Pepperl+Fuchs: Smartphone für den Ex-Bereich
Der Mobilfunkstandard 5G gilt als ein zentraler Baustein für den drahtlosen industriellen Datenaustausch und damit zugleich für das Konzept Industrie 4.0. Mit dem Smart-Ex 03 bringt Pepperl+Fuchs ein eigensicheres und zugleich 5G- wie auch WiFi 6-fähiges Smartphone für den Ex-Bereich auf den Markt. Worin die Vorteile gegenüber bestehenden Funklösungen liegen und wie sich das neue Gerät in die digitale Transformation der Industrie einfügt, erläutert Sebastian Kaul, Produktportfolio-Manager bei der Pepperl+Fuchs Marke Ecom Instruments im Interview mit GIT SICHERHEIT.
GIT SICHERHEIT: Herr Kaul, Hand aufs Herz: Brauchen wir im Ex-Bereich wirklich eigensichere Smartphones? Tut’s das gute alte Funkgerät nicht auch?
Sebastian Kaul: Ein Smartphone stellt mit seinen zahlreichen digitalen Anwendungsmöglichkeiten einen viel ganzheitlicheren und wichtigen Baustein für die Digitalisierung der Ex-Zone dar und kann damit viele Prozesse deutlich effizienter gestalten oder gar ersetzen. Auch im Vergleich zum guten alten Funkgerät sind eigensichere Smartphones die zukunftsfähigere Wahl – nicht nur in punkto Konnektivität, sondern auch hinsichtlich der Geschwindigkeit, Sicherheit und Flexibilität. In diesem Kontext möchte ich exemplarisch Push-to-Talk (PTT) als eine dieser Funktionen hervorheben. Wir beobachten aktuell, dass PTToC (Push-to-Talk over Cellular) zunehmend die Kommunikation über Tetrafunk-Geräte ablöst. Dafür sprechen einige Gründe.
Während klassische Funkkommunikation bilateral erfolgt, sind mit PTToC Gruppenanrufe in Echtzeit möglich. Dies trägt den immer dynamischeren Arbeitsszenarien in der Industrie Rechnung, in denen Mitarbeiter oft über verschiedene Standorte verteilt schnell und reibungslos kollaborieren müssen. Auch die Geschwindigkeit und der Bedienkomfort sind auf einem anderen Niveau: Das Smart-Ex 03 bietet ein großes Display, um relevante Daten auf einen Blick darzustellen. Zudem bietet es programmierbare Tasten, über die sich die PTT-Taste für Rechts- oder Linkshänder frei wählen lässt. Bei PTT sind Alleinarbeiter mittels nur eines Tastendruckes direkt mit dem richtigen Ansprechpartner verbunden – sie müssen nicht erst einen Kanal suchen oder auf freie Frequenzen warten. In kritischen Situationen kann die geringe Latenz über die Sicherheit entscheiden.
Da PTToC sowohl in öffentlichen als auch privaten Mobilfunknetzen über WLAN, 4G/LTE oder 5G betrieben werden kann, ist die Konnektivität ortsunabhängig sichergestellt – auch in abgelegenen Bereichen mit schwacher öffentlicher Mobilfunknetzabdeckung. In einem unternehmenseigenen Campusnetzwerk ist die Kommunikation sogar dann gewährleistet, wenn öffentliche Funknetze ausfallen oder in Notsituationen den Rettungs- und Sicherheitskräften vorbehalten bleiben. Nicht zuletzt wirkt sich die Verbindungsqualität auch positiv auf die Sprachqualität aus. Selbst in lauten Umgebungen werden so Fehler oder Missverständnisse, aufgrund akustischer Störungen oder Störgeräusche vermieden.
Die Digitalisierung der Ex-Zone geht aber weit über den Einsatz von PTT hinaus und erfordert besonders strapazierfähige und leistungsstarke Geräte. Für zusätzliche Sicherheit und geringere Ausfallzeiten in der Ex-Zone sorgt beim Smart-Ex 03 unter anderem das intelligente Device Health Monitoring. Die Hardware überwacht sich selbst und ein neues, elektronisches Batteriekonzept garantiert optimale Laufzeiten und verhindert einen Thermal Runaway. Aber die Sicherheit ist nur einer von vielen Vorteilen. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Funkgerät ist ein eigensicheres Smartphone dank seiner Funktionsvielfalt mittels verschiedenster Applikationen etwa vom Alleinarbeiterschutz über vorausschauende Wartung und Work Order bis hin zu Asset Management sowie seiner Performance deutlich vielseitiger einsetzbar. Dafür sorgen beim Smart-Ex 03 unter anderem das leistungsstarke Betriebssystem AndroidTM 13, die Unterstützung von 5G und WiFi 6, das sechs Zoll große Display sowie die programmierbaren Tasten.
In welchen Branchen und Szenarien lässt sich das Smart-Ex 03 einsetzen?
Sebastian Kaul: Überall dort, wo hohe Sicherheitsanforderungen auf digitale Workflows treffen. Mit unserem Ex-geschützten Smartphone haben Alleinarbeiter stets Zugang zu den wichtigsten Live-Daten und Unterlagen, beispielsweise Checklisten für Wartungsszenarien. Umgekehrt spielen sie durch Data Harvesting, etwa mittels Scans, Informationen zum Anlagenzustand in Echtzeit ins System zurück. Bei Fragen oder komplexeren Einsätzen schalten sich Experten aus der Ferne zur Unterstützung dazu (Remote Support). Dies beschleunigt und stellt beispielsweise die Installation und Wartung bei geringerem Fehlerrisiko sicher.
