Schlüsseltransfer 2.0: Wenn Maschinen nur mit dem richtigen Schlüssel starten
Digitale Sicherheitslösungen sind in der Industrie immer weiter auf dem Vormarsch. Es ist ein Trend, der allerdings längst nicht für alle Anwendungen und Branchen gleichermaßen gilt: Schlüsseltransfersysteme (STS) spielen in der physischen Trennung von Mensch und Maschine nach wie vor eine tragende Rolle. Dold vereint Sicherheitsschalter, Zuhaltungen, Schlüsseltransfer und Befehlsfunktionen mit dem Safemaster STS in einem System, das auch der neuen EN ISO Norm 14119 entspricht.
Der Blick in die Produktionshalle eines großen Lohnfertigers: An CNC-Maschinen verrichten mehrere Mitarbeitende ihre Arbeit, stellen die passenden Produkte nach den genauen Anforderungen des Kunden her. Werkzeugmaschinen wie eine CNC-Fräse spielen eine wichtige Rolle in der Bearbeitung komplexer Metallbauteile.
Im industriellen Vollbetrieb wirken aber Kräfte auf die Maschine, die eine regelmäßige Wartung erfordern. Dabei steht die Sicherheit der Mitarbeitenden an vorderster Stelle: Während die Maschine läuft, dürfen die Bediener unter keinen Umständen in die Nähe des Werkzeugs geraten, zu groß wäre das Sicherheitsrisiko. Wenn eine Inspektion ansteht, muss also sichergestellt sein, dass die Maschine auch wirklich ausgeschaltet ist und bleibt.
Dann schlägt die Stunde sogenannter Schlüsseltransfersysteme (STS). Der Begriff beschreibt einen erzwungenen Prozessablauf durch den mechanischen Austausch von Schlüsseln. Im Falle der CNC-Fräsmaschine funktioniert dies wie folgt: Die beiden Zugänge zur Inspektion dürfen nur bei Stillstand der Maschine geöffnet werden. In der laufenden Maschine sind die Schlüssel für die mechanischen Zuhaltungen in einen schlüsselbedienten Schalter mit Zuhaltefunktion gesteckt. Nachdem der Zugang angefordert wurde und die Maschine zum Stillstand gekommen ist, können die Schlüssel entnommen werden, und der Mitarbeiter kann die Schlüssel in die mechanischen Zuhaltungen an der Anlage stecken.
Wird dann einer oder beide Zugänge zur Inspektion geöffnet, können die Schlüssel nicht mehr entnommen und die Maschine damit nicht mehr gestartet werden. Durch den Schlüsseltransfer sind also Maschine und Mitarbeiter geschützt und die Inspektionszugänge ohne Verdrahtung abgesichert.
In der Praxis lassen sich STS-Lösungen leicht an die individuellen Kundenwünsche anpassen. Dold ermöglicht eine flexible und anpassbare Sicherheitslösung mit ihrem Safemaster STS.
Gesamtpaket für mehr Sicherheit
Schlüsseltransfersysteme haben im industriellen Einsatz eine lange Erfolgsgeschichte vorzuweisen: Entsprechende Lösungen sind bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Safemaster STS führt diese Erfolgsgeschichte fort und hebt den Schlüsseltransfer auf eine neue und moderne Stufe: Er dient zur Absicherung trennender Schutzeinrichtungen von Maschinen und Anlagen. Als kombiniertes Sicherheitsschalter- und Schlüsseltransfersystem vereint es die jeweiligen Vorteile von Sicherheitsschaltern, Zuhaltungen, Schlüsseltransfer und Befehlsfunktionen in einem System.
Durch ein robustes Verriegelungssystem aus Edelstahl ist Safemaster STS prädestiniert für den Einsatz in rauen und extremen Bedingungen wie sie in den Rohstoff verarbeitenden Industrien zu finden sind. Nicht zuletzt finden Schlüsseltransfersysteme auch Anwendung im Ex-Bereich oder Branchen mit sehr hohen Sicherheitsanforderungen. Aus diesem Grund ist Safemaster STS bis zur Sicherheitsstufe PL e / Kat. 4 nach EN ISO 13849-1 geeignet.
Die Lösung spielt vor allem dann ihre Stärken aus, wenn anspruchsvolle Bedingungen wie im Sägewerk, in der Steinverarbeitung oder der Metallgießerei starke Belastungen für elektrische Systeme darstellen. Safemaster STS ist dank seines modularen Aufbaus verdrahtungsfrei, wodurch Wartungsaufwand, Kosten, Strom und Material eingespart werden. Egal ob bei Hitze oder winterlichen Temperaturen im Außenbereich, dank der Edelstahlausführung ist das Schlüsseltransfersystem flexibel einsetzbar und robust. Außerdem können durch spezielle Reinigungsöffnungen Verschmutzungen selbstständig entweichen. Die mechanischen Bauteile lassen sich zudem mit Wasser oder Druckluft reinigen.
