Sicherheit für die vernetzte Welt
Am 15. und 16. Mai fand in Berlin die Bosch Connected World (BCW) 2019 statt. Die knapp 5000 Teilnehmer hörten Keynotes zu allen Themen der Vernetzung in Gebäuden, privaten wie ge...
Am 15. und 16. Mai fand in Berlin die „Bosch Connected World (BCW) 2019“ statt. Die knapp 5000 Teilnehmer hörten Keynotes zu allen Themen der Vernetzung – in Gebäuden, privaten wie gewerblichen Infrastrukturen und in Verkehrsumgebungen. Energieeffizenz, intelligenter Gebäudebetrieb und Sicherheit haben dabei einen besonderen Stellenwert. GIT SICHERHEIT im Gespräch mit Dr. Tanja Rückert, CEO von Bosch Building Technologies.
GIT SICHERHEIT: Frau Dr. Rückert, kürzlich war von Bosch zu vernehmen, dass Industrie 4.0 nicht nur in den Fabriken angekommen sei – sondern dass sie sich auch auszahle. So habe man in den vergangenen vier Jahren über 1,5 Milliarden Euro mit Industrie 4.0-Anwendungen umgesetzt – und schon 2022 wolle man jährlich mehr als eine Milliarde Euro Umsatz mit Industrie 4.0 erzielen. Welche Rolle spielt dabei – natürlich auch in Verbindung mit dem Internet of Things – der Geschäftsbereich Building Technologies?
Dr. Tanja Rückert: Industrie 4.0 betrifft in erster Linie den Fertigungsbereich, sprich unseren Bereich Bosch Rexroth, und die Kommunikation von Maschinen untereinander. Aber es gilt auch, den Kreislauf eines Gebäudes z.B. der Fertigungs- oder Lagerhalle zu berücksichtigen. Speziell in der Industrie ist natürlich der Fertigungskreislauf der führende – jedoch sind auch spezielle gebäudetechnische Aspekte zu berücksichtigen. Beispiel: Es lässt sich in einer bestimmten Umgebung vielleicht effektiver & effizienter produzieren, wenn Luftdruck oder Temperatur auf einer bestimmten Größe gehalten werden. Die kontinuierliche Anpassung der Parameter im Gebäude kann einen positiven Einfluss auf die Fertigung haben. Zusätzlich hilft ein „intelligentes“ Gebäude, Energie einzusparen und damit die Umwelt zu schonen. Beide Kreisläufe ergänzen sich – und im besten Fall sorgt das Gebäude für ideale Rahmenbedingungen, so dass Industrie 4.0 durch vernetzte Gebäudetechnik noch effizienter wird.
Was hat es dabei mit Ihrem noch recht jungen Angebot „Building-as-a-Service“ auf sich?
Dr. Tanja Rückert: Gemeinsam mit Microsoft entwickeln wir gerade digital twins – also digitale Zwillinge – von Gebäuden. Alle Daten eines bestehenden Gebäudes werden dabei in ein digitales Modell übertragen. So können wir Betreiber und Bewirtschafter noch besser beraten, wie sie ihre bestehenden Gebäude wirtschaftlich und effizient betreiben. Im digitalen Modell kann man zum Beispiel sehen, dass ein gewisser Bereich eines Gebäudes schon ab vier Uhr morgens klimatisiert wird, obwohl dieser Bereich erst ab neun Uhr frequentiert wird.
Und wie steht es um digitale Zwillinge speziell in Sachen Sicherheit?
Dr. Tanja Rückert: Nehmen wir als Beispiel ein neues Gebäude: mit einem digitalen Zwilling können natürlich nicht nur Rauchmelder, sondern auch Videosicherheitssysteme sowie andere Sicherheitsprodukte, wie Zutrittskontrolle und so weiter, noch besser geplant und projektiert werden. Bosch ist sehr aktiv unterwegs in Sachen digitaler Zwilling von Gebäuden – auch für Sicherheitsprojekte.
Kürzlich wurde Ihr Produkt Aviotec von einer neutralen Jury in die Shortlist der Finalisten beim GIT SICHERHEIT AWARD nominiert. Was ist das Besondere an dieser Entwicklung?
Dr. Tanja Rückert: Aviotec ist eine der beeindrucktesten Neuentwicklungen überhaupt! Hier haben sich die Experten für Video und Brandschutz zusammengetan und gemeinsam überlegt, was die allerbeste Lösung für den Kunden ist. Es wurde hier eine Innovation für eine Problemstellung geschaffen, die man mit herkömmlichen am Markt erhältlichen Produkten einfach nicht gelöst bekam. Die Herausforderung lag in besonders hohen Räumlichkeiten, vor allem in Verbindung mit leicht entflammbaren Materialien. Die Lösung liegt in einer besonderen Kombination aus Rauchmeldung und Videotechnik. Bei Aviotec detektieren in die Kamera integrierte intelligente Algorithmen Rauch und Flammen. Durch die Erkennung von Feuer in der Entstehungsphase können die Kameras einen Alarm innerhalb von Sekunden auslösen. Bei herkömmlichen Lösungen muss Rauch erst zum Detektor gelangen. Aviotec ist ein Produkt, das es so zum jetzigen Zeitpunkt nirgendwo anders gibt im Markt. Und: Wir arbeiten gerade sogar daran, dass mögliche Brandgefahren mit videobasierter Branderkennung nicht nur im Gebäude detektiert werden – sondern auch außerhalb.
