Siemens Building Technologies konzentriert sich auf das Lösungsgeschäft
Bereits im Juni 2015 hat die Siemens-Division Building Technologies den Verkauf ihrer Sicherheits-Produktsparte Security Products an das renommierte amerikanische Sicherheitsuntern...
Bereits im Juni 2015 hat die Siemens-Division Building Technologies den Verkauf ihrer Sicherheits-Produktsparte „Security Products“ an das renommierte amerikanische Sicherheitsunternehmen Vanderbilt abgeschlossen. In der September-Ausgabe der GIT SICHERHEIT haben wir daraufhin das Unternehmen Vanderbilt vorgestellt, das die ehemalige Produktsparte von Siemens übernommen hat. Siemens Building Technologies konzentriert sich jetzt noch stärker als bisher darauf, für seine Kunden umfassende, integrierte Sicherheitslösungen zu erarbeiten. In der Zentrale in Zug hatte Heiko Baumgartner Gelegenheit, mit René Jungbluth, Leiter des weltweiten Lösungs- und Serviceportfolios und Strategie, über die neue Ausrichtung zu sprechen.
GIT SICHERHEIT: Herr Jungbluth, können Sie unseren Lesern nochmals erläutern, welche Motivation bei Siemens hinter dem Verkauf der Produktsparte „Security Products“, die Hardware für Einbruchsicherung, Zutrittskontrolle und Videoüberwachung angeboten hat, steckte?
René Jungbluth: Bereits vor geraumer Zeit sind wir zu dem Schluss gekommen, dass unsere ehemalige Produktsparte „Security Products“ für Siemens kein strategisch wichtiger Teil mehr ist und wir uns aus strategischen Gründen besser auf die Entwicklung von umfassenden, integrierten Sicherheitslösungen für unsere Kunden konzentrieren sollten. Deshalb haben wir einen Käufer für diese Sparte gesucht und Anfang des Jahres mit Vanderbilt auch gefunden. Dieser strategische Ansatz hat aber gar nichts damit zu tun, dass Siemens aus dem Security-Geschäft aussteigen möchte. Ganz im Gegenteil, Sicherheitslösungen sind eine wesentliche Säule unseres Angebots. Unser Fokus liegt jetzt klar auf der Entwicklung von Sicherheitslösungen für Unternehmen und deren Gebäude und Infrastrukturen, angefangen von Office-Gebäuden für multinationale Unternehmen bis hin zu kritischen Infrastrukturen wie Flughäfen oder Energieversorger.
Für Lösungen braucht man aber doch auch moderne Sicherheitsprodukte. Wo nehmen Sie die jetzt her, wenn Sie eine Lösung konzipiert haben?
René Jungbluth: Wir bauen unsere traditionellen Stärken im Lösungsgeschäft in der Gebäudetechnik weiter aus, und dafür brauchen wir natürlich Produkte. Der Fokus hat sich aber hin zu softwarebasierten Produkten verschoben. Hier bieten wir auch weiterhin eigene Sicherheitsprodukte an – zum einen aus unserem breiten Siveillance-Portfolio, zum anderen unsere Gebäudemanagementplattform Desigo CC. Bei der Hardware, wie z.B. Einbruchmeldern oder Videokameras, kaufen wir die besten und kostengünstigsten Produkte am Markt für unsere Lösungen zu. So bleibt z.B. unsere ehemalige Produktsparte, die jetzt Vanderbilt gehört, langfristig ein wichtiger Produktlieferant für Building Technologies. Wir fanden es in der Vergangenheit sehr schwer, bei Sicherheitsprodukten in einem so breit gefächerten Markt in allen Bereichen immer auf der Höhe der Technik zu sein, diese an die verschiedenen Regionen anzupassen und in allen Ländern die richtigen Distributions- und Verkaufskanäle zu haben. Deshalb haben wir die Produktion und die Entwicklung von Sicherheitshardware abgegeben. Der Markt für Brandschutz präsentiert sich dagegen eher homogen, auch wenn die Anforderungen aufgrund der unterschiedlichen Gesetzgebungen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind. In diesem Bereich sowie bei der Gebäudeautomatisierung bieten wir auch weiterhin eigenentwickelte Produkte an. Demgegenüber zeigte sich der Markt für Sicherheitsprodukte als zu stark fragmentiert.
Gibt es weitere Gründe für die Konzentration auf Lösungen und bei den Produkten auf Software, Brandschutz und Gebäudeautomatisierung?
