Erfolgreiche Unternehmensnachfolge bei Pilz

Bei Pilz wird Ende 2017 der Generationswechsel abgeschlossen: Schon während der letzten zehn Jahre waren die Aufgaben der Geschäftsführung innerhalb des Familienunternehmens vertei...

Ein starkes Team: Susanne Kunschert, Renate Pilz und Thomas Pilz
Ein starkes Team: Susanne Kunschert, Renate Pilz und Thomas Pilz

Bei Pilz wird Ende 2017 der Generationswechsel abgeschlossen: Schon während der letzten zehn Jahre waren die Aufgaben der Geschäftsführung innerhalb des Familienunternehmens verteilt – mit Renate Pilz an der Spitze. Jetzt verabschiedet sich die Unternehmerin aus dem operativen Geschäft – und übergibt die Verantwortung zu gleichen Teilen an ihre Kinder Susanne Kunschert und Thomas Pilz. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT hat sich mit allen dreien unterhalten – über die Unternehmensnachfolge, Mensch-­Roboter-Kollaboration, und die Anwendung neuester Entwicklungs- und Produktionsstrategien bei Pilz.

GIT SICHERHEIT: Frau Pilz, fangen wir aus gegebenem Anlass mit einem Abschied an – Sie haben angekündigt, sich Ende 2017 aus Ihrer aktiven Geschäftsführerrolle zu verabschieden und den Staffelstab an Sohn und Tochter zu übergeben. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass mit diesem Schritt eine Ära zu Ende geht – für Sie persönlich und für das Unternehmen Pilz. Das ist Ihnen sicher nicht leicht gefallen – wie kam es zu dieser Entscheidung gerade jetzt?

Renate Pilz: Ich bin sehr dankbar dafür, das Unternehmen jetzt an meine Kinder übergeben zu können. Die vergangenen Jahrzehnte waren eine gute Zeit – und alles hat eben auch seine Zeit. Es ist sehr schön zu erleben, wie meine Kinder, die ja bereits seit zehn Jahren zusammenarbeiten, die Firma jetzt weiterführen. Es ist eine Freude zu wissen, dass es mit Pilz gut weitergehen wird.

Damit funktioniert die herausforderungsvolle Frage der Unternehmensnachfolge bei Pilz ja recht reibungslos – viele Firmen greifen dafür ja auch auf externe Hilfe zurück?

Renate Pilz: Das ist richtig. Dass wir dieser Unterstützung nicht bedürfen, liegt auch daran, dass wir alle drei in unseren klar umrissenen, eigenständigen Bereichen arbeiten – und wir respektvoll miteinander umgehen.

Thomas Pilz: Zu dieser gegenseitigen Achtung gehört es aber übrigens auch anzuerkennen, dass es ohne Reibung nicht gehen kann. Wir diskutieren die Dinge grundsätzlich aus und auch zu Ende. Das ist wichtig, denn nur so kommen wir zu guten und tragfähigen Ergebnissen.

Susanne Kunschert: Wir schonen uns nicht gegenseitig – aber wir denken und arbeiten nicht machtorientiert.

Renate Pilz: Dem möchte ich beipflichten. Ohne Reibung gibt es keine Energie – und die braucht es im Prozess gemeinsamer Führung. Dank dieses Einverständnisses brauchen wir auch keine externe Hilfe. Uns eint das Verantwortungsgefühl für unsere Mitarbeiter und Kunden.

Kontinuität als Familienunternehmen mit bestimmten Werten ist für Sie sehr wichtig. Wie weit lässt sich das angesichts ständigen ökonomischen und technischen Wandels durchhalten?

Thomas Pilz: Wir sind der Meinung, dass derjenige am Ende erfolgreich sein wird, der seine ökonomischen und ökologischen Werte in den Vordergrund stellt und hinterfragt, statt grundsätzlich die schnellst mögliche Gewinnmaximierung als Maßstab seines Tuns zu sehen. Die positive Entwicklung unseres Unternehmens zeigt, dass wir da nicht falsch liegen.

Wie sind die Verantwortlichkeiten jetzt aufgeteilt?

Susanne Kunschert: Mein Bruder und ich haben jeweils die Hälfte der Verantwortung übernommen.

Renate Pilz: Mein Sohn Thomas Pilz ist für IT, Einkauf, Forschung & Entwicklung, Qualitätsmanagement sowie die Produktion zuständig ist – und meine Tochter Susanne Kunschert für Finanzen, Personal, Produktmanagement, Marketing, Vertrieb und Customer Support.

Dann lassen Sie uns einmal in die nächste Zukunft schauen. Sie haben 2016 erstmals die Umsatzschwelle von 300 Millionen Euro überschritten. Und das Jahr 2017 ist offenbar sehr gut gestartet. Welche Pläne und Erwartungen haben Sie bezüglich des weiteren Wachstums?

