Strategiewechsel bei Mobotix
Mobotix hat gerade eine Reihe strategischer Maßnahmen zur Restrukturierung seiner operativen Einheiten und Organisationsstruktur beschlossen. Anlässlich einer kürzlich veröffentlic...
Mobotix hat gerade eine Reihe strategischer Maßnahmen zur Restrukturierung seiner operativen Einheiten und Organisationsstruktur beschlossen. Anlässlich einer kürzlich veröffentlichten Gewinnwarnung hat das Unternehmen über sein Programm „Fit for the Future“ informiert. GIT SICHERHEIT sprach darüber mit Mobotix-CEO Thomas Lausten.
GIT SICHERHEIT: Herr Lausten, seit Juni sind Sie CEO bei Mobotix, einem der wichtigsten Playern im Segment Videoüberwachung und Sicherheit. Wie haben Sie die ersten Monate im Unternehmen erlebt?
Thomas Lausten: Es war für mich von Anfang an eine ausgesprochen interessante Zeit. Ich habe nicht allein unsere Mitarbeiter in unserer Zentrale in Langmeil kennengelernt – wie Sie wissen, haben wir ja rund 400 Kollegen und Partner, die weltweit für Mobotix arbeiten. Darunter in Nord- und Südamerika, im Mittleren Osten und in Australien. Gerade habe ich eine weltweite Tour beendet, bei der ich unsere Partner besucht habe. Diese Erfahrung hat mir ein vertieftes Verständnis dieses Unternehmens verschafft. Jeder den ich traf, hat mit mir enormen Input und Wissen vermittelt – und was mir am stärksten dabei auffiel, war, wie leidenschaftlich für unser Unternehmen und mit unseren Lösungen gearbeitet wird. Das ist sehr inspirierend und bestärkend.
Bevor Sie zu Mobotix kamen, waren Sie sehr erfolgreich für Milestone Systems tätig. Was hat Sie an der neuen Position gereizt?
Thomas Lausten: Durch die vielen Jahre bei Milestone kam ich natürlich in Kontakt mit der ganzen Videotechnik-Community. Und der Ansatz den man bei Mobotix fuhr, war für mich schon immer einzigartig im Markt. Die Art, wie man Dinge hier anders anging, hat mich fasziniert. Meine Entscheidung entsprang also nicht so sehr dem Wunsch, Milestone zu verlassen, als vielmehr aus der Anziehungskraft, die Mobotix auf mich ausübte.
Könnten Sie auf diesen besonderen Ansatz noch etwas näher eingehen? Und was bedeutet das für Ihre heutige Rolle als CEO?
Thomas Lausten: Mobotix betrachtet den Videomarkt anders als andere. Wir verstehen uns nicht als klassischer Kamerahersteller. Kameras stehen uns in engem Zusammenhang mit der Idee des Internets der Dinge (IoT) – Kameras sind für uns eher Computer mit einem Objektiv. Sie arbeiten intelligent und mit integrierter Speicherkapazität. Für mich bedeutet das, dass wir unsere Geschichte besser verkaufen müssen. Wie Sie wissen, haben wir in letzter Zeit mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen – wir mussten beispielsweise eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Das Unternehmen ist aber in einer finanziell gesunden Verfassung. Wir haben sehr gute Leute und alle Mittel derer es bedarf, diese Lage zu überwinden. Dafür haben wir einen neuen strategischen Plan entwickelt, der uns für die Zukunft fit machen soll.
Wie sieht diese Strategie im Einzelnen aus?
