Manfred Buhl, CEO von Securitas Deutschland und Vizepräsident BDLS zum Koalitionsvertrag 2018
Die Innere Sicherheit bildet einen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Angestrebt werden mehr Cybersicherheit, eine verstärkte Bekämpfung besonders bedrohlicher K...
Die Innere Sicherheit bildet einen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Angestrebt werden mehr Cybersicherheit, eine verstärkte Bekämpfung besonders bedrohlicher Kriminalitätsphänomene, eine Neuordnung der Sicherheitsarchitektur und die Stärkung der operativen Fähigkeiten der Sicherheitsorgane. Erreicht werden sollen diese Ziele durch die Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes, einen stärkeren Einsatz der Bundespolizei, durch mehr Videoüberwachung an Brennpunkten der Kriminalität, eine verstärkte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Terrorismusbekämpfung, durch den Ausbau des BfV als zentrale operativ-technische Servicedienststelle, die Vereinheitlichung der Befugnisse des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern, eine Vertiefung der europäischen Sicherheitskooperation und mit einem „eigenständigen Gesetz für das Sicherheitsgewerbe“.
Während die Tätigkeit privater Sicherheitsdienstleister den Koalitionspartnern im Jahr 2013 nur eine Ermahnung wert war („An private Sicherheitsdienstleister stellen wir verbindliche Anforderungen an Seriosität und Zuverlässigkeit.“), bewertet der Koalitionsvertrag 2018 die Leistung der Sicherheitswirtschaft als „einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit“ und knüpft daran die Ankündigung: „Durch Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz werden wir die Sicherheitsstandards in diesem Gewerbezweig verbessern und so für noch mehr Sicherheit und Verlässlichkeit sorgen“. Die Koalitionspartner greifen damit die seit Jahrzehnten in Fachkreisen geführte Diskussion über eine Neuregelung des Sicherheitsgewerberechts auf und gehen auf die oft wiederholte Forderung des BDSW nach einem „sektorspezifischen“ Gesetz ein. Mit dem gesetzgeberischen Vorhaben sind viele Fragen verbunden: Soll das angekündigte Gesetz nur gewerberechtliche Regelungen zusammenführen oder alle Normen umfassen, die ausdrücklich private Sicherheitsdienstleistungen regeln? Reicht die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus? Wird, soweit die Landesgesetzgeber für einschlägige Regelungen zuständig sind, ein Mustergesetz erarbeitet oder eine bundesrechtliche Rahmengesetzgebung angestrebt - zum Beispiel für kommunale Sicherheit und die Sicherung von Großveranstaltungen? Inwieweit kann bei hohen Qualifikationsanforderungen für gewerbliche Sicherheitsdienstleistungen vermieden werden, dass unternehmenseigene Sicherheitsleistungen, die bisher nicht dem Gewerberecht unterliegen - zum Beispiel durch eigene Einsatzkräfte eines Stadionbetreibers oder Angestellte eines Warenhauskonzerns – von diesem Standard negativ abweichen? Wie kann eine normative Verknüpfung mit den Anforderungen für eine Zertifizierung nach der neuen DIN 77200:2017 hergestellt werden?
Vor allem folgende Verbesserungen müssen bei der geplanten Neuregelung in einem eigenständigen Gesetz erreicht werden:
angemessene Erhöhung der Barriere für die Unternehmensgründung hinsichtlich der Qualifikation des potentiellen Unternehmers und der notwendigen Infrastruktur für die betrieblichen und geschäftlichen Abläufe (etwa entsprechend DIN 77200-1)
- Neuregelung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen so, dass die Verfahren beschleunigt, entbürokratisiert und zeitaufwändige Doppelüberprüfungen vermieden werden
- spezifische Regelungen für bestimmte Funktionsbereiche (so für den Schutz kritischer Infrastrukturen einschließlich ÖPV, für den Schutz von Großveranstaltungen und für den Schutz von Flüchtlingsunterkünften), vor allem hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen für operative Kräfte, ausgerichtet nach den Tätigkeitsanforderungen der verschiedenen Funktionsbereiche
- Vorrang einer Spezialregelung vor dem AÜG, wenn ein Sicherheitsdienstleister den erhöhten Personalbedarf insbesondere für den Schutz von Großveranstaltungen nicht allein mit eigenen Personalressourcen decken kann, sondern auf Beschäftigte von Partnerunternehmen zurückgreifen muss
- Regelung von Voraussetzungen für die Ausübung des Streikrechts bei der Erfüllung von Aufgaben zum Schutz kritischer Infrastrukturen: Verpflichtung zur Schlichtung, zur rechtzeitigen Streikankündigung und zu Notdienstvereinbarungen
- Beleihung mit der Befugnis zur Anhaltung und Personalienfeststellung verdächtiger Personen und einem in der jeweiligen Situation gebotenen Platzverweis als Voraussetzung für eine das kommunale Ordnungsamt und seinen Ordnungsdienst unterstützende Streifentätigkeit im öffentlichen Raum im Auftrag einer Kommune
- Regelungen für den datenschutzkonformen Einsatz von Body-Cams.
Nicht alle vom Sicherheitsgewerbe erhobenen Forderungen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit werden vom Bundesgesetzgeber aufgegriffen werden können. Das gilt insbesondere für die immer wieder erhobene Forderung, die Aufsicht über das Sicherheitsgewerbe vom Geschäftsbereich der Wirtschaftsminister in den Geschäftsbereich der Innenminister in Bund und Ländern zu übertragen. Dies ist keine Gesetzesmaterie, sondern bleibt den Geschäftsordnungen der Regierungen überlassen. Für einzelne Forderungen – wie etwa eine klare definitorische Abgrenzung von Sicherheitsfunktionen und Ordnerfunktionen (ohne Voraussetzung der Unterrichtung nach § 34a GewO), die eine finanziell tragbare Personalplanung bei Großveranstaltungen ermöglicht -, fehlt dem Bund die Rechtsetzungskompetenz. Und die für eine angemessene Berücksichtigung der Leistungsqualität und die Vermeidung von Dumpingpreisen notwendige Veränderung von Rahmenbedingungen im Vergabeverfahren (insbesondere durch Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wirtschaftlichstes Angebot“, Berücksichtigung einer Zertifizierung nach der DIN 77200:2017, Möglichkeit einer Ausweitung der Verfahrensart des wettbewerblichen Dialogs, Verpflichtung zur Zulassung von Nebenangeboten, Änderung der Kannvorschrift zur Ablehnung des Zuschlags von ungewöhnlich niedrigen Angeboten in eine Mussvorschrift) kann nur durch Änderung des Vergaberechts erreicht werden. Ein eigenständiges Gesetz, mit dem auch der veraltete Begriff des „Bewachungsgewerbes“ von dem der Funktionsvielfalt entsprechenden Begriff des „Sicherheitsgewerbes“ abgelöst werden sollte, wird nachhaltig die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit erhöhen und bekräftigen, dass die Branche der Sicherheitsdienstleister nicht nur ein Gewerbe unter vielen anderen, sondern eine Säule in der Architektur der Inneren Sicherheit ist.