Renate Pilz: Der Start war in der Tat gut – wir werden sicher auch dieses Jahr ein sehr gutes Umsatzniveau erreichen und gesund und aus eigener Kraft weiter wachsen. Insgesamt entwickeln sich unsere Tochtergesellschaften sehr erfreulich. Zufrieden sind wir auch mit der Entwicklung der jüngsten Tochter Pilz South East Asia. Wir betreuen von Singapur aus unsere Kunden im ASEAN-Raum mit einer eigenen Vertriebs- und Service-Organisation. Gleichzeitig eröffnen wir zahlreiche neue Niederlassungen in bestehenden Tochtergesellschaften. Dadurch intensiviert unser Familienunternehmen die Kundenbetreuung vor Ort. Denn digitale Geschäftsprozesse können den Kundenkontakt nicht ersetzen.

Zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet Pilz mit Steuerungs- und Antriebstechnik. In welchen Anwendungsfeldern sehen Sie die wichtigsten Zukunftsmärkte, die das weitere Wachstum stützen?

Susanne Kunschert: Ein wichtiger Zukunftsmarkt weltweit ist die Mensch-Roboter-Kollaboration. Für diesen Anwendungsbereich haben wir unsere Steuerungstechnik weiterentwickelt. Dazu kommt das Thema Sensoren im Allgemeinen.

Pilz ist ein Automatisierungsunternehmen mit der Kernkompetenz Sicherheit. Wohin wird im Unternehmen die Reise bei den Themen Safety und Security gehen?

Das lässt sich ganz gut wie folgt beschreiben: Traditionellerweise schützen wir den Menschen vor der Maschine. Die Digitalisierung der Produktion hat nun verschiedene Folgen: Neben der Safety zum Schutz des Menschen müssen wir auch den Maschinenpark vor übelmeinenden Menschen, vor Sabotage und Angriffen schützen – deshalb ist auch die Security ein wichtiger werdendes Thema. Die Entwicklungen im Zusammenhang mit Industrie 4.0 hat uns allen die Verwundbarkeit unseres Industrieapparates vor Augen geführt. An der entsprechenden Security arbeiten wir nicht nur mit Hard- und Software, sondern auch Dienstleistungen – denn auch die Verantwortung des Betreibers gehört dazu. Er muss sich mehr denn je vor Schadsoftware schützen und die entsprechenden Produkte up to date halten. Wir bei Pilz stellen die Performance unserer Steuerungen sicher und ermöglichen rückwirkende Updates.

. . . es geht um Verfügbarkeit . . .

Thomas Pilz: Ein Werksleiter kann nicht akzeptieren, dass wegen eines Updates die Produktion ins Stocken gerät. Vermeiden kann er das nur, wenn wir bei Pilz, ebenso wie unsere Marktbegleiter, Hardware zur Verfügung stellen, die rückwirkungsfrei arbeitet. Zum Schutz der Maschinen gibt es gut funktionierende Firewall-Lösungen aus der Bürowelt. In Bezug auf die Vernetzung heißt das Erfolgsrezept „Defense in Depth“, also in der Tiefe gestaffelte Schutzwälle. Es sieht vor, ein Automatisierungsnetzwerk in verschiedene Zonen aufzuteilen, in denen Geräte miteinander kommunizieren dürfen. Die erforderliche Sicherheitsstrategie kann von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Das ist komplex, aber auch beherrschbar – dafür sorgen wir mit unserer intensiven Entwicklungstätigkeit auf diesem Gebiet.

Lassen Sie uns das Thema Mensch-Maschine-Kollaboration etwas näher beleuchten. Könnten Sie einmal den Beitrag von Pilz-Produkten und -Dienstleistungen in diesem Bereich beispielhaft beschreiben?

Susanne Kunschert: Zunächst einmal arbeiten ja Mensch und Maschine zusammen seit es Maschinen gibt. Das sah meist aber knapp gesagt so aus, dass der Mensch Knöpfe drückte und die Maschine arbeitete. Heute ist es immer häufiger so, dass Mensch und Maschine sich im Arbeitsprozess ergänzen sollen. Dafür brauchen wir aber neue Schutzkonzepte. Dicke Schutzbarrieren, die Mensch und Maschine voneinander trennen, erschweren die neue Form der Zusammenarbeit. Folglich müssen wir unsere Schutzkonzepte durchdenken und eine andere Sensorik anbieten.

Die Ergebnisse dieser Änderung des Blickwinkels zeigen sich ja an einigen Neuentwicklungen...?

Susanne Kunschert: Ein Beispiel dafür ist unsere neue Sicherheitsschaltmatte mit Ortsdetektion, ein Laserscanner oder auch die neue Generation unserer dreidimensional arbeitenden Kamera Safety-Eye.

