17.07.2024 • Topstory

Kommunale Sicherheit: Gespräch mit der Düsseldorfer Ordnungsdezernentin Britta Zur

Kommunale Sicherheit ist ein Schnittstellen­thema, das von kommunalen Ordnungsämtern und der Polizei vielfach in gut eingespielter Zusammenarbeit bearbeitet wird. Britta Zur ist zum Zeitpunkt unseres Interviews Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf. Inzwischen ist Vorsitzende der Geschäftsführung bei DB Sicherheit. GIT SICHERHEIT hatte mit ihr über aktuelle Heraus­forderungen und ­Projekte zu deren Lösung gesprochen.

Britta Zur, ­Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf
Britta Zur, ­Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf
© Malte Krudewig / Landeshauptstadt Düsseldorf

GIT SICHERHEIT: Frau Zur, das Thema Kommunale Sicherheit, also vor allem die Sicherheit im städtischen Raum beschäftigt Sie in Ihrer Position als Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf, die Sie noch bis August sind. Für alle Nicht-Rheinländer: Ist das eine eher wilde oder eine eher gesittete Stadt, mit der Sie es hier zu tun haben? 

Britta Zur: Düsseldorf bietet wirklich für jeden etwas und ist eine enorm facettenreiche Stadt. Wir sind Landeshauptstadt, flanieren über die Kö und treffen uns abends in der Altstadt an der längsten Theke der Welt auf ein Altbier. Wir feiern den Düsseldorfer Karneval, als gäbe es kein Morgen und sind eine bunte und weltoffene Stadt. Hier leben Menschen aus 180 Nationen und man kann phantastisch essen gehen. Langweilig wird es daher nie ;-)

Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren beruflichen und ausbildungs­mäßigen Hintergrund geben?

Britta Zur: Gerne. Ich bin von Hause aus Juristin und habe nach meinem zweiten Staatsexamen zunächst als Richterin und dann als Staatsanwältin gearbeitet. Bei der Staatsanwaltschaft war ich recht lange und habe dort fast zehn Jahre in der Abteilung für Kapitalverbrechen gearbeitet; auch war ich eine Zeit lang Pressesprecherin der Behörde. Zuletzt habe ich mich dort intensiv mit dem Bereich Gewalt gegen Einsatzkräfte beschäftigt. Aus dieser Funktion heraus habe ich im Herbst 2019 den damaligen (und heutigen) NRW-Innenminister Herbert Reul kennengelernt, der mich sodann im Dezember 2019 dem Landeskabinett als neue Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen vorschlug. Bis Juli 2022 – und damit während der gesamten Pandemie – war ich mit Leib und Seele Polizeipräsidentin, bis ich dann im Sommer 2022 in meine Heimatstadt Düsseldorf gewechselt bin. Dort verantworte ich den Bereich der Sicherheit und Ordnung, aber auch den des Bürgerservices und des Sports. Ab September wird die Reise jedoch für mich weitergehen und ich werde den Vorsitz der Geschäftsführung der DB Sicherheit übernehmen.

Was haben Sie bei der Polizei vor allem gelernt, was Ihnen heute zugute kommt in diesem kommunalen Amt?  

Britta Zur: Bei der Polizei habe ich in allererster Linie Krisenmanagement gelernt – die Corona-Pandemie ließ mir auch keine andere Wahl. Ich habe gelernt, schnell zu entscheiden und mich aber auch auf dem Weg dorthin von erfahreneren Kolleginnen und Kollegen beraten zu lassen. Auch habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich als Führungskraft vor die eigene Mannschaft zu stellen, den Mitarbeitenden eine Stimme und ein Gesicht zu geben.

Für mich war und ist es außerdem von existentieller Bedeutung, mir möglichst viel von dem anzuschauen, was die Kolleginnen und Kollegen in ihrem täglichen Dienst erleben. Ich bin seitdem sicherlich krisenresistenter und habe mir ein dickeres Fell zugelegt – aber ich habe auch immer ein Ohr an der Mannschaft.

Die öffentliche Sicherheit gehört unter anderem zur Job Description des Ordnungsdezernenten – und in diesem Zusammenhang ist ja auch die Arbeit mit der Polizei sehr wichtig. Beide befassen sich hier mit der Gefahrenabwehr. Wo genau liegen die Schnitt­stellen? Wie ist die Zusammenarbeit strukturiert und organisiert? 

Britta Zur: In der Praxis ergänzen sich die unterschiedlichen Aufgabenwahrnehmungen - was der eine kann, kann der andere nicht und umgekehrt. Für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten ist allein die Polizei zuständig. Bei der Gefahrenabwehr gibt es indes viele Überschneidungen; so zum Beispiel bei den klassischen Ruhestörungen, die dann von der Polizei gefahren werden, wenn das Ordnungsamt nicht im Dienst oder nicht verfügbar ist. 

