Mobotix treibt Strategiewechsel voran
Mobotix hat eine neue Kameralinie in den Markt eingeführt, die neben dem bewährten Qualitäts-Codec MxPEG und einer neuen Prozessorarchitektur den H.264/ONVIF Industriestandard unte...
Mobotix hat eine neue Kameralinie in den Markt eingeführt, die neben dem bewährten Qualitäts-Codec MxPEG und einer neuen Prozessorarchitektur den H.264/ONVIF Industriestandard unterstützt. GIT SICHERHEIT befragte Dr. Oliver Gabel, CTO bei Mobotix zu den Beweggründen und der weiteren Strategie des Unternehmens.
GIT SICHERHEIT: Herr Gabel, Sie bringen mit der Mx6 erstmalig eine Kameralinie heraus, die den H.264/ONVIF Industriestandard unterstützt. Was steckt hinter dieser Entscheidung?
Oliver Gabel: Durch unseren Strategiewechsel vom geschlossenen Mobotix-Produktuniversum hin zur Öffnung des Systems sind wir heute in der Lage, neue Märkte zu erschließen. Unsere Partner können flexibler auf Anfragen reagieren und eine größere Bandbreite von Projekten mit unseren Systemen abdecken. Bislang wurden unsere Produkte hauptsächlich in sogenannten „Green-Field“-Projekten eingesetzt, also bei einer Neuinstallation oder Erneuerung eines Videosystems. Hier war Mobotix die optimale Lösung. Sollten allerdings unsere Kameras mit Videomanagement-Systemen von Fremdherstellern verwendet werden, wie z.B. in Bestandsystemen gefordert, so war dies nicht immer möglich. Wir haben nun zusätzlich den Industriestandard H.264/ONVIF in unsere Produkte aufgenommen und können damit auch Kundenanforderungen erfüllen, die weit über bisherige Projektspezifikationen hinausgehen.
Welche Anwendungs- und Integrations-Szenarien entstehen dadurch für Ihre Kunden?
Oliver Gabel: Wir nähern uns diesem Industriestandard von zwei Seiten: Zum einen haben wir die Kameraseite, die ab sofort H.264 und künftig in der Lage sein wird ONVIF „zu sprechen“, und es damit recht einfach ist, unsere Kameras in Videomanagement-Systemen von Drittanbietern einzubinden. Zum anderen gibt es das Mx Management Center, ein lizenz- und kostenfreies Videomanagement-System, welches in Zukunft ebenfalls ONVIF- und H.264-kompatibel sein wird, so dass Kameras von Fremd-Herstellern einfach in das Mx Management Center integriert werden können. Auch dies war bisher nicht möglich und ist in Projekt-Ausschreibungen wie z.B. Stadien oder Flughäfen ein wichtiger Aspekt. Sobald ein Videomanagement-System bereits vorhanden ist, oder Kameras gefordert wurden, die wie z.B. eine PTZ-Kamera mit mechanischem Zoom, nicht Bestandteil unseres Portfolios war, waren Projekte dieser Art für uns und unsere Partner sehr aufwendig oder schwer zu realisieren. Künftig können wir und unsere Partner Mobotix-Lösungen wesentlich flexibler und damit in einer größeren Bandbreite einsetzen.
Werfen Sie damit die eigenen Standards über Bord?
Oliver Gabel: Nein, ganz und gar nicht. Um kommende Marktchancen noch besser wahrnehmen zu können, haben wir im Mx Management Center bereits die Voraussetzung für die Unterstützung von H.265 geschaffen. Wir werden aber definitiv unsere eigenen Entwicklungen, wie z. B. den MxPEG Video-Codec treu bleiben, der speziell für Sicherheitsanwendungen entwickelt wurde und enorme Vorteile bietet. Ein Beispiel in Verbindung von H.264 sind Patentrechte und Lizenzvorgaben, die immer noch nicht abschließend für alle Marktteilnehmer geklärt sind. Bei dem Codec-Nachfolger H.265 fangen die Unsicherheiten bezüglich der Lizenzen gerade erst an. MxPEG von Mobotix ist dagegen kostenlos, lizenzfrei und offen verfügbar. Wir sagen also ja zu Industriestandards und werden diese entsprechend adaptieren. Zugleich werden wir unsere Linie bei den bewährten Eigenentwicklungen aber auf keinen Fall verlassen.
Was sind denn heutzutage die Entscheidungskriterien bei der Auswahl eines Videosystems?
Oliver Gabel: Die Bildrate oder die Auflösung einer Kamera sind mittlerweile längst keine Entscheidungskriterien mehr, da wir heute für eine Standardauswertung ausreichend gute Daten zur Verfügung haben. Noch mehr Bildrate oder Auflösung treibt oft nur die Datenrate ohne Mehrwert in die Höhe, die über ein Netzwerk oder eine Infrastruktur sicher übertragen werden muss. Es wird daher immer wichtiger, dass sich Daten in der Kamera vorfiltern und auswerten lassen. Deshalb hat die Software in der Kamera eine viel höhere Priorität. Gleichzeitig werden Aspekte wie Datensicherheit und Verschlüsselungsverfahren immer wichtiger, um die zu übertragenden Daten möglichst sicher zu verschlüsseln. Dafür wiederum werden mehr Prozessor-Ressourcen in der Kamera benötigt. Verschlüsselungsverfahren sind bereits in früheren Modellen Standard.
