Pioneering Superpowers: 75 Jahre Sick
1946 gründete der Ingenieur Dr. Erwin Sick in Vaterstetten bei München in einer Baracke auf gerade einmal 20 m² das Unternehmen Sick.
Das erklärte Ziel des passionierten Erfinders war die technische Verbindung von klassischer Optik und Elektronik, um die daraus entstehende Technologie für die Überwachung von Maschinen nutzbar zu machen. Auf der Hannover Messe von 1952 konnte das damals junge Unternehmen schließlich den ersten serienreifen Unfallschutz-Lichtvorhang der Welt präsentieren. Dies war der eigentliche Startschuss für eine rasante wirtschaftlichen Entwicklung. Der Rest ist Geschichte. Heute beschäftigt die Sick AG weltweit über 10.000 Mitarbeiter und ist mit 50 Tochtergesellschaften und Beteiligungen sowie zahlreichen Vertretungen überall auf der Welt vertreten. Von den bescheidenen Anfängen ausgehend, belief sich der Konzernumsatz im Jahr 2020 auf rund 1,7 Mrd. Euro.
Den 75. Jahrestag des Unternehmens begeht die Sick AG unter dem Motto „Pioneering Superpowers“ und rückt damit die technischen Pionierleistungen des Unternehmens ins Zentrum der Feierlichkeiten.
Im Interview mit Dr. Mats Gökstorp, Mitglied des Vorstands der Sick AG, spürt GIT SICHERHEIT dem Erfindergeist von damals und heute nach.
GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Gökstorp, zunächst einmal Gratulation zum Firmenjubiläum. Es ist eine fantastische Erfolgsgeschichte: Aus der Baracke einer Nachkriegs-Behelfsunterkunft, hin zu einem internationalen Konzern mit tausenden Angestellten. Und das alles gründet sich auf dem Erfindergeist und der Pionierarbeit eines Mannes. Welche Bedeutung hat das Vorbild Erwin Sick heute für Ihr Unternehmen?
Dr. Mats Gokstrop: Vielen Dank im Namen aller Mitarbeiter. Als Gründer des Unternehmens wird Dr. Erwin Sick natürlich immer eine exponierte Bedeutung einnehmen. Sein Pionier- und Erfindergeist ist für uns vorbildlich und prägt unsere Kultur bis heute maßgeblich. Treiber hinter all seinen Entwicklungen war stets der Gedanke, Technologie vor allem zum Wohle von Mensch und Umwelt einzusetzen, und auf keinen Fall für militärische Zwecke. Diese Philosophie lebt bis heute fort. Denn noch immer liegt der Fokus auf Lösungen, welche Organisationen helfen, sicher und nachhaltig mit jedweden Ressourcen umzugehen sowie die Gesundheit von Mitarbeitern zu schützen.
Natürlich sind die Arbeitsbedingungen in einem internationalen Konzern andere als in einer Tüftlerwerksatt. Es gibt viel mehr Bürokratie, viel mehr Regularien und etablierte Strukturen bzw. Hierarchien. Dennoch sind Erfindertum und Eigeninitiative weiterhin essenziell für den fortdauernden Erfolg eines Unternehmens. Wie stellt Sick heute sicher, dass der Pioniergeist weiter fortbesteht?
Dr. Mats Gokstrop: Sie haben recht. Die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich. Auch die Investitionen. Wir investieren beispielsweise jährlich mehr als 10 % unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Wie Sie sich vorstellen können, ist mit Geld allein Innovation nicht getan. Wir versuchen beispielsweise Bürokratie weitestgehend zu reduzieren und nur das zu dokumentieren, was auch wirklich sinnvoll ist. Das ist eine unserer Prinzipien für die Arbeit. Das Interesse daran, etwas Neues zu Schaffen oder Bestehendes zu verbessern, spielt eine entscheidende Rolle. Flexibilität im Denken, auch Querdenken – im besten Wortsinn –, gehört zur Ideenfindung. Sick bietet ein Umfeld, das es zulässt, Visionen zu realisieren. Dabei orientieren sich unsere Mitarbeiter an Werten und Prinzipien, die vor allem den Kunden in den Fokus des Schaffens stellen, die Zusammenarbeit zwischen Menschen fördern und Fehler als wertvolles Learning begreifen.
