Schränke für Lithium-Akkus: Neuer Explosionsschutz von Cemo

Wie wichtig Akkusicherheit ist, zeigt nicht zuletzt der in Brand geratene Autofrachter Fremantle Highway nahe der Nordsee-Insel Ameland – auch wenn hier die eigentliche Brandursache nach wie vor nicht abschließend geklärt ist. Und das gilt nicht nur im Großformat. Daher ist die Gefahrenproblematik bereits seit vielen Jahren verstärkt in den Fokus der Arbeits- & Betriebssicherheit gerückt. Mittlerweile gibt es auch Fortschritte in der Produktqualifizierung anhand neuer Prüfprogramme (z. B. Tüv Nord Group). Einkäufer und Verantwortliche sollten daher auf die Batteriebrandtauglichkeit von Produkten zum sicheren Lagern und Laden achten, da nur so die Eignung auf die realen Gefahren des Akkubrands ausgelegt ist.

Ein Akkuschrank mit LockEX-Mechanik erfüllt das Schutzziel nachweislich auch...
Ein Akkuschrank mit LockEX-Mechanik erfüllt das Schutzziel nachweislich auch bei Gasexplosionen. © Cemo

Der Brandvorgang bei Batterien hat ein breites Gefahrenspektrum. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien und Forschungsprojekte sowie wertvolle Erkenntnisse aus der Prüfpraxis. Für Anwender, Verantwortliche und Entscheider ist es daher wichtig zu wissen, dass hinter der Bezeichnung eines Akkubrands mehr steckt als nur ein harmloses Abbrennen von entzündbaren Bestandteilen der Zellen.


Explosionsschutz vor Brandschutz – andere Brandnachweise sind erforderlich

Bei Sicherheitsschränken für brennbare Flüssigkeiten nach der Norm EN 14470-1 ist der Schutz der eingelagerten Chemikalien vor dem Umgebungsbrand im Fokus, also die Brandwirkung von außen auf den Schrank. Dadurch spielen in der Norm und dementsprechend der Schrankkonstruktion die physikalischen Gefahren der eingelagerten Medien keine Rolle. Ein Entzünden der eingelagerten Flüssigkeiten ist erst der Fall, wenn der Brand den Zeitbereich der angegebenen Feuerwiderstandsfähigkeit übertrifft und der Schrank versagen „darf“. In diesem Fall gibt es daher keinen Grund, um für die Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten an den Baumusterprüfungen mittels Brandkammertest zu rütteln.

Bei Schränken für Lithium-Batterien ist das anders: Hier geht die Gefahr in erster Linie von den havarierenden Batterien im Schrank aus und es gilt die Umgebung (v. a. Mitarbeiter, Maschinen) zu schützen. Folglich kommt es gerade auf die chemischen und physikalischen Gefahren dieser Energiespeicher an – imposante Flammen, sprunghafte Temperaturanstiege, explosionsartiges Abbrennen, Gasexplosionen, erhebliches Rauchaufkommen, brennender Trümmerflug. Wird ein Batterieschrank also nur mittels Hitzebeanspruchung wie bei einem genormten Brandkammertest geprüft, sind die Nachweise nicht ausreichend. Aktuell gibt es dennoch Hersteller, die sich damit zufriedengeben, und Prüfprogramme, bei denen dies der Fall ist.


Das steckt hinter den beobachteten „Explosionen“

Bei Lithium-Batterien heißt es immer wieder, dass diese explodieren können oder es zur Explosion kam. Hier ist wichtig zu verstehen, was dahinter steckt. Ein Batteriepack explodiert natürlich nicht wie eine Bombe oder Granate. In seiner Wirkung auf einen Schrank oder Behälter können Lithium-Batterien jedoch zu einem ähnlichen Produktversagen führen. Vereinfacht gesagt gibt es zwei Szenarien:

Szenario 1 – Das explosionsartige Abbrennen
Im ersten und häufigsten Fall erfolgt die Reaktion von Thermal Runaway und Thermal Propagation mit schnellem Zerlegen der Zellen sowie beachtlicher Flammenerscheinung. Nach dem Auslösemoment erhitzen und öffnen sich die Zellen, sodass die entzündbaren Flüssigkeiten oder Dämpfe ausströmen und sich unmittelbar entzünden. Die Folge ist eine intensive Flammbildung meist begleitet durch laute Knallgeräusche, die beim Zerbersten der Zellen entstehen. Dieser Vorgang wird nicht selten als Explosion bzw. explosionsartiges Abbrennen wahrgenommen. Gerade bei mehreren Akkus oder größeren Akkupacks von Ebikes, kann diese Kettenreaktion des schrittweisen Abbrennens auch bei mehrerer Zellen nahezu zeitgleich ablaufen und sich die Reaktionen aufdoppeln bzw. überlagern. Der Explosionsdruck bleibt dennoch auf einem überschaubaren Niveau. Die Gesamtreaktion dieses Brands stellt aber bereits eine andere und höhere Beanspruchung dar, als es über klassische Brandkammertests nachgewiesen werden kann.

Szenario 2 – Die „richtigen“ Explosionen
Im zweiten und deutlich folgenschwereren Fall beginnt die Reaktion damit, dass es zu Beginn der Havarie zum Austritt von weißen Elektrolytdämpfen und weiteren entzündbaren Rauchgasen kommt. Diese verbrennen nicht sofort, sondern sammeln sich aufgrund fehlender Zündquelle oder (noch) nicht zündfähigem Gas-Luft-Gemisch erst einmal an. Bereits aus einem Akkupack für Powertools können so mehrere hundert Liter hoch entzündbare Gasatmosphäre entstehen. Kommt es dann zur Zündung, weil sich die Zellenoberflächen weiter erwärmt haben, ein elektrischer Funke durch den Batteriekurzschluss entsteht oder die Gase ein wirksames Mischungsverhältnis erreichen, gibt es eine richtige Gasexplosion mit Druckwelle.

