Modulares Drohnenabwehrsystem für Polizei und KRITIS – Flexible Detektion und Abwehr von Gefahren
Drohnen können zur ernsthaften Gefahr für Behörden, Veranstaltungen oder kritische Infrastruktur werden. Hier setzt das Projekt IDAS-PRO an: Es erforschte, wie modulare Drohnenabwehrsysteme flexibel in polizeiliche Einsätze integriert werden können. Nach der eindrucksvollen Abschlussdemo in Mosbach sprach GIT SICHERHEIT mit Hans Peter Stuch, Projektleiter beim Fraunhofer FKIE, über Ziele, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven des Systems.


GIT SICHERHEIT: Herr Stuch, bei dem Projekt IDAS-PRO ging es darum, die Polizei in die Lage zu versetzen, Drohnen erfolgreich zu erkennen und abzuwehren. Sie haben kürzlich eine Abschlussdemo veranstaltet. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
Hans Peter Stuch: Ja, die Projektpartner und die Besucher der Abschlussdemo waren zufrieden mit dem Ergebnis des Tests. Als Leuchtturmprojekt des BMFTR, vormals BMBF, war das Ziel, einen sehr produktnahen Demonstrator zu schaffen. Das ist gelungen. Durch die enge Mitarbeit der Polizeibehörden unter der Ägide des BKA wurden im Projekt viele aus dem praktischen Einsatz abgeleitete Features implementiert. Die beteiligten Industriepartner treten jetzt an, das System bzw. seine Komponenten im letzten Schritt zu Produkten zu machen, die möglichst 2026 in den Einsatz gehen können.
Aus welchen technologischen Komponenten besteht das System? Und könnten Sie die Funktionsweise noch mal kurz zusammenfassen?
Hans Peter Stuch: IDAS-PRO stellt Komponenten zur Detektion von Drohnen und Intervention gegen Drohnen bereit. Dabei sind die Sensoren und die Effektoren an das Kernsystem bestehend aus Sensordatenfusion und Lagedarstellung angeschlossen. Die Lagedarstellung mit integrierter Entscheidungsunterstützung dient auch der Verifikation, d. h. der Bewertung, ob es sich bei einer anfliegenden Drohne um eine Gefahr handelt oder nicht.
Zur multimodalen Sensorsuite zählen Radare, Funkpeiler, Remote ID-Sensoren und miniaturisierte Kameras. In diesem Kontext kommt auch KI beim Erkennen und Tracken von Drohnen in Kamerabildern zum Einsatz. Ihre Daten geben die Sensoren in die Datenfusion, die daraus Tracks (Flugspuren) generiert. Zur Abwehr der Drohnen stehen zwei Effektoren, ein Jammer mit Kamera und eine Abfangdrohne, bereit.
Wie funktioniert die Abwehr der Drohne genau?
Hans Peter Stuch: Zur Abwehr einer Drohne wird diese mithilfe eines Jammers zum Hovern auf der Stelle gebracht. Die Fangdrohne greift sie dann an dieser Stelle mit einem Netz auf und verbringt sie an einen vorbestimmten sicheren Ort.
Wie funktioniert das mit der Unterstützung, die das System zur Entscheidung liefert, wenn es um die Frage geht, ob abgewehrt werden soll oder nicht?
Hans Peter Stuch: Die Entscheidungsunterstützung benutzt die Informationen der Lagedarstellung. So ist die jeweilige Position der abzuwehrenden Drohne bekannt. Mit den Kenndaten der Effektoren wie z. B. der Wirkreichweite oder der Räume, in denen bestimmte Effektoren nicht eingesetzt werden können, unterstützt das System automatisch und echtzeitnah bei der Entscheidung über den Einsatz von Effektoren. Die Freigabe für den Effektoreinsatz erfolgt stets im Sinne des „Man-in-the-Loop“-Prinzips durch die Einsatzkräfte – und erfolgt zu keiner Zeit automatisch.

Sie denken ja auch an einen Einsatz etwa in Kritischen Infrastrukturen, deren Sicherheitskonzepte derzeit gestärkt und erweitert werden – Stichwort etwa KRITIS-Dachgesetz?
Hans Peter Stuch: Aktuell nimmt die Anzahl der Drohnensichtungen stetig zu. Was seinen Ursprung in polizeilich geprägten Einsatzsituationen hatte – der Vorfall 2013 bei einem Wahlkampfauftritt der damaligen Kanzlerin in Dresden war sozusagen die Mutter aller Drohnenabwehrszenarien in Deutschland -, tritt heute verstärkt im Kontext von KRITIS und militärischen Liegenschaften auf. Die sehr intensive Nutzung von Drohnen im Kontext des Ukraine-Konflikts trägt zu dem Trend bei, diese Technik für nicht legale Anwendungen einzusetzen. Die Lösung IDAS-PRO deckt auch den Schutz von KRITIS, öffentlichen und privaten Liegenschaften, großen Veranstaltungen oder militärische Anwendungen ab. Davon ausgehend, dass in Deutschland sehr bald ein KRITIS-Dachgesetz die Betreiber kritischer Infrastrukturen zu Maßnahmen im Hinblick auf Bedrohungen durch Drohnen verpflichten wird, ist IDAS-PRO das richtige System zur richtigen Zeit.
Einstweilen sind insbesondere Unternehmen ja nur in Ausnahmefällen befugt, Drohnen tatsächlich abzuwehren?
Hans Peter Stuch: Das ist weitgehend richtig – und stellt keinen Widerspruch zu verpflichtenden Maßnahmen gegen Bedrohungen durch Drohnen dar. Wir wissen noch nicht, welche Befugnisse Unternehmen im Rahmen des künftigen KRITIS-Dachgesetzes haben werden. Selbst wenn die Möglichkeiten der Intervention gegen Drohnen den Sicherheitsbehörden vorbehalten sein werden, führt auch die Drohnendetektion allein bei Unternehmen zu mehr Sicherheit. Ein Beispiel hierfür ist eine „indirekt gegen die Drohne intervenierende Maßnahme“ wie das Schließen von Rollos zur Verhinderung von Ausspähung mit Drohnen.
Wo sehen Sie die hauptsächlichen Einsatzfelder für das System?
Hans Peter Stuch: Das System kann im polizeilichen Einsatz sowie gleichermaßen im Kontext des KRITIS-Schutzes und militärischer Anwendungen eingesetzt werden. Der Demonstrator besteht aus verlegbaren Komponenten, die aber auch für den ortsfesten Einsatz verbaut werden können. Wie schon erwähnt, wird dem Einsatz im Bereich des KRITIS-Schutzes künftig eine große Bedeutung durch das geplante KRITIS-Dachgesetz zukommen. Dort identifizieren wir neben den Sicherheitsbehörden die Kunden für das System und seine Komponenten.
Wie geht es nach der erfolgreichen Demonstration jetzt weiter?
Hans Peter Stuch: Die von den Industriepartnern Elettronica, H.P. Marketing Wüst und Opto Precision im Rahmen von IDAS-PRO entwickelten Komponenten sollen zügig zu marktverfügbaren Produkten werden. Das Gleiche gilt für die von den Forschungseinrichtungen Fraunhofer FKIE und FHR sowie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg beigetragenen Systemanteile. Mithilfe von Industriepartnern sollen sie ebenfalls zeitnah zu Produkten werden bzw. in Produkte einfließen. Auf diese Weise setzen wir den Auftrag der BMFTR-geförderten Forschung um – und leisten ein Beitrag zur Technologieautonomie Deutschlands.