Die Praxis zeigt, dass die besten Ergebnisse dann erzielt werden, wenn Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeiten. Die Bündelung von Zuständigkeiten führt dazu, dass die Arbeit schneller und effektiver erledigt werden kann. In Düsseldorf haben wir zum Beispiel seit längerer Zeit sogenannte Doppelstreifen etabliert. Der gemeinsame Auftritt von Polizei und Ordnungsamt führt dazu, dass Bürgerinnen und Bürger für nahezu alle Fragestellungen immer den richtigen Ansprechpartner vor sich finden. Auch führen wir regelmäßig in bestimmten Bereichen gemeinsame Schwerpunkteinsätze durch: Noch letzte Woche habe ich einen nächtlichen Einsatz begleitet, in dem Polizei- und Ordnungskräfte gemeinsam unter anderem illegales Glücksspiel und Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz bekämpft haben.

Ordnungspartnerschaften müssen viel mehr sein als nur feierlich unterzeichnete Kooperationsvereinbarungen – die Zusammenarbeit muss auf allen Ebenen gelebte Praxis sein.

Apropos Praxis: Hier sticht ja die EM heraus, die ja teils in der Arena Ihrer Stadt ausgetragen wird – bis hin zum Viertelfinale am 6. Juli. NRW-Innen­minister Herbert Reul warnte ja bezüglich der Sicherheitslage, dass das „kein Spaziergang“ werde...? 

Britta Zur: Ich bin davon überzeugt, dass alle beteiligten Sicherheitsbehörden ihr Bestes geben und auch bereits in der Planung und Vorbereitung gegeben haben. Dass so eine EM im eigenen Land sich nicht mal eben nebenbei abwickeln lässt, ist aber auch klar. Die Zahl der eingesetzten Kräfte ist riesig und ich habe großes Vertrauen in die Arbeit aller Akteure. 

Inwieweit sind Sie hier mit dem Sicherheitskonzept befasst, wie sieht die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und Ihrer Stelle hier aus? 

Britta Zur: Die EM bildet ein gutes Beispiel dafür, wie gut und effektiv auch solche Großveranstaltungen geplant und durchgeführt werden können, wenn viele Akteure eng und aufeinander abgestimmt zusammenarbeiten. Das Ordnungsamt zeigt – genau wie die Polizei auch – starke Präsenz im Stadtgebiet. Wir ahnden Ordnungswidrigkeiten wie zum Beispiel Wildpinkeln oder Verstöße gegen die Taxi-Ordnung. Uns obliegt außerdem das Beobachten etwaiger Engstellen und des Besucheraufkommens; Störungen werden sofort an die Polizei und/oder die Feuerwehr kommuniziert. 

Im Falle der Fälle werden Maßnahmen ergriffen, die eine Überfüllung verhindern sollen. So sperren wir Teilbereiche der Stadt ab oder geben den Wirten auf, ihre Außengastronomie zurückzubauen, um Engstellen zu verhindern. 

Aber nicht nur Polizei und Ordnungsamt, sondern auch viele andere Ämter, Verbände und Partner sind involviert. Das städtische Amt für Verkehrsmanagement sorgt zum Beispiel dafür, dass der Verkehr auch dann reibungslos fließt, wenn zehntausende Besucherinnen und Besucher in der Stadt unterwegs sind. Der anfallende Müll muss entsorgt und eine ausreichende Anzahl an öffentlichen Toiletten zur Verfügung gestellt werden - auch diese Themen fallen unter den Oberbegriff der Sicherheit und tragen maßgeblich zu dem Gelingen einer solchen Veranstaltung bei.
 

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Wie sehen Sie allgemein die Entwicklung der Kriminalität in Düsseldorf?  

Britta Zur: Die Kriminalitätszahlen und deren Entwicklung fallen erst einmal in die Zuständigkeit der Polizei, weil diese originär für die Kriminalitätsbekämpfung zuständig ist.

Aber natürlich haben bestimmte Kriminalitätsphänomene auch einen großen Einfluss auf die Stadt, die Stadtgesellschaft und auch auf die Arbeit der städtischen Verantwortungsträger.

So haben wir in den letzten Monaten – wie nahezu alle anderen deutschen Großstädte auch – einen Anstieg der Droge Crack zu verzeichnen. 

