Die Aufgaben des Fachkoordinators Evakuierung

Um den Knotenpunkt zwischen betrieblichem Brandschutz und Arbeitssicherheit im Sinne einer soliden Evakuierung zu besetzen, wurde die Richtlinie VDI 4062 „Evakuierung von Personen im Gefahrenfall“ ins Leben gerufen – damit zusammenhängend auch die Funktion des sogenannten spezialisierten Evakuierungskoordinators (FKE). Donato Muro gibt einen Überlick über die Aufgaben des Fachkoordinators Evakuierung.

Im Notfall muss alles laufen. Das gilt vor allem in Unternehmen und vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes. Hier ist die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Personen, die für Suche, Rettung, Schutz, Evakuierung, Brandbekämpfung und Erste Hilfe ausgerüstet und geschult sind, schon seit vielen Jahrzehnten obligatorisch. Das Gesetz sieht auch vor, dass der Arbeitgeber Werkzeuge und Ausrüstung gegen die Möglichkeit eines Brandes bereitstellen, Schulungen und Übungen durchführen lassen muss und die im Brandfall geschulten Personen immer in Einrichtungen oder Organisationen anwesend sein müssen. Wichtig ist zu wissen, was bestimmte Begriffe von Notfallsituationen bedeuten, welche Verantwortlichkeiten Notfallteams haben und welche Aufgaben sie regelmäßig ausführen. Ein Beitrag von Donato Muro, öffentlich-rechtlicher Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz. 

Katastrophen gelten als Ereignisse, die durch Unvorsichtigkeit, Fahrlässigkeit, Absicht und verschiedene Ursachen (Feuer, Blitzschlag, Explosion, Chemieunfall, Amoklauf, Naturkatastrophe usw.) ausgelöst werden. 

Notfallteams des Fachkoordinators Evakuierung sind die Teams, die bei Feuer, Erdbeben und ähnlichen Katastrophen die Evakuierung von Personen vom Arbeitsplatz sicherstellen, die ersten Interventionen am Ereignisort durchführen, an Such-, Rettungs- und Löscharbeiten teilnehmen und im Bedarfsfall Erste Hilfe leisten. Um auf Notsituationen vorbereitet zu sein geht es vor allem um die Schaffung einer guten Organisation für diejenigen, die mit diesen Menschen umgehen und sie ausbilden.


Notfallpläne und Koordination der Arbeitsplatzteams

Notfallpläne sind die Pläne, die vor der Notfallsituation erstellt werden müssen und zeigen, wie und durch wen in Notfallsituationen Intervention, Schutz, Suche und Rettung sowie Erste-Hilfe-Arbeiten durchgeführt werden müssen. Notfallpläne und Koordination der Arbeitsplatzteams werden von Notfallkoordinatoren (Leitung/Vorgesetzter) bereitgestellt. Zu den ersten Schritten im Notfallmanagement gehört, dass wichtige Telefonnummern (Feuerwehr, Notruf usw.), die die Mitarbeiter im Notfall benötigen – sowie Listen mit den Namen der Notfallteams an leicht zugänglichen Stellen ausgehängt werden. Im Kontext der betrieblichen Gefahrenabwehr könnte die Evakuierung von Gebäudeinsassen im Gefahrenfall als letztes Mittel zum Schutz von Personen vonnöten sein.

Die Gründe für eine Evakuierung können sehr unterschiedlich sein. Neben Naturereignissen (Stürme, Überschwemmungen, Erdbeben etc.) können Feuer, Unfälle mit Gefahrstoffen, etc. die Evakuierung eines Gebäudes erforderlich machen. In diesem Zusammenhang ist neben dem auslösenden Ereignis ebenso die Art des zu evakuierenden Gebäudes von zentraler Bedeutung. Zweifellos ist die Evakuierung eines Bürogebäudes wahrscheinlich weniger aufwendig als die Evakuierung eines Krankenhauses, einer großen Versammlungsstätte, eines Labors mit gefährlichen Stoffen oder von Gebäuden mit kritischer Infrastruktur (z. B. Polizei- und Feuerwehrleitstellen).


VDI-Richtlinie 4062: Das Konzept des Fachkoordinators Evakuierung

Um den Knotenpunkt zwischen betrieblichem Brandschutz und Arbeitssicherheit im Sinne einer soliden Evakuierung zu besetzen, wurde die Richtlinie VDI 4062 „Evakuierung von Personen im Gefahrenfall“ ins Leben gerufen – damit zusammenhängend auch die Funktion des sogenannten spezialisierten Evakuierungskoordinators (FKE). Ich verwende in diesem Beitrag den Begriff „Evakuierung“ als Synonym für den Begriff „Räumung“ – gemäß der Begriffsdefinition in der VDI-Richtlinie 4062. Die VDI-Ordnung 4062 differenziert zwischen einer kurzen Evakuierung – dies entspricht der üblichen, technischen Verwendung von „Evakuierung“ – und Langzeitevakuierung. 


Hauptaufgaben Fachkoordinator Evakuierung (FKE)

Eine sicher durchgeführte Evakuierung im Gefahrenfall verlangt eine sorgfältige Planung und Validierung sowie regelmäßig stattfindende Schulungen für Mitarbeiter. Die VDI 4062 definiert daher die Funktion des Evakuierungsfachkoordinators wie folgt: Er ist die Person, die im Rahmen des betrieblichen Gefahrenabwehrkonzepts den Betrieb auf Schadensfälle vorbereitet, in denen eine Evakuierung von Personal und anderen Personen aus dem umgrenzten Bereich durchgeführt wird.

