PSA-Verordnung

Die neue PSA-Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedsländern. Sie belässt zwar weiterhin die Hauptverantwortung beim Hersteller, implementiert aber weitere Hauptverantwortlic...

Die neue PSA-Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedsländern. Sie belässt zwar weiterhin die Hauptverantwortung beim Hersteller, implementiert aber weitere Hauptverantwortliche und reduzierte Pflichten für nachgelagerte Wirtschaftsakteure.

1989 entstanden die beiden für persönliche Schutzausrüstungen (PSA) relevanten Richtlinien 89/686/EWG (PSA-Herstellerrichtlinie) und 89/656/EWG (PSA-Anwenderrichtlinie).

Mit dem Beschluss Nr. 768/2008/EG wurde im Jahr 2008 der sogenannte „neue Rechtsrahmen“ für das Inverkehrbringen bestimmter Produkte geschaffen. Mit diesem wurden die Konformitätsbewertungsverfahren unterschiedlichster Produktgruppen systematisiert und vereinheitlicht. Darüber hinaus wurden viele Begrifflichkeiten, wie z.B. Inverkehrbringen, auf dem Markt bereitstellen, Hersteller, Einführer, Händler usw. definiert.

Mit der neuen PSA-Verordnung (EU) 2016/425 wurde die alte Richtlinie 89/686/EWG diesem „neuen Rechtsrahmen“ angepasst.

PSA-Richtlinie wird zur PSA-Verordnung
Der Übergang von der PSA-Richtlinie zur PSA-Verordnung hat zunächst eine sehr juristisch formale Änderung nach sich gezogen. Während die europäische Richtlinie einen Rechtsrahmen vorgegeben hat, der von den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden musste, tritt mit der PSA-Verordnung nunmehr eine Vollharmonisierung ein. Es verbleibt insofern kein Umsetzungsspielraum mehr für die nationalen Mitgliedsländer.

Anwendungsbereich der PSA-Verordnung wird erweitert
Sind nach der PSA-Richtlinie PSA für die private Verwendung gegen Hitze vom Anwendungsbereich ausgenommen, findet man diese Ausnahme in Art. 2 Abs. 2 c) nicht mehr. Dies heißt im Umkehrschluss, dass PSA für die ­private Verwendung gegen Hitze nunmehr in den Anwendungsbereich der PSA-Verordnung fällt. Für die Praxis bedeutet dies, dass z. B. Topfhandschuhe nunmehr den Anforderungen der PSA-Verordnung entsprechen müssen.

Ausgenommen vom Anwendungsbereich bleiben PSA, die zur privaten Verwendung als Schutz gegen Witterungseinflüsse bestimmt sind, sofern sie nicht gegen extreme Kälte schützen sollen.

Sofern Bekleidung zwar mit fluoreszierenden und/oder reflektierenden Elementen versehen ist, für sie aber keinerlei Schutzfunktionen ausgelobt werden, ist der Anwendungsbereich der PSA-Verordnung nicht gegeben und insofern müssen auch die Anforderungen aus Anhang II 2.13. nicht erfüllt werden (siehe Erwägungsgründe 10).

Pflichten der Wirtschaftsakteure
Die neue PSA-Verordnung belässt zwar weiterhin die Hauptverantwortung beim Hersteller, implementiert aber weitere Hauptverantwortliche und reduzierte Pflichten für nachgelagerte Wirtschaftsakteure.

Pflichten des Herstellers
Art. 8 normiert neue Verpflichtungen, die es bisher so explizit nicht gegeben hat:
Der Hersteller muss nunmehr seine Produkte mit seiner Kontaktadresse kennzeichnen, wobei die postalische Adresse gemeint ist und die Angabe einer Web-Adresse oder einer E-Mail-Adresse nicht ausreicht. Die Produkte sind gleichfalls mit einer Identitätskennzeichnung zu versehen, um im Falle z.B. von Produktfehlern die betroffenen Produkte schneller und eindeutiger vom Markt nehmen zu können. Die PSA-Verordnung sieht nunmehr vor, dass der Hersteller jeder PSA auch eine Konformitätserklärung beizufügen hat, also zusätzlich zu der weiterhin beizufügenden Herstellerinformation. Die Beifügung der Konformitätserklärung kann unter gewissen Voraussetzungen durch einen Internetlink in der Herstellerinformation ersetzt werden. Es schließt sich eine Produktbeobachtungpflicht des Herstellers an, die je nach verbundenem Risiko mit der bereitgestellten PSA stichprobenartige Prüfungen nach sich ziehen kann. Der Hersteller muss ein Beschwerdeverzeichnis führen (Art. 8 Abs. 4). Darüber hinaus muss der Hersteller die technischen Unterlagen und die EU-Konformitätserklärung zehn Jahre ab dem Inverkehrbringen der PSA aufbewahren (Art. 8 Abs. 3). Erkennt der Hersteller, dass von seinem Produkt Gefahren ausgehen, muss er die Marktaufsichtsbehörden informieren.

