Produktqualität und Recycling: Wie ein nachhaltiger Sicherheitsschuh möglich ist
Der Sicherheitsschuhspezialist Elten produziert jährlich mehr als drei Millionen Paar Schuhe und beschäftigt über 400 Mitarbeiter. Wie sich Elten dem Thema Nachhaltigkeit annimmt, welche Strategie das Unternehmen verfolgt und welche Stellschrauben von besonderer Bedeutung sind, hat GIT SICHERHEIT im Interview mit Georg Otten, Qualitätsmanager bei Elten, in Erfahrung gebracht.

GIT SICHERHEIT: Herr Otten, der Begriff „Nachhaltigkeit“ besitzt heutzutage eine große Spannweite. Wie definiert Elten diesen Begriff?
Georg Otten: Als Familienunternehmen ist es uns natürlich besonders wichtig, an die nachfolgenden Generationen zu denken. Wir verfolgen dabei einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz: vom Einsatz recycelter Materialien sowie einer ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Produktion über eine aktive Übernahme unternehmerischer Verantwortung und Stärkung von Sozialstandards in der Wertschöpfung bis hin zu partnerschaftlichen Projekten im Bereich Kreislaufwirtschaft. Nachhaltigkeit verstehen wir als fortlaufenden Prozess, den wir kontinuierlich und abteilungsübergreifend in Projektteams weiterentwickeln. Unser höchstes Ziel ist dabei immer der Schutz und die Sicherheit unserer Schuhträger.
Was sind aus Sicht Ihres Unternehmens die wesentlichen Faktoren bzw. wichtigsten Stellschrauben für nachhaltiges Wirtschaften?
Georg Otten: Die wesentlichen Stellschrauben identifizieren wir durch die Betrachtung von jeweiligen Auswirkungen, Chancen und Risiken einzelner Themenfelder sowie der Bewertung deren Relevanz durch unsere Stakeholder. Ein wichtiger Faktor ist beispielsweise die Produktqualität. Wir setzen auf hochwertige Produkte, die eine lange Nutzungsphase ermöglichen und so Ressourcen schonen. Energiesparmaßnahmen sowie der Einsatz erneuerbarer Energien am eigenen Standort mit Produktion und Lager sind für uns sehr relevant, da unsere Besohlungsanlage einen relativ hohen Energiebedarf hat. Am Produktionsstandort Deutschland haben die Zufriedenheit und Gesundheit unserer eigenen Mitarbeiter einen sehr hohen Stellenwert. Darüber hinaus setzen wir uns für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten ein. Wir achten auf ressourcen- und umweltschonende Materialien sowie Produktion. Darunter fällt auch der Einsatz recycelter Materialien in unseren Schuhen sowie das Recycling von Produktionsabfällen.
Können Sie uns vielleicht ein ganz praktisches Beispiel nennen, wie ein Produkt sowie dessen Entwicklung und Herstellungsprozess bei Elten nachhaltig gestaltet wird?
Georg Otten: Im Rahmen ökologischer Nachhaltigkeitsaspekte spielt die Recyclingfähigkeit von Produkten sowie der Einsatz recycelter Materialien eine große Rolle. Wir arbeiten aktiv daran, dass immer mehr Anteile unserer Schuhe aus recycelten Materialien bestehen – immer mit dem Blick darauf, dass die gesetzlichen Anforderungen an Fußschutz weiterhin eingehalten werden. Ein konkretes Beispiel ist unsere „Loop“-Kollektion, deren Modelle in unterschiedlichen Schutzklassen aus Materialien mit Recycling-Anteilen gefertigt sind. „Luan“ und „Luana“ haben Senkel und Nähte aus 100 Prozent recyceltem Material. Das Futter ist zu 96 Prozent aus Rezyklat, die Einlegesohle zu 75 Prozent und der textile Durchtrittschutz zu 20 Prozent. Für den Energiebedarf des Herstellungsprozesses generieren wir Strom über unsere eigene PV-Anlage, um den Ausstoß von Emissionen zu reduzieren.
Beim Thema Sicherheit darf es keine Kompromisse geben – denn darum geht es in erster Linie, wenn der Einsatz von Sicherheitsschuhen gefordert ist. Entsprechend robust und widerstandsfähig müssen die verwendeten Materialien und die Verarbeitung sein. Daher stellt sich natürlich die Frage, wo und wann es für Ihr Unternehmen schwierig wird, Nachhaltigkeit und Sicherheit miteinander zu vereinbaren?
Georg Otten: Die Schwierigkeit liegt gar nicht so sehr darin, einen zertifizierten recycelten Sicherheitsschuh herzustellen. Dass das möglich ist, haben wir auf der A+A im vergangenen Herbst gezeigt. Dort haben wir einen Schuh präsentiert, der im Rahmen eines Pilotprojekts mit einem Schaft aus nahezu 100 Prozent recycelten Materialien hergestellt wurde. Damit Schuhhersteller ihre komplette Serienproduktion zu marktgerechten Preisen anbieten können, muss die derzeit in Teilen vorhandene Infrastruktur rund um den Recyclingprozess viel größer und breiter aufgestellt sein. Denn auch die Materialhersteller müssen auf entsprechende Mengen an Rezyklaten zurückgreifen können, damit sie wiederum auf Produktionsmengen kommen, die sich wirtschaftlich lohnen. Die dann angebotenen Materialien aus Rezyklat müssen für die Schuhherstellung qualitativ einwandfrei und bezahlbar sein. Beim Fußschutz müssen darüber hinaus die Normenanforderungen an Qualität und Sicherheit erfüllt werden, und hier können wir als Elten tatsächlich keine Kompromisse eingehen. Bis zur Transformation auf industriellem Niveau sind also noch einige Hürden zu nehmen; hier sind alle Akteure in der Kreislaufwirtschaft gefordert.
Wie beurteilen Sie die immer strengeren Regularien insbesondere durch den deutschen und europäischen Gesetzgeber – wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Sind diese bloße „Hemmschuhe“ oder sehen Sie darin auch eine Chance für Ihr eigenes Unternehmen?
Georg Otten: Wir befürworten grundsätzlich freiwillige Bestrebungen hinsichtlich unternehmerischer Verantwortung. Der bürokratische Aufwand insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ist bereits enorm und würde durch weitere Regularien noch größer werden. Da wir als inhabergeführtes Familienunternehmen intrinsisch motiviert sind, Nachhaltigkeitsbemühungen voranzubringen, ziehen wir es vor, diese Ressourcen in entsprechend zielführende Projekte und Maßnahmen zu investieren.


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