René Jungbluth: Die bisher klare Trennung zwischen Brandschutz-, Sicherheits- und Gebäudeautomatisierungssystemen verschwindet zunehmend. Konvergenz war bisher schon ein wichtiges Thema und wird weiter vorangetrieben. Physische Sicherheitsmaßnahmen in Gebäuden werden immer IT-lastiger, dabei sind IT- und IP-basierte Lösungen die Treiber für die Konvergenz. Insbesondere bei mittleren und großen Installationen müssen vermehrt bestehende IT-Infrastrukturen einbezogen und genutzt werden, so dass Unternehmens- und Sicherheitssysteme parallel betrieben werden. Unsere Konzentration auf integrierte Softwarelösungen trägt diesem Trend Rechnung. Bei den Hardwareprodukten mussten wir klar abwägen, wo in Zukunft ein gutes Geschäft zu erwarten ist, und hier sehen wir alle im Vorteil, die Massenprodukte für ein großes Publikum anbieten. Das war aber nicht der Kern unserer Produktion, und hier haben wir nicht unsere Stärken und Zukunft gesehen. Unsere Lösungen sind mehr im High-End-Bereich angesiedelt und verlangen in allen Bereichen maßgeschneiderte, hochmoderne und intelligente Produkte.
Wie sieht ihr zukünftiges Angebot aus?
René Jungbluth: Unsere Kunden fragen nach umfassenden, integrierten Notfall- und Gebäudeautomatisierungslösungen und nach Dienstleistungen, die Sicherheit und Mehrwert generieren. Unter der Bezeichnung Total Building Solutions bieten wir solche integrierten Lösungen an, die zahlreiche Gewerke abdecken: elektrische Installationen, Heizung, Lüftung und Klima, Beleuchtung, Zugangskontrolle, Videoüberwachung, Alarmsysteme, Brandschutz und Evakuierung. Unsere Aufgabe ist es, komplexe Lösungen für den Kunden zu finden, die dann irgendwann auch Produkte beinhalten. Wir haben erkannt, dass der Mehrwert, den wir den Kunden bieten können, nicht in erster Linie bei einzelnen Produkten liegt, sondern in der Lösungs- und Integrationskompetenz.
Wie gehen Sie an ein Projekt heran?
René Jungbluth: Einfach umschrieben, starten wir mit der Betrachtung des Gebäudes und analysieren die Situation des Betreibers. Wie sieht die Hülle aus, welche Funktion hat das Gebäude, wie ist es untergliedert und wie ist die Situation auf jedem einzelnen Stockwerk? Oft ist eine Produktion oder ein sicherheitskritischer Bereich wie z.B. ein Rechenzentrum oder eine sensible Produktionsstätte zu berücksichtigen. Es ist natürlich ein Unterschied, ob es sich um ein einzelnes Bürogebäude handelt, um eine Campus-Struktur, ob Corporate-Security-Anforderungen hinzukommen oder ob es sogar um eine kritische Infrastruktur inklusive Perimeterschutz geht. Gemeinsam ist allen Projekten, dass alles in einem System zusammengefasst wird. Bei einfacheren Gebäuden und einer Campus-Struktur kann unser Desigo-System zum Einsatz kommen, bei Aufgaben der Corporate Security mit verschiedenen Standorten ist Siport besser geeignet, und für kritische Infrastrukturen wie z.B. Kraftwerke, Häfen oder Flughäfen können wir unser Siveillance-Portfolio einsetzen. Die Abstufung von Kundenlösungen auf den tatsächlichen Bedarf und der internationale Ansatz, alles aus einer Hand bieten zu können, ist übrigens ein Konzept, das Siemens Building Technologies in allen Bereichen verfolgt, nicht nur im Bereich Security. Wenn die Analyse abgeschlossen ist und wir wissen, welches System am besten geeignet ist, gehen wir an die Auswahl der Komponenten der Videotechnik, Zutrittskontrolle, Einbruchmeldung und Brandmeldetechnik. Wir suchen die am besten geeigneten Produkte – ob eigene oder Drittprodukte – aus und lassen sowohl bei der Auswahl als auch bei der Integration und der Installation der Software unser Consulting-Know-how einfließen.
Welche Vorteile bietet die Arbeit mit Siemens Building Technologies?
René Jungbluth: Es ist ein großer Vorteil für die meisten Kunden, dass wir wirklich global aufgestellt sind. Das kommt besonders dann zum Tragen, wenn es um Corporate-Security-Aufgaben mit mehreren verteilten Standorten geht, die mit einem System und einem einheitlichen Konzept arbeiten sollen. Als global aufgestelltes Unternehmen bieten wir echte globale Lösungen an. Zusätzlich sind wir durch unseren Hintergrund in der Lage, mit unseren Kunden sowohl über Physical Security als auch IT-Security zu sprechen. Das kann nur ein breit aufgestellter Anbieter, der sich vom Produktdenken gelöst hat und der wie wir einschlägige Erfahrungen im eigenen Unternehmen gesammelt hat. Wir haben bei Siemens dieselben Herausforderungen mit unseren unterschiedlichen, weltweit verteilten Divisionen, unterschiedlichen F&E-Abteilungen, Produktionen und Sicherheitsherausforderungen, und wir haben sie gelöst. Was uns zusätzlich von anderen Anbietern unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir ein Integrator sind, der selber Plattformen anbietet und auch stark in der Beratung ist. Wir beraten, welches System am besten geeignet ist, integrieren die Systeme und vernetzten alles so, dass die Systeme auch optimal bedient werden können.
