Investieren wir an der richtigen Stelle, wenn es um die Sicherheit unseres Unternehmens geht? Wo lauern unbeachtet Risiken - und wo haben wir es gar übertrieben mit der Vorsicht? Die Fragen stellen sich in Unternehmen jeder Größenordnung. Um hier zu einer ersten Einschätzung zu kommen, benutzt man bei Siemens neuerdings eine sogenannte Quick-Risk-Assessment-App. Matthias Erler von GIT-SICHERHEIT.de ließ sie sich von Ertan Kilic, Service-Leiter BOS-Leitstellen Region West bei Siemens, erklären.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Kilic, Sie haben seit kurzem eine App zum „Quick-Risk-Assessment" im Einsatz. Wozu ist sie gut - und
wer soll sie verwenden?
Ertan Kilic: Sicherheit ist heute auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Unternehmen - deshalb ist es wichtig zu wissen, ob man den bestehenden Anforderungen insoweit genügt. Die App verhilft dem Anwender schnell zu einer ersten Einschätzung zu kommen, mit dem Ziel, einen Security-Prozess über einen bestimmten Zeitraum bewertbar zu machen. Ich kann also überprüfen, ob meine Sicherheitsmaßnahmen für mein konkretes Geschäft ausreichen oder nicht. Interessant ist das sowohl für kleinere Unternehmen - etwa eine Franchisefirma mit ihren Filialen - als auch für Großunternehmen. Wir verwenden das Tool aber auch in unserem Vertrieb, um Frühindikatoren für Sicherheitsproblematiken aufzudecken, und darauf die Beratung abzustimmen.
Wie funktioniert diese App?
Ertan Kilic: Unsere App geht zunächst einmal so vor, dass sie über einen kurzen Fragenkatalog zwei Dinge abfragt: Die Branche in dem das jeweilige Unternehmen tätig ist und die konkrete Abteilung um die es geht. Ein Beispiel wäre ein Flughafen - und dort der Bereich Logistik. Diese Eingrenzungen sind zentral, denn so können wir Logistik von Logistik - oder Einkauf von Einkauf je nach Umfeld und dessen rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden.
Was ist dann der nächste Schritt?
Ertan Kilic: Es folgt ein Fragenkatalog, der auf die jeweilige Branche abgestimmt ist. Hier wird beispielsweise der Grad der Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Brandszenario abgefragt - und anschließend das Ausmaß der Folgen. Die Kombination der Antworten ergibt einen ersten Anhaltspunkt, der als Frühindikator fungieren kann. Auch nach der Wahrscheinlichkeit für Sabotageakte und deren Auswirkungen wird gefragt. Hier wird häufig sichtbar, dass zwar der Eintritt bestimmter Gefahren gering sein mag, dafür aber die Auswirkungen extrem sein können, wenn sie denn einmal eintreten.
Das Ganze wird aber auch visualisiert?
Ertan Kilic: Ja. Die Angaben fließen in eine Bewertungsmatrix ein - und zwar dergestalt, dass sie mit Normalwerten aus der Branche bzw. Zuständigkeit abgeglichen werden. So entsteht eine Netzspinnen-Grafik.
Wo kommen diese Normalwerte her?
Ertan Kilic: Das sind Mittelwerte, die unserer Praxiserfahrung bei Siemens entsprechen. Wir wissen aus unserer langjährigen und umfangreichen Projekterfahrung, welche Werte normalerweise herauskommen müssten.
Angenommen, es ergeben sich nun Abweichungen - wie geht's dann weiter?
Ertan Kilic: Mit das Wichtigste ist ja an dieser Stelle bereits erreicht worden, nämlich die Sensibilisierung für einen bestimmten Handlungsbedarf. Wir veranstalten dann auf Grundlage der Ergebnisse entsprechende Intensiv-Workshops, auf denen an den Bereichen gearbeitet wird an denen nach der ersten Analyse möglicherweise zu wenig oder auch zu viel investiert wurde.
Die App kann aber auch noch anders verwendet werden?
Ertan Kilic: Man kann statt des Einstiegs in die Prozesse und deren Problematisierung auch von der Technik her das Ganze betrachten. So können wir beispielsweise von der Frage ausgehen, wie es um die Videoüberwachung, die Einbruchsmeldung oder die Zutrittssteuerung bestellt ist. Hier kann man fragen, ob die eingesetzte Technik auch der Komplexität der Anforderungen - etwa wegen mehrerer Standorte - gerecht wird. Wir können prüfen, ob auch der richtige Service zu Sicherung der Funktion während des ganzen geplanten Lebenszyklus der Anlage mitbedacht wurde. Es lässt sich überprüfen, ob es bei vernetzten Systeme Mechanismen zur Früherkennung von Problemen gibt, wenn irgendeine Komponente ausfällt.
Auch mit Veränderungen kann die App ja umgehen?
Ertan Kilic: Auch individuelle Faktoren lassen sich berücksichtigen. So verändern sich die Sicherheitsanforderungen ja etwa im Maße des geplanten Wachstums eines Unternehmens. Dann muss man sich nicht nur fragen, ob die vorhandene Technik den künftigen Anforderungen genügt, sondern auch, wie man das feststellen will. Dafür ist ein gutes Monitoring der Infrastruktur wichtig. In der Logistik muss ist z. B. die lückenlose Funktion der Videoüberwachung von LKW sehr entscheidend - deshalb gehören auch die IT-Übertragungskette und die Visualisierungssoftware dazu. Hier überprüfen wir die prozessuale Organisation und decken etwaige Personal-Lücken auf.
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