Blitz- und Überspannungsschutz für empfindliche ­Elektronik in der Sicherheitstechnik

Sicherheitstechnik in Gebäuden und Anlagen muss zuverlässig funktionieren, gilt es doch Menschenleben zu schützen und Schäden an Gebäuden und Sachwerten zu verhindern. Im Außenbereich sind beispielsweise Kameras, Perimeterüberwachungs-, Zutrittssteuerungs- und Sprachalarmierungssysteme oder auch Feuerwehrschlüsseldepots der Gefahr direkter oder indirekter Blitzeinschläge ausgesetzt. Im Gebäudeinneren sind es die Sicherheitsbeleuchtung, Gefahrenmeldeanlagen, Videosicherheitstechnik, Zutrittssteuerungsanlagen etc., die gestört oder gar zerstört werden können. Dies kann sogar dazu führen, dass beispielsweise Alarmgläser oder Alarmspinnen zerstört werden und somit auch Gläser ausgetauscht werden müssen. Deshalb bedarf es eines umfassenden Blitz- und Überspannungsschutzkonzepts. Ein Beitrag von Sascha Puppel (öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Sicherheitstechnik und Sicherheitskonzepte) und Martin Auer, Key Account ManEager Industry bei Dehn.

Ein umfassendes Blitz- und Überspannungsschutzkonzept ist unverzichtbar.
Ein umfassendes Blitz- und Überspannungsschutzkonzept ist unverzichtbar.
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Um Sicherheitssysteme zu schützen, müssen Maßnahmen sowohl für den äußeren als auch den inneren Blitzschutz (Potentialausgleich und Überspannungsschutz) ergriffen werden. Fehlende Schutzmaßnahmen können zum Defekt führen und im schlimmsten Fall die Ursache dafür sein, dass Menschen zu Schaden kommen. Oftmals werden die durch den Ausfall von sicherheitstechnischen Anlagen – entstehenden Kosten für personelle Ersatzmaßnahmen (z. B. Brandwachen) für die Zeit bis zur Erneuerung der zerstörten Anlagenteile nicht berücksichtigt. Dies kann je nach Umfang und Lieferzeiten durchaus auch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Schwerwiegende Folgen, die sich mit einem konsequenten Schutzkonzept vermeiden lassen.

Systemtechnik in sicherheitstechnischen Anlagen ist durch den hohen Elektronikanteil sensibel für transiente Überspannungen, die durch Gewittertätigkeit (direkte und indirekte Blitzeinschläge) oder auch gekoppelte Störeinflüsse (z. B. Schalthandlungen, Lastspitzen induktiver Verbraucher, Erd- und Kurzschlüsse, Auslösen von Sicherungen oder auch parallele Verlegung von energie- und informationstechnischen Leitungssystemen) verursacht werden. Da die moderne Sicherheitstechnik zunehmend digitalisiert und mit hochempfindlicher Elektronik ausgerüstet wird, ist sie heute störanfälliger als noch vor einem Jahrzehnt.

Normative Anforderungen

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Martin Auer, Key Account Manager Industry, Dehn SE
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Um Falschalarme, Ausfälle und gegebenenfalls eine Zerstörung der Sicherheitstechnik durch atmosphärische Überspannungen und Auswirkungen von Gewittern zu vermeiden, sollten Vorkehrungen entsprechend der relevanten Normen und Regelwerke, wie z. B. DIN VDE 0833 Teil 1-4, DIN 14675-1, VdS 2311, VdS 2833 getroffen werden. Die richtige Auswahl von Schutzkomponenten regelt die Blitzschutznorm DIN EN 62305 als Grundlage für den Aufbau eines wirksamen Schutzkonzepts. Die DIN VDE 0100-444 beschreibt den Schutz bei Störspannung und elektromagnetischen Störgrößen. Mindestmaßnahmen für Gebäude ohne äußere Blitzschutzsysteme werden durch die DIN VDE 0100-443 definiert. Hier sind Überspannungsschutz-Maßnahmen für die ins Gebäude eingeführten Stromversorgungsleitungen festgelegt.

Für informationstechnische Systeme wie Internet, Telefon und Breitband gibt die DIN VDE 0100-443 Empfehlungen zu Überspannungs-Schutzmaßnahmen. Informationen hinsichtlich Blitzschutzmaßnahmen sind im Beiblatt 6 der der DIN EN 62305-3 zu finden. Zusätzlich sollten Schirm- und Erdungsmaßnahmen für Gefahrenmeldeanlagen entsprechend DIN EN 62305-3 und -4 vorgenommen werden (siehe dazu auch DIN VDE 0845-1). Ferner ist zu prüfen, ob aufgrund der in den Richtlinien VdS 2833, VdS 2031 etc. aufgeführten Indikatoren Überspannungsableiter erforderlich sind, wenn diese VdS-Richtlinien umgesetzt werden müssen.