Der wirtschaftliche Durchbruch von Sick beginnt mit dem ersten serienreifen Unfallschutz-Lichtvorhang der Welt. Welche weiteren Pionierleistungen sind für sie Meilensteine in der Unternehmensentwicklung?
Dr. Mats Gokstrop: Tatsächlich hat alles angefangen mit einem Kontrasttaster für die Verpackung von Käseschachteln. Mit dem optischen „Lichtvorhang nach Patent Sick“ akquirierte Erwin Sick 1952 Aufträge zum Unfallschutz für die großen Karosseriepressen bei der aufstrebenden Automobilindustrie und legte die erste Geräteserie auf. Vier Jahre später stellte er das erste optoelektronische Messgerät zur Bestimmung der Rußkonzentration von Anlagen vor – weit vor der öffentlichen Beachtung des Umweltschutzes bewies Sick damit seinen Pioniergeist. Diese Sensorerfindungen verhalfen dem Unternehmen zum Durchbruch – wirtschaftlich wie technologisch. Ein weiterer Meilenstein für das Unternehmen war 1975 die Entwicklung des ersten Farbring-Codeleser zur Erkennung farbiger Ringcodierungen auf Ampullen. Diese vier Entwicklungen waren die Basis für Geschäftsfelder, mit denen Sick heute mehrere hundert Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.
Von der Vergangenheit richten wir jetzt einmal den Blick in Zukunft: Was sind aus ihrer Sicht die wichtigsten Projekte und Themen, in denen die Sick AG in Zukunft Vorreiter in der Entwicklung sein will und muss? Welchen globalen Herausforderungen gilt es zu bewältigen?
Dr. Mats Gokstrop: Der Fokus für künftige Innovationen wird darin liegen, das in den vielen Jahren gewonnene Anwendungs-Know-how aus dem Einsatz der Sensoren mit den Daten sinnvoll zu verbinden. Dafür haben wir den Sick AppSpace und den Sick IntegrationSpace entwickelt. Beides markiert erst den Anfang, denn mit der digitalen Transformation werden in der Zukunft ungeahnte Potenziale realisiert. Sick wird die Durchgängigkeit seiner Lösungen vom Shopfloor bis zur Unternehmenssteuerung weiter intensivieren. Durch die Nutzung neuer digitaler Technologien und Geschäftsmodelle wird sich ein Mehrwert sowohl auf Sensor-, Maschinen- als auch der Prozessebene ergeben. Dazu gehören Lösungen zur intuitiven Sensorprogrammierung mit Sick AppSpace, die beispielsweise künstliche Intelligenz mit Deep Learning direkt vor Ort ermöglichen, ebenso wie Lösungen zur intelligenten Sensorintegration oder digitale Dienste im Sick IntegrationSpace.
Auch im Safety-Bereich nutzen wir die Möglichkeiten neuer Technologien und treiben die Datenfusion und -analyse voran, um die Definition und die zukünftigen Möglichkeiten von Safety zu erweitern. Safety wird immer dynamischer werden und unterschiedliche Safety Level bedienen. Damit verwandeln wir Safety von einer häufig unbeliebten Notwendigkeit in einen echten wirtschaftlichen Mehrwert. Zukünftig werden Safety-Applikationen die Fabriken und Anlagen unserer Kunden effizienter und produktiver machen. Das ist ein komplett neues Mindset für Safety-Lösungen.
Bei all diesen spannenden Entwicklungen, die vor uns liegen, hilft es uns, dass Sick seine Start-up Mentalität im Sinne unseres Firmengründers beibehalten hat. Mit unseren „Pioneering Superpowers“ blicken wir zuversichtlich in die Zukunft.
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