Pflichten des Einführers
Vom Einführer spricht man dann, wenn das Produkt eines außerhalb der EU ansässigen Herstellers durch ein in der EU ansässiges Unternehmen (Einführer) in die EU eingeführt wird (Marke des Herstellers ersichtlich). Der Einführer hat insofern zwar nicht die vollumfänglichen Pflichten wie der Hersteller, aber er trägt weitaus mehr Verantwortung als ein reiner Wiederverkäufer (Händler). Gemäß Art. 10 Abs. 1 wird die Verpflichtung des Einführers aufgestellt, nur konforme PSA in den Verkehr zu bringen. Seine Pflichten sind zunächst Kontrollfunktionen. So muss der Einführer gemäß Art. 10 Abs. 2 prüfen, ob der (ausländische) Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Art. 19 durchgeführt hat und ob er die technischen Unterlagen erstellt hat und ob die PSA mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist und die erforderlichen Begleitdokumente (Herstellerinformation, Konformitätserklärung) beigefügt sind. Die PSA-Produkte sind – zusätzlich – auch mit seinem Namen zu kennzeichnen. Der Einführer muss genau wie der EU-Hersteller eine Produktbeobachtung durchführen und gegebenenfalls Stichproben von auf dem Markt befindlicher PSA vornehmen. In dieser nachgelagerten Pflicht nach Inverkehrbringen der Produkte unterscheiden sich die Pflichten des Einführers nicht von denen des Herstellers.

Pflichten des Händlers
Auch der reine Wiederverkäufer, der die PSA nach Inverkehrbringen ein weiteres Mal abgibt, hat nach der neuen PSA-Verordnung Pflichten, aber sehr reduziert. Dies heißt übersetzt, dass ihm nur das abgefordert werden kann, was er überhaupt im Rahmen seines Geschäftsbetriebes zu leisten in der Lage ist. Die Händler haben reine formale Überprüfungspflichten, wie die Überprüfung einer vorhandenen CE-Kennzeichnung und das Vorhandensein einer Herstellerinformation in der richtigen Sprachfassung. Nur wenn der Händler positiv weiß, dass die von ihm zu verkaufende PSA nicht mit den Anforderungen der PSA-Verordnung konform sind, muss er tätig werden, insbesondere die Marktaufsichtsbehörden informieren und beginnen, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Pflichten des Quasiherstellers
Jedes Unternehmen, das Produkte eines anderen mit seinem Namen und seiner Marke versieht und dann erstmalig in der EU in den Verkehr bringt, wird wie ein Hersteller behandelt. Diese Quasiherstellereigenschaft kann sowohl den Einführer als auch den Händler treffen. Wer so tut, als bringe er sein eigenes Produkt auf den Markt, muss sich wie ein Hersteller behandeln lassen und ihn treffen alle Verpflichtungen eines Herstellers. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 12, die es im Übrigen auch in der zivilrechtlichen Haftung gibt (§ 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG).

Gültigkeit der Baumusterprüfbescheinigung wird beschränkt
Seit 2010 haben sich die deutschen Zertifizierungsstellen intern verpflichtet, die Gültigkeit der Prüfbescheinigungen auf maximal 5 Jahre auszustellen. Diese von Deutschland schon freiwillig vorgenommene Beschränkung wird jetzt mit der neuen PSA-Verordnung in der ganzen EU verbindlich (Anhang V, 6.1).

„Technische Unterlagen“ jetzt für alle PSA-Kategorien
Die „technischen Unterlagen“ müssen nun dem Anhang III gemäß Art. 8 Abs. 2 entsprechen. Neu ist, dass dies nun in diesem Umfang auch für persönliche Schutzausrüstungen der Kategorie I, also jetzt für alle Kategorien von PSA zutrifft.