Ist aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben kein Blitzschutz gefordert, so hilft die Risikoanalyse entsprechend DIN EN 62305-2 dabei, die Fragen nach der Erfordernis und der Schutzklasse eines Blitzschutzsystems zu beantworten.

Wirksames Schutzkonzept

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Sascha Puppel, Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Sicherheitstechnik und Sicherheitskonzepte
© Sascha Puppel

Basis für den wirksamen Schutz von Gebäuden, Anlagen und Systemen vor transienten Überspannungen ist das Zusammenwirken verschiedener Schutz-Teilsysteme, zusammengefasst in einem Blitzschutzsystem. Dabei wird zwischen einem äußeren und inneren Schutzsystem unterschieden. Blitzschutzsysteme sollen eine bauliche Anlage oder Anlagenteile und deren Teilsysteme wirksam gegen Störbeeinflussung schützen, um die Verfügbarkeit der Funktionsgruppen sicherzustellen. Die grundsätzlichen Bestandteile eines Blitzschutzsystems sind:

  • äußere Komponenten wie Fangeinrichtungen zum kontrollierten „Einfangen“ von Blitzentladungen sowie Ableitungseinrichtungen zum sicheren Ableiten des Blitzstromes und Verteilen über die Erdungsanlage.
  • innere Schutzmaßnahmen für den Blitzschutz-Potentialausgleich, um gefährliche Funkenbildung innerhalb einer baulichen Anlage zu verhindern. Diese Maßnahmen werden dabei für energietechnische und informationstechnische Schnittstellen gleichermaßen angewandt.

Die Grundlage für die Planung eines Blitzschutzsystems für eine bauliche Anlage oder eines Freiflächenobjekts bietet das EMV-konforme Blitzschutzzonenkonzept. In Gebäuden mit Blitzschutzanlagen nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) sind die Anforderungen gemäß DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4) zu berücksichtigen. Neben den Ausführungen zum äußeren Blitzschutz (mit Fangeinrichtungen, Ableitungen, Erdungsanlage), dem Potentialausgleich und der Raumschirmung werden für ein wirksames Blitzschutzzonenkonzept auch Überspannungsschutzgeräte (SPDs – Surge Protective Devices) für energie- und informationstechnische Systeme benötigt. SPDs begrenzen die aus nahen oder fernen Blitzeinschlägen resultierenden Störgrößen auf systemverträgliche Werte.

Abhängig von der Art der Bedrohung wird das zu schützende Volumen (Gebäude, bauliche Anlage) in äußere und innere Blitzschutzzonen unterteilt:

  • äußere Zonen: LPZ 0A, LPZ 0B
  • innere Zonen: LPZ 1, LPZ 2

Bei konsequenter Durchführung des Blitzschutzpotentialausgleichs gemäß Blitzschutzzonenkonzept werden neben den eingeführten metallischen Versorgungsleitungen auch alle elektrischen energie- und datentechnischen Kabel und Leitungen beim Einführen in ein Gebäude oder eine bauliche Anlage (LPZ 0A nach LPZ 1) berücksichtigt. Da bei einer sicherheitstechnischen Anlage mit entsprechender Überwachungstechnik Anlagenteile (z. B. Kameras) auch im Außenbereich (z. B. Fassadenteile, Masten, Parkplätze) angeordnet sind oder Leitungen zwischen zwei getrennten Gebäudeteilen geführt werden, ist bei diesen Leitungen auch mit Blitzteilströmen zu rechnen.

Bei der konsequenten Durchführung des ­Blitzschutzpotentialausgleichs gemäß...

Bei der konsequenten Durchführung des ­Blitzschutzpotentialausgleichs gemäß ­Blitzschutzzonenkonzept werden neben metallischen Versorgungsleitungen auch alle elektrischen energie- und
datentechnischen Kabel und Leitungen berücksichtigt.
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Basis für den wirksamen Schutz von Gebäuden, Anlagen und ­Systemen vor...
Basis für den wirksamen Schutz von Gebäuden, Anlagen und ­Systemen vor transienten Überspannungen ist das Zusammenwirken verschiedener Schutz-Teilsysteme, zusammengefasst in einem ­Blitzschutzsystem.
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Wichtig ist neben einem umfassenden Schutzkonzept auch die ­sachgemäße...
Wichtig ist neben einem umfassenden Schutzkonzept auch die ­sachgemäße Installation der Schutzkomponenten.
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Einsatz von Ableitern

Eine einfach zu realisierende Maßnahme zum Blitzschutzpotentialausgleich ist hier der Einsatz geeigneter blitzstromtragfähiger Ableiter. Leitungen für die Energieversorgung werden durch blitzstromtragfähige Schutzgeräte, SPDs vom Typ 1, zum Schutz der Energietechnik und durch Überspannungsschutzgeräte für die Sicherheitstechnik geschützt. Die Ableiter werden im Schaltschrank, oder an anderen geeigneten Orten, installiert, leiten eingehende Blitzteilströme zur Erde ab und schützen dadurch die in nachgelagerten Blitzschutzzonen installierten Anlagenteile und Geräte.

