Generationswechsel bei Hekatron: Im Gespräch mit Peter Ohmberger und Petra Riesterer
Anfang 2022 hat Petra Riesterer die Geschäftsführung von Hekatron übernommen. Sie löst Peter Ohmberger ab, jetzt nach 20 erfolgreichen Jahren im Ruhestand.
Petra Riesterer ist selbst bereits seit zwei Jahrzehnten bei Hekatron tätig und möchte in ihrer neuen Funktion Hekatron Brandschutz „mit einer wohldosierten Mischung aus Aufbruch und Kontinuität in eine verstärkt digitale Zukunft führen“. Steffen Ebert und Matthias Erler von GIT SICHERHEIT haben sich mit der alten und neuen Unternehmensspitze unterhalten.
GIT SICHERHEIT: Frau Riesterer, Herr Ohmberger, das Jahr 2021 war ein Jahr der Staffelübergaben. Sie, Frau Riesterer, sind seit Jahresbeginn 2022 neue Geschäftsführerin bei Hekatron Brandschutz, als Nachfolgerin von Ihnen, Herr Ohmberger. Könnten Sie beide einmal eine Einschätzung formulieren, was dieser Generationswechsel für Hekatron bedeutet und bedeuten wird?
Peter Ohmberger: Ich hatte das unschätzbare Glück, mit meinen Kollegen eine große Zeit bei Hekatron erleben zu dürfen. Als ich genau vor 20 Jahren anfing, hatten wir gerade eine sehr schwierige Phase bei Hekatron. Unser Jahresumsatz betrug etwa 25 Millionen Euro. Heute erwirtschaften wir mehr als 200 Millionen mit den Hekatron Unternehmen. Wir sind heute also ein ganz anderes Unternehmen. Meine Rolle in dieser Zeit war es, den Rahmen zu stecken und die eine oder andere gute Idee beizusteuern. So viele Menschen haben mit daran gearbeitet, das Unternehmen Hekatron erfolgreich voranzubringen. Dabei gab es einige Täler, aber auch sehr viele Höhen. Für mich ist es jetzt Zeit, von Hekatron Abschied zu nehmen. Ich finde es entscheidend wichtig und richtig, dass neue Gedanken in das Unternehmen einfließen. Wir brauchen neue und frische Ideen, um wieder in eine neue Dimension vorzustoßen. Dass wir mit Frau Riesterer nun eine gestandene Hekatronerin als meine Nachfolgerin in der Unternehmensführung haben, ist für mich ein großartiges Zeichen dafür, dass man bei uns als Frau oder Mann gleichermaßen etwas werden kann, wenn man das Zeug dazu mitbringt.
Petra Riesterer: Für mich ist die neue Aufgabe natürlich sehr spannend. Durch auch andere Neubesetzungen in 2021 haben wir nun eine gute Mischung aus langjähriger Erfahrung, neuem Wissen und für Hekatron Brandschutz neuen Menschen, die den Anspruch haben, federführend an der Strategie und der Gestaltung des Unternehmens beteiligt zu sein. Das ist eine große Triebfeder für uns alle. Dieser Generationswechsel bedeutet sicherlich Veränderung – auch wenn es mein Ziel sein wird, die richtige Mischung aus Aufbruch und Kontinuität zu finden.
Was soll sich verändern?
Petra Riesterer: Wir werden die eingeschlagenen Wege nicht verlassen – uns dabei aber noch stärker auf das Thema Digitalisierung im Brandschutz fokussieren. Übrigens glaube ich, dass sich der Aufbruch und die Weiterentwicklung unserer Strategie zunächst einmal eher innerhalb von Hekatron bemerkbar machen werden. Dabei geht es etwa um die Verzahnung der Unternehmensbereiche. Dabei setzen wir auf Transparenz der Informationen und kollaboratives Arbeiten. Auch bei Arbeitsmitteln und Arbeitsweisen wird sich die neue Generation noch stärker bemerkbar machen – Stichwort „New Work“. Wir möchten weniger Hierarchien und mehr Verantwortung bei den Mitarbeitenden. Genau das motiviert mich auch: Andere dazu zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen.
Inwieweit ist das Thema „Frauen in Spitzenpositionen“ wichtig für Hekatron?