Bestimmte Produktgruppen werden der Kat. III zugeordnet
Die Produktgruppen zum Schutz vor:
a) gesundheitsgefährdenden Stoffen und Gemischen;
c) schädliche biologische Agenzien;
i) Ertrinken;
j) Schnittverletzungen durch handgeführte Kettensägen;
k) Hochdruckstrahl;
l) Verletzungen durch Projektile oder Messerstiche;
m) schädlichem Lärm
wurden neu in die Zuordnung für PSA der Kategorie III aufgenommen. Somit wurden einige Produktgruppen von der Kategorie II der Kategorie III neu zugeordnet. Durch diese Neuzuordnung wird auch noch einmal deutlich, dass Chemikalienschutz zur Kategorie III gehört (Anhang I).

Änderung der Anforderung „Für die Signalisierung des Nutzers geeignete PSA“ (Warnschutz)
Neben der Tatsache, dass für den privaten Gebrauch bestimmte Kleidung mit modischen oder dekorativen fluoreszierenden oder reflektierenden Elementen nicht in den Anwendungsbereich der neuen PSA-VO fällt, wurde hingegen in den grundlegenden Anforderungen die Beschränkung für den Warnschutz nur auf Bekleidung aufgehoben. Reflektierende oder fluoreszierenden Accessoires, wie zum Beispiel Klackbänder (slap wraps) oder baumelndes Reflexzubehör (dangle tags) sind nun durch die grundlegenden Anforderungen erfasst (Anhang II Pkt. 2.13.).

Grundlegende Anforderungen für Schutzkleidung mit abnehmbaren Protektoren
Neu wurde im Anhang II der Punkt 1.3.4. mit in die grundlegenden Anforderungen aufgenommen. Bisher war es so, dass Protektoren allein bewertet wurden. Nun werden Protektoren immer mit der vorgesehenen Kleidung zusammen bewertet. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Protektoren während eines Unfalls nicht verschieben können.

Konformitätsbewertungsmodule:
Für PSA der Kat. I ist die sogenannte „interne Fertigungskontrolle“ entsprechend des Moduls A (Anhang IV) durchzuführen. PSA der Kat. II benötigt die EU-Baumusterprüfung (Modul B gemäß Anhang V) und im Anschluss daran die Sicherstellung der Konformität mit dem Baumuster auf der Grundlage einer „internen Fertigungskontrolle“ (Modul C gemäß Anhang VI). PSA der Kat. III benötigt über die EU-Baumusterprüfung (Modul B gemäß Anhang V) hinaus zusätzlich entweder die Prüfung der Konformität mit dem Baumuster auf der Grundlage einer „internen Fertigungskontrolle mit überwachten Produktprüfungen in unregelmäßigen Abständen“ (Modul C2 gemäß Anhang VII) oder eine Konformität mit dem Baumuster auf der Grundlage einer Qualitätssicherung bezogen auf den Produktionsprozess (Modul D gemäß Anhang VIII).

Übergangsvorschriften
Trotz Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG mit Wirkung zum 21. April 2018 lässt Art. 47 zu, dass der Hersteller bzw. Einführer noch ein Jahr lang richtlinienkonforme PSA-Produkte bis zum 21. April 2019 in den Verkehr bringen darf, also die PSA-Produkte erstmalig noch an einen weiteren Wirtschaftsakteur abgeben kann. Diese bis zum Stichtag des 21. April 2019 in den Verkehr gebrachte PSA darf von den Mitgliedstaaten bei der Bereitstellung auf dem Markt nicht behindert werden. Dies bedeutet, dass die vor dem 21. April 2019 in Verkehr gebrachte PSA durch einen weiteren Wirtschaftsakteur abverkauft/abgegeben werden darf, auch wenn zwischenzeitlich die PSA-Verordnung Rechtsgeltung (21. April 2018) erlangt hat.
Art. 47 Abs. 2 regelt zudem die Gültigkeit von EU-Baumusterprüfbescheinigungen, die auf Grundlage der Richtlinie ausgestellt worden sind oder noch bis zum 21. April 2018 ausgestellt werden. Diese gelten maximal bis zum 21. April 2023, wenn sie zeitlich unbefristet ausgestellt wurden. Solche EU-Baumusterprüfbescheinigungen, die zeitlich befristet sind, sollen mit ihrem Ablaufdatum ungültig werden.

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