Thomas Pilz: Letztere ist besonders auf die neuen Anwendungen im Bereich Mensch-Roboter-Kollaboration zugeschnitten: Nach den jüngsten normativen Neuerungen durch die Technische Spezifikation ISO/TS 15066 ist jetzt eine Kollision zwischen Mensch und Maschine erlaubt – in engen Grenzen natürlich, und mit reduzierter Geschwindigkeit –, so dass sich Mensch und Roboter tatsächlich einen Arbeitsraum teilen können. Unser sicheres 3D-Kamerasystem SafetyEYE hilft, die geforderte Produktivität, sprich Roboter-Geschwindigkeit, zu erreichen: Befindet sich kein Mensch im Aktionsradius des Roboters wird die Arbeitsgeschwindigkeit des Roboters und damit die Produktivität des Prozesses erhöht.

Und was hat es mit der erwähnten Schaltmatte auf sich?

Susanne Kunschert: Unsere Sicherheitsschaltmatte hat eine integrierte Ortsdetektion – das heißt, sie stellt in den Boden integrierte Steuerungselemente zur Verfügung. Dadurch kann der Mensch die Funktionen des Roboters mit seinen Füßen steuern. Das hat deutliche Vorteile gegenüber einer 3D-Kamera, denn bei der Schaltmatte sieht man mit eigenen Augen, wo man eingreifen kann. Ungewollte Abschaltungen werden so vermieden. Ich weiß zum Beispiel: Wenn ich mich an diese bestimmte Stelle der Matte stelle, hält der Roboter an. Dieses System erlaubt also neue Maschinenbedienkonzepte.

Vielleicht schon im Hinblick auf die nahende Messe SPS IPC Drives: Was kommt in nächster Zeit noch Neues aus der Pilzschen Produktwelt auf uns zu?

Renate Pilz: Ohne schon alles verraten zu wollen: Zu den Highlights wird auf jeden Fall die eben besprochene sichere Schaltmatte gehören, die dank der Ortsdetektion auch Steuerungsaufgaben lösen kann. Außerdem zeigen wir „Industrie 4.0 zum Anfassen“ mit unserer Pilz Smart Factory sowie unsere MRK-Modell. Dort sorgen je nach Anwendung unterschiedliche Sensorik-Technologien oder ihre Kombination für die Sicherheit des Menschen.

Sie investieren am Stammsitz in den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten – und dort geht es neben der Produktentwicklung auch um „Advanced Development“ (AD), also die Entwicklung produktübergreifender Technologien. Könnten Sie letztere einmal anhand des einen oder anderen aktuellen Beispiels erläutern?

Susanne Kunschert: Mit einem Produkt wie der ortsauflösenden Schaltmatte kommt man nicht innerhalb von 12 Monaten auf den Markt. Es bedarf einer technologischen Vorausentwicklung. Dabei muss für die einzelnen Bestandteile ein Systembezug erarbeitet werden.

Thomas Pilz: Eine Matte oder die Ortsauflösung zu entwickeln ist schön und gut – aber die Steuerung des Roboters muss ich hinkriegen. Dafür muss man ein Interface erarbeiten – und dabei muss ich immer nach dem wirklichen Nutzen fragen, den ich erreichen will. Das Produkt darf auch nicht zu teuer werden, sonst ist es für den Kunden nicht attraktiv. Advanced Development ermöglicht wirtschaftliche Lösungen, indem Einzelteile beispielsweise so entwickelt werden, dass sie bei verschiedenen Produkten verbaut werden können. Advanced Development ist gewissermaßen das Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung.

Sie arbeiten ja auch mit „agilen“ Produktentwicklungsmethoden, wie etwa „Scrum“. Außerdem gehört das Denken in Modulen und Plattformen zu Ihren Arbeits- und Organisationsmethoden. Könnten Sie die Vorzüge und den Nutzen all dessen noch einmal etwas genauer erläutern?

Thomas Pilz: Das möchte ich mit einer Anekdote beantworten, die ich gehört habe: Einer der Scrum-Erfinder saß im Flughafen neben einem Entwicklungsleiter, der ihm sein Leid klagte: Seine Entwicklungen brauchten drei Jahre – nur um am Ende etwas zu bekommen, was er nicht haben wolle. Der Scrum-Erfinder sagte daraufhin: ‚Lassen Sie mich mit Ihrem Team arbeiten und in drei Monaten bekommen Sie was sie nicht wollen.‘ Übersetzt heißt das: Ich kann mich mit Scrum auf das konzentrieren, was ich will und was auch wirklich funktioniert. Das Entwicklungsteam muss nämlich bei dieser Methode früher Ergebnisse abliefern, es muss disziplinübergreifend denken und arbeiten. Alles geht zügiger und effizienter.

Renate Pilz: Die Scrum-Methode hat übrigens einen weiteren Vorzug, der sehr schön zu beobachten ist: Man begegnet sich wieder stärker persönlich. Bei aller Digitalisierung und Bildschirmarbeit stärkt sie den menschlichen Faktor – und ist dabei effizient.

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