BVSW-Wintertagung 2024: Innere Sicherheit, KI und Geopolitik
Vom 6. bis 8. März 2024 trafen sich 150 Sicherheitsexperten zur BVSW-Wintertagung am Spitzingsee. Und das ist nötiger denn je, denn: „Durch die Vielzahl paralleler Krisen in der Welt gewinnt die Unternehmenssicherheit an strategischer Bedeutung und wird zunehmend zum Business Enabler“, so Johannes Strümpfel, Vorstandsvorsitzender des BVSW.
Eröffnet wurde das Rahmenprogramm erstmals mit einem offenen, von BVSW-Geschäftsführerin Caroline Eder moderierten, Gespräch zu den Themen „Innere Sicherheit, Anforderungen an die Sicherheitsabteilungen in den Unternehmen und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der bayerischen Polizei“.
In der Diskussion mit dem bayerischen Landespolizeipräsidenten Michael Schwald über Innere Sicherheit und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der bayerischen Polizei wurden wichtige Aspekte beleuchtet. Bayern gilt demnach weiterhin als ein sehr sicheres Bundesland mit niedriger Kriminalitätsrate, auch wenn die Zahlen der Kriminalstatistik für das vergangene Jahr noch nicht vorlagen. Herausforderungen sind und bleiben jedoch die weiter zunehmende Cyberkriminalität, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Polizeiarbeit – aber auch zum Zweck krimineller Handlungen –, der sich weiter verschärfende Fachkräftemangel und die schwierige geopolitische Lage, die auch Rückwirkungen auf die Innere Sicherheit in Bayern hat.
Michael Schwald betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Polizei, um bei den vielen und sich rasch wandelnden Kriminalitätsphänomenen gemeinsam vor die Lage kommen zu können. Kooperationen wie die lokalen BVSW-Sicherheitskreise, das Sicherheitsforum für Polizei und Industrie, die Kooperation zwischen privater Sicherheitswirtschaft und der Polizei oder die Studiengänge in Deggendorf und Ingolstadt hätten sich gut bewährt. Dennoch bestehe Raum für eine noch intensivere Zusammenarbeit.
Weltordnung auf der Kippe
Zum Start des zweiten Kongresstags referierte Prof. Dr. Günther Schmid, der bis Ende 2021 im nachgeordneten Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes im Themenfeld internationale Sicherheitspolitik und globale Fragen tätig war, über die gegenwärtige geopolitische Achsenverschiebung. Im Mittelpunkt des Vortrags standen die Bemühungen der Mächte China und Russland, um eine geopolitische Neuordnung bzw. Ablösung der US-demokratischen Weltordnung. Demnach versuchen beide Mächte Großräume zu schaffen, in denen andere Mächte, allen voran der Westen, keinen Einfluss haben. Insbesondere China setze dabei auf wirtschaftliche Abhängigkeit und die Einflussnahme über die Medien. Dennoch, so Prof. Dr. Schmid, gibt es Grund zur Hoffnung: Denn zum einen ist die Front der autokratischen Regime keineswegs so geschlossen, wie sie nach außen hin erscheint, und zum anderen haben beide Staaten, nebst einer latenten Rivalität, selbst mit enormen internen Problemen zu kämpfen.
Drohnen, KI und Kritische Infrastruktur
Ebenfalls als ein Teil des Konflikts zwischen China und Russland auf der einen und den USA bzw. dem Westen auf der anderen Seite kann der Ukraine Krieg betrachtet werden. Dr. Ulrike Franke, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations in Paris, zeigte u. a. am Beispiel des Kriegsgeschehens in der Ukraine auf, wie Drohnen und Künstliche Intelligenz (KI) die Kriegsführung verändern. Während vor allem kleinere – zumeist aus dem zivilen Sektor stammende – Drohnen zum Zweck der Aufklärung, aber auch mit Bewaffnung in immer höherer Stückzahl von beiden Seiten zum Einsatz gebracht würden, diene KI im Wesentlichen der zeitnahen und schnellen Datenanalyse bzw. Zielführung, was entscheidend für die moderne Kriegsführung sei. Darüber hinaus prognostizierte Frau Dr. Franke eine in Zukunft sich weiter vergrößernde Bedeutung privater Unternehmen in der Kriegsführung, was sie am Beispiel von Starlink verdeutlichte.
Um KI ging es auch beim Vortrag von Frank Ewald, Leiter Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Dt. Post DHL Group. Ihm zufolge können Unternehmen auch hinsichtlich ihrer Sicherheit vom Einsatz von KI profitieren. Umgekehrt schaffen KI-Anwendungen in den Händen von Angreifern aber auch neue Bedrohungen. Zudem prognostizierte Frank Ewald einen Vertrauensbruch in Informationen, wenn diese in immer größerem Maße KI-basiert sind. Auch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sowie in der gesamten Gesellschaft, seien bisher noch nicht absehbar, man müsse aber mit großen Verwerfungen rechnen.