Petra Riesterer: Das ist für uns durchaus wichtig – immerhin ist unser Unternehmen von einer Frau mitgegründet worden. Ich bin der Ansicht, dass Unternehmen generell, nicht nur Hekatron, sich stärker darum kümmern müssen, dass ein Rahmen geboten wird, in dem Frauen mehr Gelegenheiten zum Aufstieg erhalten. Übrigens sind wir letztes Jahr mit einem Preis für Familienfreundlichkeit ausgezeichnet worden. Dazu hat insbesondere die Möglichkeit zur Nutzung digitaler Arbeitsweisen beigetragen: Dadurch kann auch eine Mutter präsent sein, ohne jederzeit persönlich vor Ort zu sein.
Peter Ohmberger: Ein sehr gutes Beispiel dafür ist übrigens auch Heike Hodapp, die die Nachfolge von Dietmar Hog als Leiterin im Errichter-Vertrieb angetreten ist.
Frau Riesterer, Sie sind ja bereits mehr als 20 Jahre bei Hektaron – Sie haben also das Unternehmen, seine Entwicklung und seine Innovationen seit langem schon begleitet und mitgestaltet. Könnten Sie uns kurz etwas über Ihren Background erzählen?
Petra Riesterer: Von Haus aus bin ich Elektroingenieurin, habe aber auch im Bereich Dienstleistungsentwicklung gearbeitet und mich zeitweise als Beraterin für mittelständische Unternehmen selbstständig gemacht. Bei Hekatron habe ich als Entwicklungsingenieurin angefangen, kam dann in das Produktmanagement und habe anschließend die Leitung des Produktportfoliomanagements übernommen. In den letzten vier Jahren verantwortete ich das internationale Produktmanagement für die Schweizer Securitasgruppe, zu der auch Hekatron gehört. Ich habe in meiner Ausbildung und meiner Tätigkeit für Hekatron also Technik und Management kombiniert. Das ist für mich ideal – und gibt es auch nicht sehr oft. Ich bin sicher, dass mir das hilft. Ich habe selbst früher zum Beispiel Brandmelder entwickelt. Die Managementseite habe ich mit meinem zusätzlichen Studium zum Executive Master Business Administration abgedeckt.
Welche Aufgaben, welche Themen stehen für Sie im Vordergrund, wenn Sie an das vor uns liegende Jahrzehnt denken?
Petra Riesterer: Meiner Einschätzung nach geht es verstärkt um die Themen Geschwindigkeit und Komplexität – auch wenn der Brandschutz ja eine vergleichsweise gemächlich scheinende Branche ist. Veränderungen werden etwa durch den verstärkten Einsatz von Building Information Modeling (BIM) angetrieben, durch zunehmende Vernetzung der Gewerke, durch Verlagerungen in die Cloud und die Standardisierung digitaler Applikationen. An diese Themen muss die Branche ran – und zwar die gesamte Branche. Nur so kommen sinnvolle Lösungen zustande, die im Sinne des Kunden sind. Es funktioniert nicht, wenn jeder einzelne Hersteller nur sein eigenes Paket schnürt. Es ist eine große Aufgabe, die einen kollaborativen Ansatz fordert, der die Beteiligten in der Wertschöpfungskette zusammenbringt. Hier schließt sich übrigens für mich der Kreis zu meiner Masterarbeit, in der ich mich mit dem Thema Kooperation in der Sicherheitstechnik befasse – und wie diese gelingen kann. Diesen Prozess, zu dem beispielsweise auch aktive Verbandsarbeit gehört, möchte ich mitgestalten.
Dann lassen Sie uns einmal einen näheren Blick auf den Markt des anlagentechnischen Brandschutzes werfen – zunächst vielleicht bezüglich der Rauchwarnmelder: Die inzwischen abgeschlossene Rauchmelderpflicht in allen Bundesländern hat das Geschäft beflügelt – wie entwickelt sich der Markt hier weiter aus Ihrer Sicht?