Sie haben bei Siemens Building Technologies weltweit über 400 Niederlassungen. Trotzdem stelle ich es mir schwierig vor, in jedem Land für jeden Kunden in allen Bereichen der Sicherheit gleich kompetent aufzutreten. Wie organisieren Sie das?
René Jungbluth: Das ist natürlich eine schwere Aufgabe. Organisatorisch haben wir das so gelöst, dass wir in den Regionen Deutschland, Europa, Amerika, Naher Osten und Asien Centers of Competence zu den verschiedenen Themen eingerichtet haben, die Siemens Building Technologies abdeckt. Unsere Strategie ist allen klar, diese Zentren sind eng verzahnt, und die Centers of Competence arbeiten bei konkreten Kundenanfragen mit den Niederlassungen vor Ort zusammen, um eine spezifische Lösung für den Kunden zu entwickeln, die lokales Know-how und Expertise in Spezialgebieten einschließt.
Je mehr man sich auf Lösungen konzentriert, desto mehr ist man auf Partner angewiesen. Welche Philosophie verfolgen Sie hier?
René Jungbluth: Sie haben Recht, alleine bekommt man das nicht hin. Wir sind auf solche Partnerschaften angewiesen. Beim Videomanagement arbeiten wir beispielsweise eng mit den VMS-Partnern zusammen und haben schon spezielle Lösungen entwickelt.
Es ist am Markt bekannt, dass Siemens Stärken in der Arbeit mit großen, international agierenden Unternehmen hat. Inwieweit verfolgen Sie den jüngeren Ansatz weiter, mit neuen Lösungen auch kleinere und mittlere Unternehmen als Kunden zu gewinnen?
René Jungbluth: Wir sind sicher besser bekannt für unsere Siveillance-Lösungen, die in der Regel bei Fortune-500-Unternehmen eingesetzt werden. Es ist uns in den letzten Jahren aber auch gelungen, Desigo erfolgreich im mittleren Marktsegment zu platzieren. Die Gebäudemanagementplattform Desigo CC kann verschiedenste Systeme vereinen und die wichtigsten Gewerke in einem Gebäude zentral managen, wie z.B. mit Sipass für die Zutrittskontrolle, einem Videomanagementsystem wie Desigo Video und einem Brandmeldesystem. Ein solches System kann die Anforderungen vieler Kunden komplett abdecken, und es bildet weiterhin den Kern unseres Geschäfts. Zu einem späteren Zeitpunkt lässt sich ein Desigo-System auch einfach in ein umfassenderes Siveillance-System integrieren, wenn die Sicherheitsanforderungen wachsen oder globaler werden. Wir decken also das komplette Gebäudemanagement für ein Büro oder gar einen Campus mit Desigo CC ab und vernetzen viele einzelne Standorte – wenn vom Kunden gewünscht – auch weltweit mit unserem Siveillance-Portfolio. So unterstützen wir eine global standardisierte und kosteneffiziente Sicherheitskultur innerhalb eines Unternehmens.
Welche Trends sehen Sie neben der wachsenden Integration und Konvergenz auf Kundenseite?
René Jungbluth: Wir sehen, dass viele Unternehmen verstärkt nach dem Nutzen von Systemen über die Sicherheit hinaus fragen. Sie brauchen Hilfe bei der Sicherung ihrer komplexen Geschäftsprozesse und wollen mehr als nur eine Sicherheitsanlage. Ihre Frage lautet: Wie baue ich Sicherheit in meine Prozesse ein? Außerdem sehen wir, dass sich immer mehr Manager ihrer großen Verantwortung beim Thema Sicherheit bewusst werden. Sie registrieren, was es bedeutet, wenn Produktionsausfälle drohen, wenn IT-Systeme kollabieren oder Unfälle passieren und sie schlimmstenfalls persönlich zur Verantwortung gezogen werden. Das Risikobewusstsein auf der CxO-Ebene wächst. Themen wie Evakuierung, Sprachalarmierung und Notfallpläne sind aktueller denn je, und gleichzeitig weiß man mittlerweile das gute Gefühl zu schätzen, das sich einstellt, wenn man sich in einer sicheren Umgebung bewegt und man alles getan hat, um die Risiken zu minimieren. Komfort und Sicherheit für die Mitarbeiter und Geschäftskontinuität unter allen Umständen zahlen sich so jeden Tag aus.