Thomas Lausten: Unsere Strategie besteht aus einer Reihe von Schlüsselelementen: Zunächst einmal sehen wir uns nicht als klassischer Kamerahersteller, sondern verstehen uns dezidiert als Pionier, der Lösungen entwickelt – und zwar in einer spezifisch deutschen Art und Weise. Wie sind Global Player, der lokal entwickelt. Darauf wollen wir uns stärker konzentrieren, denn wir erfahren jeden Tag, dass genau das weltweit sehr geschätzt wird. Die Art, wie hier Dinge entwickelt und angegangen werden, wird als besonders innovativ und hochqualitativ angesehen. Das Unternehmen und seine Mitarbeiter haben diese deutsche Mentalität in exemplarischer Weise verinnerlicht – und genau das möchten wir stärker betonen und herausstellen. Denn es eröffnet viele Chancen in einem sich wandelnden Markt.
Wie genau?
Thomas Lausten: Zum Beispiel verändert das Thema Cyber-Security den Blick des Marktes auf die Videotechnik – und gerade hier ist Mobotix sehr lösungsstark. Dies wird im Markt aber noch nicht klar genug erkannt. Ein Grund dafür liegt darin, dass wir bislang beim Vermitteln unserer Story zu einseitig technisch argumentiert haben. Und im Grund ist unseren Mitarbeitern und Partnern unsere Story sehr stark bewusst: Wir können den Kunden geben, was er wirklich braucht – hinsichtlich der Sicherheit, aber auch darüber hinaus. Damit unsere Kunden das besser verstehen können, werden wir mehr Übersetzungsarbeit leisten und unsere Story klarer vermitteln. Und es gibt eine weitere Schlussfolgerung, die wir aus den Veränderungen des Marktes ableiten: Wir haben uns zur Öffnung entschieden, weil der Markt immer weniger dazu neigt, ausschließlich proprietäre Konzepte zu akzeptieren.
...was einen klaren Bruch mit einer seit langem verfolgten Strategie bei Mobotix darstellt...?
Thomas Lausten: Ja, und es ist Bestandteil unser neuen Strategie „Fit for the Future“. Wir stehen in engem Kontakt mit vielen Technologiepartnern und wichtigen Playern. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt, indem wir uns für die Integration mit Schlüsselherstellern öffnen – das wird von sämtlichen unserer weltweiten Partner begrüßt. Dieser Strategiewechsel ermöglicht uns ein Wachstum, das uns bisher nicht in diesem Maße offenstand. Daneben haben wir einen klassischen Restrukturierungsplan aufgestellt, der dieses Ziel mit unterstützen soll.
Was gehört zu diesem Restrukturierungsplan?
Thomas Lausten: Wir werden eine Reihe von Funktionen in unserer Organisation neu ordnen und unsere Kundenorientierung verbessern. Außerdem werden wir uns bei der technischen Entwicklung stärker auf das konzentrieren, worin wir gut sind. Dazu gehört u.a. die Konzentration auf bestimmte vertikale Märkte. Das werden wir allerdings genau analysieren, denn wir beabsichtigen keinen Schuss aus der Hüfte. Jede unserer Entscheidungen beruht auf genauen Untersuchungen und Befragungen bei unseren Partnern, Kunden und Endnutzern. Wir machen auch interne Studien und arbeiten zusätzlich mit einem externen Beratungsunternehmen zusammen. Eine der wichtigsten Ergebnisse dessen ist eine Stärkung, ein besseres Empowerment unserer Mitarbeiter.
Wie wird das aussehen?
Thomas Lausten: Vor allem bedeutet das eine Veränderung des Management-Ansatzes. Je mehr wir in globalem Maßstab wachsen wollen, desto wichtiger wird es sein, unseren Mitarbeitern zu vertrauen und ihnen zuzuhören. Viele ausgesprochen clevere und gut ausgebildete Leute arbeiten für uns – und wir sind gut beraten, uns anzuhören, was sie zu sagen haben. Ich kenne keine einzige IT-Firma, die nur auf ein paar wenige clevere Leute hört – und so besteht eine weitere Empowerment-Strategie darin, uns stärker an der Arbeitsweise eines IT-Start-up-Unternehmens zu orientieren. Diesen Geist wollen wir unter unseren Mitarbeitern verbreiten – und wir haben diesen gemeinsamen Spirit jüngst schon bei unserem globalen Mobotix-Produkt-Workshop erleben können: Manche glaubten vorher, dass unsere Entwickler in den verschiedenen Teilen der Welt widersprüchliche Ansichten haben müssten bezüglich der Entwicklung von Produkten und der Anforderungen, die an sie gestellt werden. Dies ist aber gar nicht der Fall, wie wir festgestellt haben.