Wodurch unterscheidet sich die neue Mx6-Kameralinie von den Kameras der x15/x25-Serie?
Oliver Gabel: Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist das Herzstück, nämlich der Prozessor, die Plattform. Im Gegensatz zur x15/x25-Serie handelt es sich hier um eine Dual Core-Plattform. Es gibt also zwei komplett voneinander unabhängige Prozessoreinheiten. Bislang nutzen wir nur den ersten Kern und profitieren jetzt schon von einer viel höheren Leistungsfähigkeit. Den zweiten Prozessorkern haben wir für künftige Anwendungen reserviert.
Könnten Sie etwas näher ausführen, woran Sie hier denken?
Oliver Gabel: Wir wollen die Intelligenz in der Kamera, also unser dezentrales Konzept, weiter erhöhen und noch mehr Funktionen direkt in die Kamera implementieren. Dazu haben wir jetzt einen kompletten Prozessorkern zur Verfügung. Durch künftige Software-Updates werden wir diesen in die Lage versetzen, ganz neue Funktionen zu realisieren, wie z.B. eine Nummernschild-, Gesichts- oder Spracherkennung. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie wir diese Ressource nutzen können. Die zusätzliche Rechenleistung wird in Zukunft hauptsächlich für die Realisierung von Mehrwerten und Zusatzdiensten verwendet. Kunden sind dadurch wesentlich flexibler und können mehr Funktionen mit der Kamera gleichzeitig abbilden. Außerdem können wir wie bereits erwähnt durch die zusätzlichen Leistungsreserven rechenintensive Verschlüsselungsverfahren einfacher bewerkstelligen.
Offenheit und Standardisierung sind ein Teil Ihrer strategischen Produktentwicklung und gleichzeitig Bestandteil des „Workplace of the Future“ von Konica Minolta. Wie ist Mobotix konkret in dieses Konzept integriert?
Oliver Gabel: Bei dem Thema „Workplace of the Future“ geht es um weit mehr als nur um eine Kamera-Integration. In dem Konzept sind neben Videosystemen mit Kameras auch eine Türstation mit MxDisplay und Module wie ein MxKeypad von uns implementiert. Es geht darum, wie unsere aktuellen Produkte inklusive ihrer Analysemöglichkeiten, wie beispielsweise Objekt- oder Personenzählung, genutzt werden können, um die Abläufe in Büroräumen zu automatisieren. Wenn beispielsweise ein Besucher den Empfangsbereich betritt, wird ein Mitarbeiter informiert, der den Besucher dort abholen kann.
Der Arbeitsplatz der Zukunft zeigt, dass die Zusammenarbeit aller einen immer höheren Stellenwert hat. Wie sieht denn Ihre Strategie in diesem Zusammenhang aus?
Oliver Gabel: Nach den Veränderungen durch die Integration in den Konica Minolta-Konzern verfolgen wir eine klare Strategie der Marktöffnung („Open Up the Market“). Im Bereich Videomanagement-Systeme von Drittherstellern haben wir bereits eine Kooperation mit Genetec geschlossen, um unsere Systeme auch hier kompatibel und damit integrationsfähig einzubringen. Das ist aber nur der erste Schritt. Darüber hinaus wollen wir mit weiteren Partnern zusammenarbeiten. „Open Up the Market“ ist eine komplette Marktdurchdringungs-Strategie. Wir werden nicht nur weitere Technologiepartnerschaften schließen und Industriestandards adaptieren, sondern unser Portfolio auch weiter ausbauen. So haben wir geplant, künftig zusätzliche Komponenten wie z.B. eine PTZ-Kamera oder einen Infrarot-Strahler direkt von Mobotix anzubieten.
Meist gelesen
Coded Processing: Funktionale Sicherheit ohne spezielle Hardware ermöglichen
Im Interview mit GIT SICHERHEIT erläutern Claudio Gregorio (Innotec) und Martin Süßkraut (Silistra Systems) wie die Technologie funktioniert.
Gesundheit von Pferden mit KI überwachen
Mit einer Kombination von Videotechnologie und KI geht der Hersteller Novostable neue Wege bei der Gesundheitsüberwachung von Pferden.
Phoenix: der erste Barfuß-Sicherheitsschuh auf dem Markt
Baak bringt mit "Phoenix" nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit den ersten Barfuß-Sicherheitsschuh auf den Markt.
Vieles ist noch ungeklärt: Justizvollzug als Bestandteil der kritischen Infrastruktur
Ein Beitrag von Wilfried Joswig, Geschäftsführer beim Verband für Sicherheitstechnik VfS.
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.