Da für die verschiedenen Blitzschutzzonen auch unterschiedliche Anforderungen an Ableiter gestellt werden, unterscheidet man für ein energietechnisches Versorgungssystem zwischen 3 Schutzstufen:

  • Blitzstrom- und Überspannungsab­leiter Typ 1 am Gebäudeeintritt (Einspeisung, Hauptverteilung)
  • Überspannungsableiter Typ 2 in der Unterverteilung (Etagenverteiler)
  • Überspannungsableiter Typ 3 unmittelbar vor dem Endgerät (Verbraucher).

In der Daten- und Informationstechnik wird gemäß DIN EN 61643-21 zwischen blitzstromtragfähigen Ableitern (Kategorie D1) und Überspannungsableitern (Kategorie C) differenziert. Blitzstromableiter, sofern nach der höchsten Anforderung ausgelegt, können demnach Blitzströme je Leitungsader bis zu 2,5 kA (10/350 µs) beherrschen. Diese Dimensionierung gilt für alle informationstechnischen Leitungen, die aus Blitzschutzzone LPZ 0A in die Anlage eingeführt oder zwischen zwei entfernten Gebäudeteilen geführt werden. Für alle weiteren Zuleitungen, aus Blitzschutzzone LPZ 0B und höher, genügt der Einsatz eines mit Kategorie C klassifizierten Überspannungsableiters mit Belastungsparametern bis 5 kA (8/20 µs). Für besonders empfindliche Endgeräte wird noch ein zusätzlicher Schutz nachgelagert eingesetzt, der Endgeräte mit entsprechend niedriger Spannungsfestigkeit vor Restbeeinflussungen schützt.

Um die Auswahl bei informationstechnischen Ableitern zu erleichtern, kommen größtenteils sogenannte kombinierte Blitzstrom- und Überspannungsableiter (Kombi-Ableiter) zum Einsatz, die universell sowohl für den Einsatz am Blitzschutzzonen-Übergang 0A als auch 0B bis 1 und höher (bis zum Endgerät) konzipiert sind.

Wichtig ist neben einem umfassenden Schutzkonzept auch die sachgemäße Installation der Schutzkomponenten. Oft wird beim Einbau die Schutzwirkungsrichtung der Ableiter nicht beachtet. Auch die Wahl des Einbauortes gilt es zu beachten (Zulassung und Prüfung über den Einbauort im Gebäude der EMZ).

Umgang mit Gefahrenmeldeanlagen nach Überspannungsschäden

BHE, VdS und ZVEI geben durch ihre verbandsübergreifenden Informationen und einen Handlungsleitfaden zum Umgang mit GMA nach Überspannungsschäden. So ist folgendes wichtig:

  • zuverlässige Blitzschadenauskunft mit Plausibilitätsprüfung
  • direkt durch Blitzeinwirkung beschädigte Anlageteile sollten ausgetauscht werden
  • bei entferntem oder nahem Blitzschlag und beschädigten Anlageteilen, Falschalarm oder Störungsmeldung ohne erkennbaren Grund:
    • vollständige Funktionsprüfung mindestens nach Herstellerangaben 
    • nach erfolgreicher Funktionsprüfung GMA für drei Monate im normalen Betrieb
    • keine Meldungen innerhalb dieser Zeit ohne erkennbaren Grund: keine weiteren Maßnahmen
    • bei Meldungen innerhalb dieser Zeit ohne erkennbaren Grund: weiterer (ggf. Teil-)Austausch der Geräte
    • Prüfung und ggf. Ergänzung von Blitz- und Überspannungs­schutzeinrichtungen.

Fazit

Blitz- und Überspannungsschutz wird in der Praxis häufig noch stiefmütterlich behandelt. Er ist jedoch in vielen Fällen unerlässlich. In zahlreichen Normen und Regelwerken wird darauf hingewiesen und es gibt Anforderungen an den Blitz- und Überspannungsschutz. Ein hoher Schutz und höchste Anlagenverfügbarkeit wird erreicht durch:

  • eine korrekte Kabelführung
  • passende Überspannungsschutz­komponenten sowie
  • Erdungs- und Potentialausgleichsmaßnahmen.

Eine detaillierte Planung von Blitz- und Überspannungsschutz für Sicherheitstechnik ist immer zu erstellen. Bei Überspannungsschäden sollten die Handlungsempfehlungen aus dem verbändeübergreifenden Infopapier unbedingt berücksichtigt werden.

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