen Verbands für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) bringt er umfassende operative und strategische Erfahrung mit. Im Gespräch mit GIT SICHERHEIT erläutert Strümpfel seinen Blick auf die wesentlichen Herausforderungen und Handlungsfelder des Verbands und seiner Mitglieder – und die Schwerpunkte die er in seinem neuen Amt setzen möchte.

Herr Strümpfel, Sie sind den Lesern der GIT SICHERHEIT seit vielen Jahren bekannt – geben Sie uns dennoch einmal einen kleinen Steckbrief über sich – vielleicht mit ein paar biografische Eckdaten und Stationen, die Ihnen wichtig sind?
Johannes Strümpfel: Ich blicke auf nahezu 25 Jahre Erfahrung im Bereich Unternehmenssicherheit bei Siemens zurück – in nahezu allen Facetten des Fachgebiets tätig, davon rund 15 Jahre als stellvertretender Leiter der Konzernsicherheit. Zuvor war ich im höheren technischen Dienst des Bundesnachrichtendienstes tätig, davor als Truppenoffizier bei der Bundeswehr mit einem Studium der Nachrichtentechnik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. 2012 absolvierte ich das sicherheitspolitische Seminar (SP12) an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS).
Nebenberuflich engagiere ich mich als Mitinitiator des MBA-Studiengangs „Strategy, Global Risk & Security Management“ an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI), dort zugleich als Dozent und Mitglied des Beirats. Zudem bin ich Beiratsmitglied im Studiengang „Risiko- und Sicherheitsmanagement (BA)“ an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen (HfÖV) und langjähriger Dozent bei der Simedia Akademie.
Ich bin verheiratet und Vater von drei Kindern. In meiner Freizeit betreibe ich mit Leidenschaft Imkerei und musiziere als Trompeter und Flügelhornist in der Knappschaftskapelle Peißenberg.
Sie waren bisher unter anderem beim Bayerischen Verband für Sicherheit in der Wirtschaft aktiv. Was reizt Sie an der Tätigkeit für den Bundesverband?
Johannes Strümpfel: Ich bin weiterhin als Vorstandsmitglied im BVSW aktiv, habe jedoch den Vorsitz niedergelegt, um im Rahmen meiner neuen Aufgabe als Präsident des Bundesverbands für Sicherheit in der Wirtschaft (VSW Bundesverband) jeglichen Anschein von Interessenkonflikten konsequent zu vermeiden. Die Arbeit im Bundesverband gestaltet sich spürbar komplexer, politischer und deutlich dynamischer. Der BVSW ist hervorragend aufgestellt und hat ein beeindruckend hohes Niveau erreicht – eine Weiterentwicklung ist kaum mehr möglich. Besonders reizvoll an meiner neuen Funktion im VSW Bundesverband ist die Chance, die strategische Ausrichtung dieses bedeutenden Wirtschaftsverbands aktiv mitzugestalten – stets im Sinne der Mitgliedsunternehmen aus den Regional- und Landesverbänden.
Welchen Themen möchten Sie sich in Ihrem neuen Amt vor allem annehmen?
Johannes Strümpfel: Unsere Vision ist es, den VSW Bundesverband zur führenden Stimme für die Sicherheitsinteressen der deutschen Wirtschaft zu entwickeln. Wir wollen sowohl die großen, international agierenden Unternehmen („Global Player“) als auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) repräsentieren.
Während die Großunternehmen in der Regel über gut aufgestellte Sicherheitsabteilungen verfügen und Gefährdungslagen frühzeitig erkennen, sind auch sie zunehmend verwundbar – insbesondere über ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten. Gerade hier kommt den KMU eine zentrale Rolle zu. Doch viele dieser Unternehmen haben im Bereich Unternehmenssicherheit noch erheblichen Aufholbedarf.
Letztlich ist die Sicherheit der Wirtschaft auch eine Frage der nationalen Sicherheit. Unser Ziel ist es daher, zur Stärkung der Resilienz deutscher Unternehmen beizutragen. In diesem Kontext verstehen wir uns als verlässlicher und strategischer Partner der Politik im Bereich Wirtschaftsschutz.
Wenn von der Sicherheitslage die Rede ist, der sich große Unternehmen genauso wie KMUs, Kritische Infrastrukturen und Industriebetriebe stellen müssen, ist in diesen Tagen oft von verschärften geopolitischen Spannungen die Rede. Wie schätzen Sie das ein – und wo vor allem sehen Sie Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft?
Johannes Strümpfel: Ich sehe derzeit drei zentrale Handlungsfelder, deren Bedeutung für die Sicherheitsinteressen der deutschen Wirtschaft angesichts der aktuellen geopolitischen und technologischen Entwicklungen deutlich zunimmt:
- Sicherheitslage und Früherkennung:
Unternehmen benötigen verlässliche Informationen, die gezielt beschafft, ausgewertet und in den jeweiligen Unternehmenskontext eingeordnet werden. Ziel ist es, Bedrohungen frühzeitig zu antizipieren und somit „vor die Lage“ zu kommen. Nur so lassen sich potenzielle Angriffe rechtzeitig erkennen und kritische Unternehmenswerte wirkungsvoll schützen. - Krisenmanagement in Zeiten multipler Herausforderungen:
Krisen verlaufen heute nicht mehr linear. Stattdessen sehen wir uns zunehmend mit sogenannten „Polykrisen“ konfrontiert – also mehreren parallel verlaufenden Krisen unterschiedlichster Natur. Beispiele reichen von Evakuierungen aus Krisenregionen über koordinierte Cyberangriffe (APT, Ransomware) bis hin zu Reputationskrisen durch Produktschwachstellen oder Datenlecks.