Aus Versuchen und Studien ist zu entnehmen, dass alleine Elektrolytdämpfe in ihrer typischen Zusammensetzung einen Explosionsdruck von 8 bar erreichen. Diese Explosion stellt eine enorme Systembeanspruchung für Schränke oder Behälter dar, wenn sie nicht dafür ausgelegt wurden. Bei reinen Brandschutzprodukten kann es zur Zerstörung kommen, quasi noch bevor die Stoppuhr für die nachgewiesene Feuerwiderstandsfähigkeit läuft. Unter Umständen kann die Gasexplosion immer wieder auftreten und nicht nur einmalig zu Beginn der Havarie.


LockEX & No-Bang-Technlogie ­verhindert Totalversagen erfolgreich

Um diesem Problem begegnen zu können, war beim Gefahrgutspezialisten Cemo die Entwicklung eines neuen Explosionsschutzes notwendig. Die patentierte LockEX-Mechanik ist eine federbasierte Türverriegelung, die bei einer Gasexplosion eine kontrollierte Druckentlastung ermöglicht. Die Konstruktion der Tür gibt zwar minimal nach, damit der Druck für einen Sekundenbruchteil entweichen kann, schließt sich aber sofort wieder. Auf diese Weise wird der Explosionsdruck unschädlich gemacht und kann nicht seine zerstörerische Wirkung auf das Gehäuse entfalten. Die Intaktheit des Brandabschnitts bleibt gewährleistet, damit die Lithium-Akkus im Schrank abreagieren können und sich die Umgebung nicht durch brennende Trümmerteile zum Gebäudebrand entwickelt. Die hier zum Einsatz gekommene Lösung zum Schutz vor Totalversagen bei einer Gasexplosion wird als No-Bang-Technologie bezeichnet. In der Bedeutung kommt Explosionsschutz vor Brandschutz.


Neuer Tüv Nord Prüfgrundsatz als Gold-Standard

Wie die Ausführungen schreiben ist es angeraten, jedes Akku-Sicherheitsprodukt einem realen Batteriebrandversuch zu unterziehen. Es ist jedoch nicht gewährleistet, dass es beim herkömmlichen Versuchsaufbau zum Worst-Case-Szenario einer Gasexplosion kommt. Immer wieder gibt es Berichte, dass es bei Tests nur zu einer Rauchentwicklung kommt – also Brand und Explosionen ausbleiben. Einige Hersteller werten allerdings selbst dann den Batteriebrandversuch als „bestanden“, obwohl es zu keinen Belastungsspitzen kam.

Ein wegweisende Prüfgrundsatz kommt jetzt von der Tüv Nord Group. Diese setzen neben dem realen Batteriebrandversuch als Must-Have folgerichtig auch auf eine bewusst herbeigeführte Gasexplosion. Dafür wird ein Propan-Luft-Gemisch in den Akkuschrank eingeleitet und entzündet, was ein vergleichbares Explosionsdruckverhalten wie die Elektrolytdämpfe einer Lithium-Batterie bewirkt. Ein weiterer Pluspunkt: Der Prüfgrundsatz ist auch reproduzierbar, hängt in der Intensität also nicht vom Zufall ab.


Neues GS-Zeichen für Batterie­schränke ist umstritten

Mittlerweile gibt es durch andere Stellen auch die Möglichkeit eines GS-Zeichens für Batterieschränke. Bislang gibt es wohl noch keine Produkte am Markt, die auf diese Weise zertifiziert wurden. Das Problem dieses GS-Zeichens besteht darin, dass es hinsichtlich der Brandschutzfunktion nur einen Brandkammertest durchläuft. Es findet kein Batteriebrandversuch statt. Demnach kann kaum eine Eignung für explosionsartiges Abbrennen der Batterien oder den Explosionsschutz ausgesprochen werden. Eine Lithium-Batterie brennt nicht mit genormter Flamme oder der Einheitstemperaturkurve bei Brandkammertests. Eine bescheinigte Zeitdauer anhand der reinen Feuerwiderstandsfähigkeit (etwa 90 Minuten mittels GS-Zeichen) ist in der Realität folglich von vielen weiteren Faktoren abhängig. Der Nachweis zum Brand von außen oder ergänzenden Anforderungen des Prüfprogramms spielen für den Schutz vor dem realen Batteriebrand mit dem breiten Gefahrenspektrum eine nachrangige Rolle.

Zwar ist eine Norm oder Prüfprogramm immer ein Modell der Realität und kann nicht alle Eventualitäten berücksichtigen, dennoch darf es nachgewiesene Gefahren aus der Wissenschaft und erfahrener Prüfinstitute nicht ausklammern. Schränke müssen auch mit realen Batterien getestet werden. Bei UN-geprüften Transportverpackungen für sicherheitskritische Lithium-Batterien, wie es von den internationalen Behörden gefordert wird, ist es seit vielen Jahren längst gängige Prüfpraxis. Entsprechend wäre wünschenswert, dass die offensichtlichen Prüflücken erkannt werden und die verantwortlichen Stellen nachbessern, damit das GS-Zeichen seiner Verantwortung gerecht werden kann. Bis dahin steht das Tüv Nord Zertifikat für das bislang ganzheitlichste und sicherste Prüfprogramm.

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