Unternehmenssicherheit: Wie die Sicherheit sich sichert
Die Bosch Sicherheitssysteme GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Bosch-Gruppe - und gehört selbst zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich der elektronischen Sicherheitste...
Die Bosch Sicherheitssysteme GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Bosch-Gruppe - und gehört selbst zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich der elektronischen Sicherheitstechnik. Mit Videotechnik, Brandmelde-, Einbruchmeldesystemen, Zutrittskontrolle, Evakuierungssystemen sowie professionellen Audiosystemen erwirtschafteten mehr als 12 100 Mitarbeiter im Geschäftsjahr 2012 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Man ist weltweit mit eigenen Standorten oder Vertriebspartnern vertreten. Herbert Ehses ist Head of Facility Management, Protection and Security, Safety bei Bosch. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky unterhielt sich mit ihm über seine Erfahrungen mit Unternehmenssicherheit in einem weltweit tätigen Unternehmen - und natürlich über die Frage, wie wohl ein Sicherheitsunternehmen sich selbst sichert.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Ehses, Sie und Ihre Mitarbeiter sorgen für Unternehmensschutz und Sicherheit. Bitte beschreiben Sie unseren Lesern doch einmal in Kürze alle Ihre Tätigkeitsfelder und Zuständigkeiten.
Herbert Ehses: Der Verantwortungsbereich der Unternehmenssicherheit für den Geschäftsbereich beinhaltet die Sicherungsmaßnahmen für die weltweiten Betriebsstätten, den Eigentums- und Informationsschutz, betriebliche Ermittlungen, Travel-Security, die Koordination Arbeits- und Umweltschutz sowie das Business Continuity Management (BCM) und die Funktion des Sicherheitsbevollmächtigten.
Sicherheitskonzepte sind das Ergebnis von aktuellen Gefahren- und Bedrohungsanalysen. Wo liegen nach Ihrer Einschätzung die größten Gefahren für Ihren Geschäftsbereich und wie schätzen Sie persönlich die aktuelle Bedrohungssituation für die deutschen und europäischen Standorte ein?
Herbert Ehses: Neben der Gefährdung durch die „normale" Kriminalität (wie Einbruch, Diebstahl etc.) sind der Schutz des betrieblichen Know-hows und die Sicherung der Daten sowie der Infrastrukturen die wesentlichen Schwerpunkte. Die Internationalisierung fordert im Rahmen der Fürsorgepflicht verstärkt Maßnahmen zum Schutz von Expats und Mitarbeitern auf Geschäftsreisen (Travel-Security). Zur Sicherstellung der Produktions- und Lieferfähigkeit gewinnt ein funktionierendes Business Continuity Management immer mehr an Bedeutung. Des Weiteren nutzen wir die Einschätzung der Behörden zu den aktuellen Bedrohungssituationen (Reisewarnungen etc.).
Lassen Sie uns einmal Unternehmensschutz und Konzernsicherheit näher fokussieren. Welchen Stellenwert haben diese Aufgaben in Ihrem Haus und welche Sicherheitsphilosophie vertreten sie?
Herbert Ehses: Die Sicherheit des Unternehmens und der Menschen in unseren Betriebsstätten hat in der Bosch Gruppe und so auch in unserem Hause eine herausragende Bedeutung. Die Unternehmenssicherheit schafft Rahmenbedingungen zur Sicherstellung eines störungsfreien Betriebsablaufes. So berichtet der Leiter der Unternehmenssicherheit direkt an den kaufmännischen Bereichsvorstand und verfügt über die erforderlichen Mittel und Möglichkeiten, um seine Aufgaben wahrzunehmen.
Wie und mit Hilfe welcher Informationsquellen beurteilen Sie die jeweils aktuelle objektspezifische Lage und Gefährdung einzelner Standorte - und was sind derzeit besondere Sicherungsschwerpunkte?