Peter Ohmberger: Die Rauchwarnmelderpflicht hat in der Tat eine nicht zu überschätzende beflügelnde Wirkung auf unseren Markt gehabt. Das hat auch uns zwischen 2010 und 2017 stark getragen. Die Marktausstattung ist in dieser Zeit von praktisch 0 auf rund 100 Millionen Rauchwarnmelder in Deutschland angewachsen. Etwa die Hälfte der Melder entfällt auf die Wohnungswirtschaft bzw. die Messdienstleister wie z.B. Brunata und Kalorimeta – und die andere Hälfte wird über den Fachhandel und Direktkanäle vertrieben. Dabei gibt es sehr viele unterschiedliche Vertriebskanäle, in den letzten Jahren u.a. auch wegen der stetig wachsenden digitalen Handelsströme, die auch bei Hekatron einen immer größeren Raum einnehmen. Das führt auch zu schnellerer Skalierbarkeit des Geschäfts. Wenn beispielsweise Amazon in einen bestimmten Markt geht, dann funktioniert das gewissermaßen mit einem Klick. Dagegen dauert der stationäre Vertrieb einschließlich des ganzen Logistikaufbaus meist Jahrzehnte. Wie schnell in der digitalen Welt Geschäft generiert werden kann, erleben wir derzeit gerade in den Niederlanden wo Hekatron sein Geschäft kontinuierlich ausbaut.
Lassen Sie uns an der Stelle noch etwas in die Tiefe gehen. Welche weiteren technischen Entwicklungen wird es geben? Welche Wege geht Hekatron hier?
Peter Ohmberger: Das wird deutlich, wenn man den großen Rahmen der Entwicklung betrachtet. So wird in der Zukunft grundsätzlich jedes Bauteil elektronisch zur Sicherheit des Gebäudes betragen. Warum soll zum Beispiel der Brandschutz nicht in einem Wohnzimmersessel oder Esstisch integriert sein? Es geht also weniger um die Entwicklung immer besserer Sensoren, als vielmehr in Richtung Schwarmintelligenz vieler Sensoren, die sehr schnell sehr viele Informationen generieren – dabei geht es nicht nur um Brand, sondern auch um andere Kenngrößen. Daraus ergeben sich logischerweise andere, neue Geschäftsmodelle. Ich persönlich glaube fest daran, dass die Sensorik der Zukunft drahtlos sein wird, energieautark und nachhaltig. Außerdem wird sie kleiner und unsichtbar sein, eingebaut etwa in Stühlen, Tischen, Leuchten etc.
Petra Riesterer: Das halte auch ich für eine wichtige Vision, auch wenn wir hier weit in die Zukunft schauen. Übersetzt auf die nächsten Schritte, die wir bei Hekatron gehen möchten, heißt das, dass wir jetzt schon weniger auf noch bessere Sensoren setzen. Sie sind aktuell technisch schon sehr reif, so dass hier nur noch wenig Potenzial auf Basis aktueller Technologien drinsteckt. Die Digitalisierung ist dagegen ein sehr starker Treiber. Und ein wichtiger Baustein dafür ist zum Beispiel auch unser digitales Kundenportal „Mein HPlus“. Die Digitalisierung verändert nicht so sehr die Produkte, sondern die Prozesse. Sie durchzieht die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich Installation, Inbetriebnahme und Instandhaltung. Es geht um Effizienz, Planbarkeit und Transparenz, um die Verbesserung der Planung von Einsätzen vor Ort, die Möglichkeiten des Remote-Service, etc. Früher hat man sich für die Entwicklung zwei Jahre zurückgezogen und dem Kunden dann das fertige Produkt präsentiert. Heute arbeiten wir ganz anders am konkreten Projekt mit den Kunden zusammen, näher an der Anwendung. In dieser Entwicklung stecken wir bereits mitten drin. Hier habe ich viel von der Mentalität von Start-ups gelernt: Ideen werden demnach besser, wenn man sie teilt. Daran glaube ich persönlich: Wir müssen Ideen teilen und veredeln, dann entsteht etwas Gutes.
Über Brandmeldeanlagen haben wir noch gar nicht gesprochen...
Petra Riesterer: Gerade hier beweist sich unser digitales Kundenportal „Mein HPlus“. Wichtig sind hier aber noch andere Aspekte: So geht es darum, wie Brandmeldeanlagen sich mit der Gebäudetechnik verbinden, wie sie sich im Gebäude vernetzen und welche Steuerungsfunktionen in die Cloud verlagert werden. Hier gilt es, die verschiedenen Ebenen im Gebäude zu verstehen.
Dabei ist die Cloud ja auch im Brandschutz ein durchaus angstbesetztes Thema...?