Der steigende Konsum dieser Droge führt in einigen Teilen der Stadt – so insbesondere in dem Bereich rund um den Hauptbahnhof – zu einer sichtbaren Verelendung der sich oftmals im öffentlichen Straßenraum aufhaltenden Konsumenten. Menschen, die einfach nur auf eine Bahn oder einen Bus warten, und an der Haltestelle mit Angehörigen der Drogenszene, mit herumliegenden Konsumutensilien, mit zerbrochenen Flaschen, Dreck und Müll konfrontiert werden, fühlen sich nicht mehr sicher. Hier sind wir alle gefragt und müssen Lösungen für eine sich ändernde Drogenszene finden.

Im vergangenen Herbst haben Sie ja ein großes Sicherheitsprojekt ­abgeschlossen, das jetzt gerade umgesetzt wird. Es trägt den Namen „Sicherheit in der ­Düsseldorfer Innenstadt (SIDI)“. Dabei ging es um die Sicherheit in der Düsseldorfer Altstadt und am Rheinufer. Wo liegen hier die Probleme?  

Britta Zur: In den Innenstadtbereichen deutscher Großstädte wurde – als eine Folge der Pandemie – eine erhebliche Zunahme von störenden Personen und Personengruppen im öffentlichen Raum wahrgenommen. In Düsseldorf waren insbesondere die Altstadt und die angrenzenden räumlichen Bereiche, wie der Burgplatz und die Rheinuferpromenade, betroffen. An Wochenenden oder vor Feiertagen strömten vermehrt störende und gewaltbereite Personen in die Düsseldorfer Innenstadt. Betroffen waren insbesondere die Altstadt und das Rheinufer. Hierbei handelte es sich überwiegend um junge Männer mit auswärtigem Wohnsitz. 

Polizei und Ordnungsamt verzeichneten eine Zunahme von Provokationen, Beleidigungen und Konflikten der Gruppen untereinander und gegenüber Dritten. Zu beobachten war insbesondere auch ein Verlust von Respekt gegenüber unseren Ordnungs- und Sicherheitskräften sowie eine erhebliche Zunahme von Gewalt ihnen gegenüber. Die Zahl der Fälle hatte sich in den vergangenen zehn Jahren in Düsseldorf mehr als versechsfacht.

Deshalb hat die Landeshauptstadt Düsseldorf entschieden, gemeinsam mit der Polizei Düsseldorf das Projekt „SIDI“ (Sicherheit in der Düsseldorfer Innenstadt) zu starten, um eine spürbare Verbesserung der Sicherheit und Ordnung zu erreichen. Es wurden ganzheitliche präventive, ordnungs- und polizeibehördliche Maßnahmen entwickelt. Im Fokus dabei stand und steht die Optimierung der behörden- und ämterübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Bündelung bestehender lokaler und überregionaler Maßnahmen und Projekte.

Könnten Sie die wesentlichen Maßnahmen einmal zusammenfassen? Unter anderem sind ja beispielsweise Waffen­verbotszonen und Messerkontrollen erforderlich...? 

Britta Zur: Das stimmt, aber im Rahmen des Projektes sind viele verschiedene Maßnahmen erarbeitet und auch umgesetzt worden, die die Sicherheit in der Düsseldorfer Innenstadt nachhaltig verbessern und mit denen angemessen auf die veränderte Sicherheitslage reagiert werden kann. Neben einer Waffenverbotszone, die im Dezember 2021 eingerichtet worden ist, ist beispielsweise eine gemeinsame Anlaufstelle („GAST“) von der Landeshauptstadt Düsseldorf und der Polizei am Rathausufer errichtet worden. Diese Anlaufstelle ist mehr als ein zentraler Ausgangspunkt für gemeinsame Streifen:  

Durch die Anlaufstelle werden die Ansprechbarkeit und die gemeinsame Präsenz verstärkt und das Sicherheitsgefühl bei Besucherinnen und Besuchern sowie der Anwohnerschaft erhöht. 

Auch ein neues Beleuchtungskonzept sieht eine Optimierung an unterschiedlichen Plätzen vor. Die Polizei kann nun bei Bedarf die Intensität der Beleuchtung verstärken und es den Leuten richtig ungemütlich machen. 

Ein ganz wichtiger Bestandteil des Projekts ist auch der Einsatz von Streetworkern. Die Streetworker halten zu rund 300 Jugendlichen Kontakt und leisten aktive Präventionsarbeit, damit Konflikte möglichst früh im Keim erstickt werden. Ein weiteres Teilprojekt war die Identifizierung von geeigneten Veranstaltungsflächen in der Innenstadt, um das Publikum zu durchmischen und die öffentlichen Räume positiv zu beleben.

Das ganze Projekt wurde auch wissenschaftlich durch die Zentralstelle Evaluation des Landeskriminalamtes NRW und die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW begleitet. Das Projekt war so konzipiert, dass es auch auf andere Städte übertragbar ist. 

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