Die Unternehmenssicherheit bringt hierfür die nötige Expertise im Krisenmanagement mit – und in der Bildung effektiver Task Forces. Zunehmend werden Sicherheitsverantwortliche daher auch bei Entwicklungen mit potenziellem Krisencharakter einbezogen, selbst wenn diese nicht unmittelbar sicherheitsrelevant erscheinen. Um diesen wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, müssen vorhandene Ressourcen gezielt und flexibel eingesetzt werden. - Geschwindigkeit und Resilienz:
Die Bedrohungslage wird nicht nur vielfältiger, sondern auch deutlich dynamischer. Neue Technologien – etwa der Einsatz von Künstlicher Intelligenz – eröffnen zwar enorme Chancen, bringen aber auch neue Sicherheitsrisiken mit sich. Unternehmen müssen in der Lage sein, schneller und gleichzeitig gezielter zu reagieren. Heute gilt mehr denn je: Nicht der Größte, sondern der Schnellste setzt sich durch.
Die Unternehmenssicherheit leistet hier einen messbaren Beitrag zum Geschäftserfolg – vorausgesetzt, sie wird strategisch eingebunden. Allerdings wächst die personelle Ausstattung der Sicherheitsabteilungen meist nicht im gleichen Tempo wie die Bedrohungen. Deshalb sind Effizienzsteigerungen notwendig – beispielsweise durch den gezielten Einsatz von KI.
Auch das Thema Resilienz gewinnt an Bedeutung: Wie können Ressourcen schnell dorthin gebracht werden, wo sie am dringendsten benötigt werden? Wie lassen sich Silodenken und Wissensmonopole innerhalb der Sicherheitsorganisation vermeiden? Und wie gehen wir mit dem demographischen Wandel um, der auch die Unternehmenssicherheit betrifft?
In welcher Rolle sehen Sie hierbei die ASW selbst und ggf. auch in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und der Politik?
Johannes Strümpfel: Die ASW – künftig VSW – versteht sich als zentrale Schnittstelle und Plattform zwischen Politik, sicherheitsrelevanten Verbänden, Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft. Unsere Aufgabe besteht darin, die Bedürfnisse und Herausforderungen der Unternehmen frühzeitig zu erkennen, um sie wirksam vertreten zu können. Gleichzeitig erfordert unsere Rolle ein hohes Maß an politischem Verständnis und eine enge Vernetzung in politische Entscheidungsprozesse.
Wenn Unternehmen über Verbände innerhalb weniger Tage zu einem Referentenentwurf Stellung nehmen sollen, ist der entscheidende Zeitpunkt zur Einflussnahme in der Regel bereits verpasst. Unser Ziel muss es daher sein, deutlich früher in die politischen Prozesse eingebunden zu werden – idealerweise bereits dann, wenn sich erste Anzeichen für einen regulatorischen Bedarf mit sicherheitsrelevanten Auswirkungen im politischen Raum abzeichnen.
Ebenso wichtig ist für uns die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden – insbesondere dort, wo sich thematische Überschneidungen ergeben. Durch abgestimmte Positionen und gemeinsames Handeln lassen sich größere Wirkung und mehr Sichtbarkeit erzielen.
Welche Rolle spielt für Sie eigentlich die föderale Struktur Ihres Verbands?
Johannes Strümpfel: Manche kritisieren die föderale Struktur als Schwäche – und einige dieser Argumente sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Aus der Perspektive des VSW Bundesverbands und seiner angeschlossenen Landes- und Regionalverbände sehe ich jedoch gerade darin einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Unsere föderale Aufstellung ermöglicht eine flächendeckende Präsenz und den direkten Zugang zu den Unternehmen – insbesondere zu kleinen und mittleren Betrieben (KMU), deren Bedürfnisse wir dadurch wesentlich besser erfassen und vertreten können als zentral organisierte Verbände. Gleichzeitig erlaubt uns diese Struktur, regionale Besonderheiten gezielt zu berücksichtigen.
Die enge Zusammenarbeit mit Polizei- und Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene ist ein weiterer Pluspunkt. In vielen Regionen funktioniert diese Kooperation bereits heute ausgesprochen effektiv. Richtig angewendet, ist föderale Subsidiarität kein Hindernis, sondern ein strategischer Vorteil.
Abschließend: Gibt es so etwas wie eine übergreifende Philosophie oder Vision, mit der Sie an Ihre Aufgabe herangehen möchten?
Johannes Strümpfel: Ja, unsere Vision lässt sich in einem Leitgedanken zusammenfassen: Einigkeit schafft Stärke. Wir streben danach, der zentrale Ansprechpartner für Politik und Sicherheitsbehörden zu sein, wenn es um die Sicherheitsinteressen der deutschen Wirtschaft geht. Gleichzeitig ist es unser Ziel, auch von politischen Entscheidungsträgern als genau dieser verlässliche und kompetente Partner anerkannt und aktiv einbezogen zu werden.
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