In der Podiumsdiskussion „KRITIS unter Beschuss“, moderiert von Oliver Rolofs, diskutierten Rainer Cohrs, Leiter Konzernsecurity Stadtwerke München, Günther Schotten, Geschäftsführer ASW Bundesverband, Dr. Sandra Kreitner, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Krisenvorsorge, und Sabine Wolf, Reporterin Redaktion Politik und Wirtschaft beim BR und ARD, wie sicher unsere Kritischen Infrastrukturen gegenwärtig sind. Insbesondere das KRITIS Dachgesetz und seine möglichen Auswirkungen wurden dabei besprochen, ebenso die veränderte öffentliche Wahrnehmung auf das Thema KRITIS durch die veränderte geopolitische Bedrohungslage. In diesem Zusammenhang wurde von allen Referenten die Schaffung von noch mehr gesellschaftlichem Bewusstsein (Awareness) hervorgehoben, an dem auch die Medien ihren Anteil haben müssten.
Die nächste Wintertagung wird vom 12. bis 14. März 2025 stattfinden.
Afrikas Bedeutung für die Weltwirtschaft
Zurück auf der geopolitischen Bühne, lag das Augenmerk des Vortrags von Prof. Dr. Robert Kappel, Präsident Emeritus des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) und Leiter des Kompetenzcenters „Small Enterprise Promotion and Training“ (SEPT) der Universität Leipzig, auf der Entwicklung Afrikas und seiner gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung für die Weltwirtschaft. Auf der einen Seite gäbe es große Chancen, nicht zuletzt aufgrund des starken Bevölkerungswachstums sowie des Rohstoffreichtums. Dennoch litten viele afrikanische Staaten nach wie vor an korrupten Eliten, fragilen Staatssystemen und der Abhängigkeit von anderen Staaten. Zugleich geriet Europa hinsichtlich seines Einflusses vor allem gegenüber China immer mehr ins Hintertreffen, obwohl die europäische Staatengemeinschaft der mit Abstand wichtigste Investor auf dem Kontinent bliebe. Fazit: Europa und nicht zuletzt Deutschland müssten umdenken und eine echte Afrika-Politik entwickeln.
Whistleblower-Schutz
Der dritte und letzte Kongresstag startete mit einem Vortrag zum Thema „Whistleblowing“ von Annegret Falter, Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerk e. V. Die Referentin unterstrich die Bedeutung von Whistleblowern anhand einiger gravierender Missstände, die erst durch interne Hinweisgeber aufgedeckt werden konnten, und sprach über die Vorteile und Grenzen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG), das im Juli 2023 in Kraft getreten ist und für den besseren Schutz hinweisgebender Personen sorgen soll.
Vorbereitung auf die Fußball-EM 2024
Anschließend erläuterte Markus Stenger, Geschäftsführer der UEFA Euro 2024 GmbH, den Stand der Vorbereitungen rund um die Fußball-Europameisterschaft der Männer. 51 Spiele werden an 10 Austragungsorten in Deutschland an 22 Spieltagen stattfinden. Für einen zügigen Einlassprozess soll eine rein onlinebasierte Ticketaktivierung in einer App sorgen. Wie bei jeder Großveranstaltung ist auch bei diesem Turnier die Frage der Sicherheitskräfte eine große Herausforderung, doch Stenger zeigte sich zuversichtlich, dass alle lokalen Vorgaben für den Einsatz von Ordnungskräften erfüllt werden.
Mehr Tempo bei der Zeitenwende
Den Abschluss der diesjährigen Tagung bildete das Resümee zur Münchner Sicherheitskonferenz. Dr. Benedikt Franke, Stellvertretender Vorsitzender und CEO der Münchner Sicherheitskonferenz, sprach hierbei von einem „wilden Ritt“ mit über 6000 Veranstaltungsteilen innerhalb von vier Tagen. Er hob hervor, dass Deutschland, Europa und der Westen im Allgemeinen intensiv unter Druck geraten seien. Viele Staaten des „Globalen Südens“ wären nicht mehr bereit, der regelbasierten internationalen Ordnung zu folgen und würden sich vermehrt den konkreten „Gegenangeboten“ von Russland und China zuwenden. Auch die deutsche Wirtschaft hätte sich nach wie vor zu wenig um die Verbesserung ihrer Resilienz und die Reduzierung von Abhängigkeiten gekümmert. Insbesondere Deutschland müsse mehr tun und schneller in der Umsetzung der „Zeitenwende“ werden, wenn man die eigenen Verbündeten nicht noch weiter frustrieren wolle.
Die BVSW-Wintertagung 2025 findet vom 12. bis 14. März erneut am Spitzingsee statt.
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