Herbert Ehses: Wir nutzen neben den internen Informationen von unseren lokal oder regional ansässigen Protection and Security Partner und unseren Standortverantwortlichen natürlich auch eigene Feststellungen im Rahmen regelmäßiger Standortbesuche. Weitere wichtige Quellen sind selbstverständlich alle uns zur Verfügung stehenden öffentlichen Informationen aus den Medien, Fachzeitschriften und den Verbänden für Sicherheit in der Wirtschaft sowie von Behörden. Erhebliche Bedeutung kommt hier auch dem persönlichen Netzwerk zu, das in der heutigen Zeit international ausgerichtet sein muss. Die besonderen Sicherungsschwerpunkte ergeben sich aus aktuellen Risikoanalysen und eignen sich nicht für eine öffentliche Darstellung.
Obwohl die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus ein beherrschendes Sicherheitsthema bleibt - die „klassischen" Kriminalitätsfelder dürfen nicht vernachlässigt werden. Wie hoch schätzen Sie die Schäden für Ihr Unternehmen, die durch kriminelles Handeln entstehen?
Herbert Ehses: Durch unsere weltweite Aufstellung und Position als Technologieführer unterliegen wir einer hohen Gefährdung für alle Arten krimineller Handlungen. Bisher ist es uns gelungen, durch eine Vielzahl wirksamer Maßnahmen die Schäden bezogen auf den Umsatz gering zu halten.
Welche Konzepte, Strategien, personelle Maßnahmen und Sicherheitstechnik setzen Sie gegen Diebstähle, Betrug und Sabotage ein?
Herbert Ehses: Ausschlaggebend für ein gutes Sicherheitskonzept ist die Ausgewogenheit zwischen den technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen. Fehlt diese, dann ist die Wirksamkeit der Sicherungsmaßnahmen nicht gewährleistet. Wir verfolgen hier einen einen ganzheitlichen Ansatz, der auch die Mitarbeiter durch geeignete Awareness-Maßnahmen sensibilisiert und mit einbindet.
Der Schutz und die Sicherung von Anlagen, Immobilien, Produktionsstätten und Betriebsgelände gegen Störungen aller Art ist eine besondere Herausforderung. Welche Videoüberwachungssysteme, Gefahrenmeldeanlagen und Zutrittskontrollsysteme haben sich bei diesen Aufgaben besonders bewährt?
Herbert Ehses: Es steht außer Frage, dass wir hier als Hersteller und Errichter von Sicherheitstechnik unsere eigenen Produkte verwenden und das vielfältige Know-How unseres Hauses nutzen. Bewährt haben sich in der Grundsicherung unserer Betriebsstätten Zutrittskontrollsysteme und der Einsatz von Videotechnik in Verbindung mit intelligenter Sensorik im Außenbereich. Wo erforderlich wird dies durch moderne Einbruchmeldetechnik (Außenhautsicherung) weiter optimiert. Sensitive Bereiche in den Betriebsstätten werden mit Zutrittskontrolle und Raumüberwachungssystemen gesichert. Als Schließanlage nutzen wir zunehmend mechatronische Schließsysteme wie z.B. unser Matrix-System. Die Meldungen durch die Sicherungstechnik werden im Rahmen entsprechender Interventionsmaßnahmen verfolgt. Für kleinere Standorte werden wir in Zukunft verstärkt auf unsere neu auf der Messe Security vorgestellte „Cloud based Security" setzen. Hierbei handelt es sich um Videofernüberwachung mit Datenübertragung in der Cloud. Natürlich werden alle für den Datenschutz relevanten Punkte hier vorher intern mit unseren Betriebsräten abgestimmt.
Bosch verfügt über umfangreiche Entwicklungskapazitäten. Wie und mit welchen organisatorischen, technischen und personellen Mitteln verhindern Sie ungewollten und unkontrollierten Wissensabfluss, IT-Gefährdungen, Korruption, Produktpiraterie und Betriebsspionage?