Neu hinzugekommen sind Unternehmen, die sich mit erneuerbaren Energien oder Elektromobilität befassen. Auch sie setzen verstärkt auf digitale Workflows – sei es bei der Dokumentation, beim Remote Support oder im Asset Management. Dazu gehören beispielsweise die Wasserstoffindustrie oder die Batteriefertigung. Aber auch Sektoren wie Öl und Gas, Chemie oder Pharma werden von der Sicherheit und der Funktionsvielfalt des Smart-Ex 03 profitieren. Quer über die Branchengrenzen hinweg werden im Zuge der digitalen Transformation die IoT-Integration sowie vorausschauende Wartung immer wichtiger. All diese aktuellen und künftigen IIOT-Szenarien deckt der Funktionsumfang des Smart-Ex 03 ab.
Warum hat sich Pepperl+Fuchs entschieden, die jüngste Generation des Smart-Ex in Europa zu entwickeln?
Sebastian Kaul: Zum einen haben wir bei Pepperl+Fuchs mit den beiden Tochterunternehmen Ecom Instruments aus Deutschland und der finnischen Aava Mobile umfassende Inhouse-Kompetenzen, aus denen dieser Ansatz entstanden ist. So haben wir auch stärkere Kontrolle und weitreichendere Möglichkeiten für das Produkt.
Zum anderen haben uns allen die Lieferketten-Turbulenzen der letzten Jahre den Wert resilienter, lokaler Lieferketten mehr als deutlich vor Augen geführt. Qualitativ hochwertige Komponenten sowie ein verlässlicher Support sind für die Industrie unabdingbar – vor allem in sicherheitskritischen Anwendungen wie dem Ex-Bereich.
Hier müssen sich Unternehmen darauf verlassen können, dass ihre Geräte technisch auf dem neusten Stand sind, die Cybersicherheit gewährleistet ist und ihnen im Notfall ein robustes Support-Netzwerk zur Seite steht. Hinzu kommt: Insbesondere bei PTT-Anwendungen oder in der kritischen Kommunikation äußern Kunden zunehmend Sicherheitsbedenken gegenüber Kommunikationstechnologie und -komponenten aus dem Herkunftsland China.
Deshalb setzen wir beim Smart-Ex 03 darauf, den gesamten Entwicklungsprozess für das Smartphone mit eigenem Inhouse-Know-how in Europa umzusetzen und selbst beim System-Engineering auf eigene Expertise zurückzugreifen.
Bei Mobilgeräten im Consumer-Bereich gehört 5G inzwischen zum guten Ton. Auch das Smart-Ex 03 verfügt über 5G-Konnektivität – für Industriegeräte noch neu. Wie relevant ist der 5G-Standard für die Industrie?
Sebastian Kaul: Ohne 5G, also ohne M2M-Kommunikation in Echtzeit, wird Industrie 4.0 zukünftig praktisch undenkbar werden. Tatsächlich nutzt oder plant mehr als ein Viertel der Industrieunternehmen laut einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2022 den Einsatz von 5G-Campus-Netzwerken. Weil die Bedeutung von 5G noch zunehmen wird, haben wir bereits 2022 eine Kooperation unter anderem mit Ericsson lanciert. Die Expertise dieses Unternehmens im Bereich 5G-Netzwerke ist auch in die Entwicklung des Smart-Ex 03 eingeflossen.
Smart-Ex 03 unterstützt die Netzwerke von internationalen Anbietern wie T-Mobile US, Vodafone, Orange, Telefónica, KPN, Claro, LG U+, AT&T und vielen mehr. Damit ist verlässliche Konnektivität rund um den Globus sichergestellt – sowohl in öffentlichen als auch in privaten Mobilfunknetzwerken. Zwölf Antennen eröffnen insgesamt über 55 Frequenzbänder: darunter 24 verschiedene 5G-Bänder, 31 verschiedene 4G-Bänder sowie mehrere ausgewählte 3G- und 2G-Bänder.
Warum sind 5G-Campus-Netzwerke für die Industrie so interessant?
Sebastian Kaul: In 5G-Campus-Netzwerken ist die Kommunikation nicht nur von hohem Datendurchsatz geprägt, sondern auch sicher. Fortschrittliche Authentifizierungsmethoden sorgen dafür, dass nur autorisierte User und Geräte auf das private Netzwerk zugreifen können. Außerdem können Administratoren präzise Zugriffsrechte für jedes Device oder Netzwerksegment festlegen. Zudem stellt diese Segmentierung sicher, dass Cyberangriffe von einem Gerät oder Netzwerksegment nicht auf andere Geräte oder Netzwerksegmente übergreifen können. Die Ende-zu-Ende-Datenverschlüsselung bietet einen zusätzlichen Schutz gegen Datenmanipulation oder Spionage.
Unternehmen sind zudem in der Lage, bestimmte Frequenzbereiche verschiedenen Anwendungen zuzuteilen. So können sie sicherstellen, dass innerhalb des reservierten Frequenzbereichs alle technischen Anforderungen an das Netz stets eingehalten werden. 5G-Mobilfunk kann zudem auf spezielle Anforderungen hin optimiert werden, wie beispielsweise Latenz, Energieverbrauch, Datenrate oder Frequenzbereich.
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