Petra Riesterer: Das stimmt. Allerdings haben wir eine eigene sichere Cloud – und zwar im Kontext mit Remote-Applikationen. Dadurch können wir unseren Kunden garantieren, dass die Daten zu hundert Prozent sicher sind. Wir hosten alle Applikationen selbst auf unserer Cloud, um die Daten vertrauenswürdig und sicher behandeln zu können. Wir bauen unsere Infrastruktur dafür auch noch weiter aus. Für viele Errichter ist das ein wichtiges Thema. Unsere Partner können selbst entscheiden, wie tief sie mit uns in die Datenteilung gehen möchten. Dass der Partner schlussendlich entscheidet und ausschließlicher „Herr“ seiner Daten ist, ist uns ein wichtiges Anliegen.
Blicken wir ein wenig in die Zukunft von Hekatron. Was wird die nächste Zeit prägen?
Peter Ohmberger: Hersteller wie wir sollten sich damit auseinandersetzen, welche langfristigen Folgen die Digitalisierung noch haben wird. Irgendwann werden die Produkte kostenlos sein, weil die Daten und deren Analyse bei der Wertschöpfung im Vordergrund stehen. Ich sehe das eher als Chance denn als Risiko. Möglicherweise sind auch viele unserer Normen und Richtlinien irgendwann obsolet, die Lebenszyklen der Produkte werden immer kürzer. Gleichzeitig wird das Dreieck zwischen Planer, Errichter und Hersteller immer transparenter. Wir als Hersteller spielen darin eine ganz besondere Rolle bei der Entwicklung neuer Konzepte, Ideen und beim Umsetzen und Ausprobieren neuer Dinge. Dafür braucht es viel Mut.
Petra Riesterer: Das Thema Nachhaltigkeit und ökologischer Fußabdruck steht natürlich auch für uns immer stärker auf der Agenda. Unsere Sensorik spielt hier eine wichtige Rolle, da sie der Teil ist, der eine Kette von Sicherheitsfunktionen auslöst, die Menschenleben schützen sollen. Wir setzen hier unter anderem auf bessere Wiederverwendbarkeit von Komponenten – aber es geht auch um die eingesetzten Materialien und die Verpackung.
Peter Ohmberger: Ich spanne einmal einen ganz großen Bogen. Mich macht es sehr nachdenklich, dass die Menschheit im vergangenen Jahr zum ersten Mal in ihrer Geschichte mehr „Totmasse“ als „Lebendmasse“ produziert hat – also auf der einen Seite mehr Gebäude, Hausrat, physische Gegenstände, etc., und auf der anderen Seite „menschliches Leben“. Auf dieser Ebene müssen wir einsteigen und miteinander den Diskurs führen. Dabei entstehen spannende Diskussionen darüber, wie wir nachhaltig und rohstoffsparend handeln und dabei Wachstum generieren. Ansonsten wird die Rechnung am Ende des Tages nicht aufgehen.
Petra Riesterer: Ich persönlich spüre sehr die Aufbruchsstimmung, in der wir uns bei Hekatron befinden. Ich wünsche mir, dass es auch in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden spürbar wird, dass der Kunde mitbekommt, wie wir uns verändern.
Frau Riesterer, Herr Ohmberger – wir danken für das Gespräch.
Business Partner
Hekatron Vertriebs GmbHBrühlmatten 9
D-79295 Sulzburg
Deutschland
Meist gelesen
Kommunale Sicherheit: Gespräch mit der Düsseldorfer Ordnungsdezernentin Britta Zur
Öffentliche Sicherheit der Stadt Düsseldorf im Zusammenspiel von Ordnungsamt und Polizei: Ordnungsdezernentin Britta Zur im Interview über die Kriminalitätsentwicklung, Gefahrenabwehr und Fußball-EM 2024.
Wie Unternehmen und Polizei zusammenarbeiten
GIT SICHERHEIT im Interview mit Julia Vincke, Leiterin Unternehmenssicherheit BASF, und Bettina Rommelfanger, Polizeivollzugsbeamtin am Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW).
Top Player Maschinensicherheit – Oscar Arias, Schmersal
GIT SICHERHEIT im Interview mit Oscar Arias, Chief Sales Officer (CSO), Schmersal Gruppe.
Wenn das Gehirn rotiert - Warum ein effektiver Kopfschutz auch vor Rotationsenergie schützen sollte
Schutzhelme bieten im Allgemeinen nur unzureichenden Schutz vor schrägen Stößen.
Phoenix: der erste Barfuß-Sicherheitsschuh auf dem Markt
Baak bringt mit "Phoenix" nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit den ersten Barfuß-Sicherheitsschuh auf den Markt.