Herbert Ehses: Der Schwerpunkt liegt hier ganz klar in der Sensibilisierung der Mitarbeiter. Hier werden durch regelmäßig sich wiederholende Belehrungen und den Einsatz von WBT's (Web based Trainings) wichtige Kenntnisse über Gefährdungen und Schutzmaßnahmen vermittelt. Darüber hinaus sind diese Themen klare Querschnittsaufgaben die auch in der Personalpolitik verankert sein müssen (Mitarbeiterbindung, Loyalität). Unterstützt werden die Mitarbeiter durch klare Regelungen bezüglich der Bewertung und des Umgangs mit sensiblen Informationen.
Brände, Naturkatastrophen, Energieausfällen oder Unfälle durch technisches oder menschliches Versagen können den Unternehmenserfolg beeinträchtigen. Wie muss sich der Leser Ihre Risikovorsorge auf diesen Gebieten vorstellen?
Herbert Ehses: Unsere Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und Infrastruktur basieren auf fundierten Risikoanalysen, Präventions- und Notfallmaßnahmen. Zur Aufrechterhaltung der Produktions- und Lieferfähigkeit betreiben wir eine systematische Business Impact Analysis (BIA) woraus wir die entsprechenden Maßnahmen ableiten. Das Dach für die Gesamtheit dieser Maßnahmen bildet das Business Continuity Management (BCM).
Weltweit gehört Bosch zu den führenden Anbietern im Bereich elektronischer Sicherheitstechnik. Können Sie uns Einsatzerfahrungen neuester Sicherheitstechnik an Ihren Standorten nennen?
Herbert Ehses: Wie schon erwähnt, nutzen wir unsere Sicherheitstechnik in allen unseren Standorten. Das reicht von relativ einfachen bis hin zu hochkomplexen Systemen, die mit unserem Building-Integration System (BIS) gemanagt werden. BIS ist ein Gefahrenmanagementsystem, das die Steuerung der kpl. Sicherheitstechnik auf einem System vereint. Die Bedienung erfolgt durch unsere gut ausgebildeten und erfahrenden Sicherheitsmitarbeiter.
Welche Ausbildungen haben Ihre Sicherheitsmitarbeiter und die von Dienstleistern beschäftigten Personen? Wie fördern Sie berufliche Weiterbildung für Mitarbeiter im Sicherheitswesen?
Herbert Ehses: Die Mitarbeiter mit zentralen Funktionen verfügen je nach Funktion über unterschiedliche Qualifikationen vom Werkschutzmeister bis hin zum Hochschulstudium und praktischen Erfahrungen im Bereich des Unternehmensschutzes sowie des Business Continuity Managements (BCM). Durch das integrale Modell, das Unternehmensschutz, Facility Management, Koordination Arbeitssicherheit und BCM in einer Abteilung bündelt, erweitert sich die Kompetenz um Themen wie baulicher Brandschutz, Planung/Betrieb von Gefahrenmeldeanlagen oder betriebliche Gefahrenabwehr. Die Mitarbeiter unserer Dienstleister müssen mindestens über die Werkschutz-Lehrgänge 1 bis 4 verfügen oder eine Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit nachweisen. Im Ausland besteht die Möglichkeit, sich im Rahmen von Seminaren der IFPO (International Foundation for Protection Officers) zu qualifizieren und/oder Angebote der ASIS (American Society for Industrial Security) zu nutzen. So sind einzelne Mitarbeiter des Unternehmensschutzes auch Mitglieder der ASIS. Die Weiterbildung unserer Mitarbeiter wird grundsätzlich gefördert. So ist die Teilnahme an Seminaren, Kongressen, Tagungen und der Besuch von Fachmessen - auch im Sinne der Förderung des Networkings - erwünscht.
Vielen Dank für die freundlichen Antworten und Einblicke in Ihr technisches und organisatorisches Sicherheits-Know-How.