Normen spielen eine wichtige Rolle
Wenn es um Sicherheit geht, dann dürfen Unternehmen keine Kompromisse eingehen. Dem sind sich auch die einschlägigen Normungsgremien bewusst, weshalb Schlüsseltransfersysteme bereits seit jeher Gegenstand von Standardisierung sind. Die wichtigste Norm rund um Schlüsseltransfersysteme ist die EN ISO 14119, die Leitsätze für Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen enthält. Sie stellt Anforderungen an verschiedene Verriegelungen, die in der Branche oft unter dem Begriff Sicherheitsschalter oder Zuhaltung bekannt sind, in Kombination mit Zugängen zu Maschinen. Das macht die Norm nicht nur für Hersteller wie Dold relevant, sondern auch für die Anwender, die die Sicherheitssysteme letztlich an ihren Maschinen und Anlagen einbauen. Die Norm wurde zuletzt von 2019 bis 2024 grundlegend überarbeitet und im September dieses Jahres veröffentlicht.
Mit der Neuausgabe der Norm werden die technischen Spezifikationen für Schlüsseltransfersysteme und die Kaskadierung von potentialfreien Kontakten zusammengefügt. Bisher war es so, dass die unterschiedlichen Arten von Verriegelungen in vier Typen aufgeteilt wurden: Neben Positionsschaltern ohne getrennte Betätiger waren das Schalter und Zuhaltungen mit getrenntem und kodiertem, mechanischem Betätiger sowie berührungslos wirkende Schalter (BWS) mit und ohne Kodierung. Der Typ mit Kodierung beschrieb BWS auf Basis der RFID-Technologie oder von kodierten Magnetschaltern. In der EN ISO 14119:2024 sind als eigenständiger fünfter Typ nun Schlüsseltransfersysteme hinzugekommen, die entsprechende ISO-Spezifikation ISO/TS 19837 wurde als Anhang integriert. Das hat zur Folge, dass die Symbole aus der technischen Spezifikation nun auch im Rahmen der ISO-Richtlinie verwendet werden können, obwohl sie nicht normativ vorgeschrieben sind. Auch Safemaster STS nutzt diese Symbole in den Datenblättern.
Mindestens einmal pro Jahr prüfen
Ebenfalls geregelt ist die Notwendigkeit der Prüfung von selten genutzten Verriegelungen, sie gibt allerdings keinen Aufschluss über den Prüfvorgang. Dold empfiehlt aufgrund der mechanischen Funktionsweise von Schlüsseltransfersystemen, dass Sicherheitsanwendungen bis PL d mindestens einmal pro Jahr und jene mit PL e mindestens einmal pro Monat getestet werden müssen.
Nicht weniger relevant ist zudem der Schutz gegen Manipulation: Sicherheitssysteme dürfen aufgrund der Gefahr für die Bedienenden nicht überwindbar sein. Dold setzt die Bedingung, eine „nicht lösbare Befestigung“ zu gewährleisten, mit einem speziellen System um: Safemaster STS wird mit kodierten Torx-Schrauben geliefert, die sich aber mit dem richtigen Werkzeug lösen lassen. Wird allerdings der Stift in der Mitte der Schraube verbogen, ist sie nicht mehr lösbar und so sicher vor Manipulation. Eine Blockierfunktion macht im Fehlerfall das System funktionsunfähig, sodass der Zugang zur Maschine oder der Wiederanlauf verhindert werden. Erst nach der Behebung des Fehlers ist es mit Safemaster STS möglich, die blockierte Einheit zurückzusetzen.
Damit Irrtümer bei der Nutzung der Schlüssel ausgeschlossen werden, können die Schlüsselmodule und Schlüssel farblich gekennzeichnet werden. Neben der Standardfarbe orange bietet Dold weitere 19 Farbkombinationen an.
Zuverlässige allpolige Trennung mit Power Interlocking
Die EN ISO 14119 beschreibt außerdem den Umgang mit der allpoligen Trennung für Schlüsseltransfersysteme in Kombination mit Lasttrennschaltern. Diese Schaltung im Leistungsteil wird im Englischen auch als Power Interlocking bezeichnet. Die Technologie erzwingt für die Schlüsselfreigabe zuerst die Bedienung eines Lasttrennschalters, der dann die Energieversorgung der Maschine unterbricht. Damit wird gewährleistet, dass die Maschine vor der Schlüsselfreigabe allpolig vom Netz entkoppelt ist.
Beim Power Interlocking tritt jedoch häufig ein Problem auf: Wenn der Lasttrennschalter stets unter Last geschaltet wird, anstatt die Maschine ordnungsgemäß Ein- und Auszuschalten, verkürzt sich die Lebensdauer drastisch. Dold empfiehlt deshalb für allpolige Trennungen, zuerst die Maschine herunterzufahren und danach den Lasttrennschalter zu bedienen. Das schont den Schalter und erhöht die Lebensdauer.
Im Zusammenspiel mit der EN ISO 14119 ist Safemaster STS die richtige Lösung für den Schutz von Mensch und Anlage in der Produktion. Dank der Möglichkeit des mechanischen und verdrahtungslosen Einsatzes ist das System auch im Fehlerfall zuverlässig und robust. Damit spielen Schlüsseltransfersysteme auch mehr als 100 Jahre nach ihrer Erfindung eine wichtige Rolle in der Industrie.