Lassen Sie uns noch einmal auf den Videomarkt zurückschwenken. Sie haben ihn anlässlich einer früheren Gewinnwarnung als „aggressiv“ bezeichnet. Was hatten Sie hier im Auge – und was bedeutet das für Mobotix?
Thomas Lausten: Der Videomarkt zeigt in letzter Zeit tatsächlich einige aggressive und zerstörerische Tendenzen. Ich glaube, wir sollten uns auf die positiven und durchaus auch faszinierenden Aspekte dessen konzentrieren. Viele Trends eröffnen neue Möglichkeiten. Cyber Security gehört dazu – und dieses Thema hat einen erheblichen Einfluss auf Sicherheitskameras: Wohin gehen die Bilder? Wer hat Zugriff auf sie? Viele öffentliche Einrichtungen haben bereits entschieden, bestimmte Kameramarken nicht mehr zu kaufen. Und die Mobotix-Kameras sind sehr gut vorbereitet auf diese Entwicklung. Immer mehr Institutionen ersetzen ihre Produkte – und viele von ihnen vertrauen gerade auf Produkte die nach deutschen Normen hergestellt wurden. Das macht uns sehr zuversichtlich – und es ist eine Bestätigung unserer langfristigen Strategie.
Immerhin gibt es auch bei uns hin und wieder Skandale – wie etwa den Dieselskandal...?
Thomas Lausten: Sicher. Aber Einzelvorfälle wie dieser können das Renommee Deutschlands nicht wirklich treffen. So etwas berührt nicht die Qualitätsbewusstseins-DNA, die tief in einer Volkswirtschaft verankert ist. Es gibt durchgehend Qualitäts-Checks entlang der gesamten Produktionskette – das ist einfach normal in Deutschland. Cyber Security beruht gerade auf Qualität – und es ist ein zentraler Treiber der Kundenentscheidungen weltweit. Deshalb wird das eine wichtige Rolle spielen, beim Vermitteln der Mobotix-Story. Die steigenden Ansprüche an die Cyber-Security werden wir aktiv auf unsere Agenda setzen.
Sie sehen aber offenbar keinen Zielkonflikt mit der Entscheidung für mehr Öffnung und Integration?
Thomas Lausten: Unsere Entwicklung konzentriert sich auf Cyber Security – und zwar nach deutschen Standards. Produkte, die dieser Philosophie folgen, haben sie sozusagen schon integriert. Denn bei Cyber Security geht es auch um die Auswahl der richtigen und verlässlichen Partner, mit denen man die Kundenbedürfnisse erfüllt. Und Öffnung unserer proprietären Technologie bedeutet ja nicht, dass es da keine Grenzen gäbe. Unsere proprietäre Software und Chips bleiben wichtig – sie sind fundamental wichtig für sichere und verlässliche Systeme. Und sie sind letztlich auch das große Erbe von Ralf Hinkel und seinen Ideen.
Lassen Sie uns schließen mit einem kurzen Blick auf Konica Minolta, dem Mehrheits-Shareholder von Mobotix. Damit verbindet sich die strategische Idee der besseren technischen Zusammenarbeit und der Optimierung des Produktportfolios. Wie funktioniert das in der Praxis?
Thomas Lausten: Konica Minolta hält 65 Prozent der Mobotix-Anteile. Das eröffnet uns fantastische Möglichkeiten, eine langfristige Perspektive – und es sind neue Entwicklungen möglich in dieser Konstellation. Wir arbeiten nach wie vor unabhängig – und wir haben schon angefangen, viele Ideen umzusetzen.