Das klingt anspruchsvoll. Welche Referenzen, Anwendungen gibt es schon jetzt für das Produkt?
Dr. Tanja Rückert: Wir haben sehr interessante Referenzprojekte. Zum einen tut Aviotec zuverlässig seinen Dienst in einer Kupferfabrik. Die andere Referenz, die ich als Beispiel nennen möchte, ist der Druck- und Mediendienstleister Mohn Media aus der Bertelsmann-Gruppe (Anm. d. Red: GIT SICHERHEIT berichtete in Heft 6/19, Seite 80). Wie Sie sich vorstellen können: Von der Umgebung, den Rahmenbedingungen her ein äußerst anspruchsvolles Projekt. Papier ist ein leicht entflammbares Material, zudem haben wir es mit hohen Räumen zu tun. Es würde einfach zu lange dauern, bis ein Sensor hoch oben an einer Decke anschlägt. Andere Beispiele sind Flughafenhangars, hohe Produktionshallen, Sägewerke, Lagerhallen. Ebenso in Tunnels, wo es weite Entfernungen und oft auch große Höhen zu überwachen gilt.
Wohin wird die Künstliche Intelligenz die Sicherheitstechnik Ihrer Meinung nach noch führen?
Dr. Tanja Rückert: Ich denke, dass wir auf jeden Fall auf eine höhere Integration der jetzt schon verfügbaren Produkte zusteuern. Hier kann KI beim Weiterreichen von Informationen in den Systemen sehr hilfreich sein. Zudem kann die Auswertung vergangener Vorfälle noch viel mehr zur Vorhersage gefährlicher Situationen beitragen. Ein ganz simples Beispiel aus dem Umfeld Flughafen ist die Ansammlung größerer Menschenmengen oder Warteschlangen an Engpunkten. Ein tatsächlich bedeutendes Risiko sind hier zum Beispiel auch Unfälle auf Rolltreppen. Eine intelligente Überwachung und Steuerung wurde von Seiten eines Betreibers beispielsweise explizit gewünscht.
Das Zusammenwirken von Gebäude, Infrastruktur und Mobilität sei ganz entscheidend in der Zukunft – dies war ein Teil Ihrer Keynote bei der diesjährigen „Bosch Connected World“ in Berlin. Ganz konkret heißt das?
Dr. Tanja Rückert: Zunächst einmal, das Thema Sicherheit, sowohl Safety wie auch Security, sind natürlich nicht nur im privaten und kommerziellen Gebäude relevant, sondern eben auch in der Infrastruktur, sprich in jedem öffentlichen Raum, in dem wir uns bewegen. Das gilt auch für jede Art der Fortbewegung, mit welchem Vehikel auch immer – egal ob mit der Metro oder dem Auto. Ein Vorteil für Bosch ist, dass wir als eines von wenigen Unternehmen alle dieser drei Domänen unter einem Dach haben – Lösungen für Gebäude, Infrastruktur und Mobilität. Daher entwickeln wir weiter an ganzheitlichen und skalierbaren Lösungen, die sich gegenseitig ergänzen.
Noch etwas fand große Beachtung bei den knapp 5 000 Teilnehmern der BCW 2019 – nämlich das Vorhaben, Bosch schon im Jahr 2020 zu einem klimaneutralen, CO2-neutralen Unternehmen zu machen. Ihre persönliche Haltung zu diesem Ziel?
Dr. Tanja Rückert: Ich finde das großartig. Das hängt unter anderem auch damit zusammen, dass mein Mann und ich zwei Kinder im Alter von zehn und zwölf Jahren haben, denen und deren Kindeskindern wir einen lebenswerten Planeten überlassen wollen. Daher ist das Vorhaben klasse – und die Courage, mit der unser Vorstand Dr. Volkmar Denner und Bosch hier vorangehen, ist auch für mich sehr beeindruckend. Speziell für uns im Bereich Gebäudetechnik hat das natürlich entsprechende Auswirkungen – schließlich bieten wir unsere Kunden Energieeffizienzlösungen als Teil unseres Angebotsportfolio. Dies setzen wir auch Bosch-intern um, beispielweise in unseren Werken. Wir können hier also einen großen Beitrag leisten, was uns sehr freut und worauf wir stolz sind.
Das Jahr 2020 allerdings ist nicht mehr allzu fern, das Vorhaben daher bestimmt nicht einfach…
Dr. Tanja Rückert: Das stimmt. Vor einer Gruppe von Studenten hatte ich im Frühjahr diesbezüglich einen schönen Aha-Effekt. Da wurde mir direkt entgegnet, dass dies ja schon nächstes Jahr sei und bei solchen Themen ja oft eher in Zehnjahreszyklen gesprochen würde. Nicht so bei Bosch. Das finde ich umso beeindruckender und bin dementsprechend begeistert.
Den Nachbericht von GIT SICHERHEIT zur „Bosch Connected World (BCW) 2019“ finden Sie hier.