Ein FKE nutzt alle betrieblichen Ressourcen: bauliche, technische, organisatorische und personelle Ressourcen. Gewährleistet ihren optimalen Betrieb durch Wartung, Instandhaltung, State-of-the-Art, Schulung, Unterweisung und jährliche Notfallübungen. In der VDI 4062 legt der Evakuierungskoordinator ein umfassendes Aufgabenspektrum fest, ohne besonders konkret zu werden. Als Hauptziel lassen sich die Ansprüche an bauliche und technische Gegebenheiten sowie die Planung der notwendigen Maßnahmen zur soliden Evakuierung im Gefahrenfall ableiten. 

Für die Umsetzung der festgelegten Maßnahmen ist nicht nur der spezialisierte Evakuierungskoordinator verantwortlich. So zählen die Erstellung der notwendigen Dokumente, die Organisation von Schulungen, die beratende Funktion bei der Auswahl passender Tools und die Integration von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr – besonders der Evakuierungsplanung zu den selbstverständlichen Bestandteilen der Unternehmenskultur.


Evakuierungskonzept bzw. Evakuierung

Das Evakuierungskonzept ist das Basisdokument des Evakuierungskoordinators. Zunächst ist unbedingt zu differenzieren zwischen einer Fluchtanalyse, einem Fluchtkonzept und der Beschreibung von Fluchtwegen im Brandschutzkonzept zum einen und dem Fluchtkonzept als Dokument zur betrieblichen Gefahrenabwehr zum anderen. Das sind zum einen Konstruktionsmodelle oder genehmigungsrelevante Dokumente. Sie fallen nicht in den initialen Arbeitsbereich des Evakuierungskoordinators, sondern sind in erster Linie als Referenz und Erkenntnisquelle für die Entwicklung des betrieblichen Evakuierungskonzepts dienlich. 

Allerdings hat der Gesetzgeber bisher keine Formalität oder den genauen Inhalt eines Entlassungs- oder Evakuierungsplans festgelegt. Deswegen ist bei einer Zusammenarbeit eine gute Abstimmung zwischen den betroffenen Diensten von entscheidender Bedeutung. Die Bekanntgabe der Verhaltensregeln, die von den Mitarbeitern des Unternehmens im Evakuierungsfall umgesetzt werden müssen, muss konsistent und durchgängig deckungsgleich sein. Unter keinen Umständen dürfen widersprüchliche Vorschriften von verschiedenen Organisationen erlassen werden. Sie gefährdet im Gefahrenfall die Wirksamkeit aller vorgeschriebenen Maßnahmen. 


Evakuierungskonzept in Abstimmung mit Feuerwehr

Daneben kann die Zusammenarbeit der unternehmensinternen Schnittstellen mit externen Arbeitspartnern vonnöten sein – hierzu zählen Gefahrenabwehrbehörden, besonders Feuerwehr und Polizei, und ggf. Ordnungs- und Genehmigungsbehörden. Daher ist zum Beispiel die Einsatzplanung bei der Erwartung einer lebensbedrohlichen Gewalttat (nach VDI 4062 Blatt 2) mit der Polizei abzusprechen. Zudem sollte der Evakuierungsplan speziell den Feuerwehrleuten vorab gezeigt werden, um die Notfallschnittstellen (Ansprechpartner, Sammelstellen, Personalanmeldung etc.) zu bestimmen und das grundsätzliche Evakuierungskonzept auf Kompatibilität mit der Einsatztaktik der Feuerwehr zu überprüfen. Unter anderem die Kontrolle größerer Personenströme, einschließlich der Definition von Sicherheitszonen außerhalb des geplanten Arbeitsumfelds.

Falls der spezialisierte Evakuierungskoordinator über die allgemeinen Bewertungsansätze hinaus makroskopische oder mikroskopische Evakuierungsanalysen (Evakuierungssimulation) für eine genaue Betrachtung der Evakuierungssituation eines Objekts nutzen möchte, ist die Kenntnis der speziellen Parameter unerlässlich. An dieser Stelle sei betont, dass gesetzliche und behördliche Vorgaben derzeit nicht zu einer zwingenden Anforderung zur Bestellung eines fachkundigen Evakuierungskoordinators führen – wie dies bei Beauftragten des Brandschutzes oder einer Fachkraft für Arbeitssicherheit der Fall ist.


Fachkraft Evakuierungskoordinator: Qualifizierung für Betriebssicherheit

Der Evakuierungsfachkoordinator ist eine noch wenig bekannte betriebliche Sicherheitsfunktion. Ihm obliegt die anspruchsvolle Aufgabe, das betriebliche Evakuierungskonzept zu erstellen und umzusetzen. Er arbeitet interdisziplinär und in enger Zusammenarbeit mit internen Brandschutz- und Arbeitsschutzschnittstellen sowie mit externen Organisationen. Mit der zunehmenden Bedeutung der Evakuierungsplanung wird der Bedarf an ausgewiesener Expertise in diesem Nischenbereich zukünftig weiter steigen. Experten sind daher davon überzeugt, dass sich die Fachkraft Evakuierungskoordinator als Qualifizierung für Betriebssicherheit weiter etablieren wird. In der neuen ASR 2.3 vom März 2022 wird eine jährliche Evakuierungsübung in Betrieben vorgeschrieben.

 

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