Bosch: Videoüberwachung im öffentlichen Raum

Auf der Straße und im Tunnel am Bahnhof und im Museum. Wo viele Menschen zusammenkommen, soll sich jeder sicher fühlen vor Diebstahl zum Beispiel. Doch das Thema ist vielschichti...

Gert van Iperen, Vorsitzender des Bereichsvorstands im Geschäftsbereich...
Gert van Iperen, Vorsitzender des Bereichsvorstands im Geschäftsbereich Security Systems von Bosch

Auf der Straße und im Tunnel – am Bahnhof und im Museum. Wo viele Menschen zusammenkommen, soll sich jeder sicher fühlen – vor Diebstahl zum Beispiel. Doch das Thema ist vielschichtig. Insbesondere zur Rolle der Videosicherheit stellte GIT SICHERHEIT einige Fragen an Gert van Iperen, Vorsitzender des Bereichsvorstands im Geschäfts­bereich Security Systems von Bosch.

GIT SICHERHEIT: Herr van Iperen, das Thema unseres Gesprächs haben wir überschrieben mit „Video im öffentlichen Raum“. Lassen Sie uns dieses Feld also gleich mal etwas genauer abstecken…

Gert van Iperen: Es geht um Bereiche, die zum Beispiel einer Stadt, einer Gemeinde oder dem Staat gehören und für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind. Darunter fallen beispielsweise Straßen, Plätze, Bahnhöfe, Flug- und Seehäfen, Grünflächen oder Museen. Die Videoüberwachung verfolgt hier verschiedene Ziele. So geht es bei der Verkehrsüberwachung darum, Störungen und Behinderungen rechtzeitig zu erkennen und zu kommunizieren, beziehungsweise den Verkehr entsprechend umzulenken. Auch Tunnelsicherheit ist hier ein wichtiges Thema. Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze dient unter anderem der Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, der Vorbeugung von Straftaten sowie der Unterstützung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Videoüberwachung im öffentlichen Raum findet aber auch durch private Betreiber statt. Hierzu zählen zum Beispiel Einkaufszentren, Parkhäuser, große Sport- oder andere Veranstaltungsstätten.

Ich schlage vor, wir beschränken uns erst mal auf das technisch Mögliche – und lassen die datenschutzrechtlichen Untiefen zunächst außen vor. Sie umschreiben das bei Bosch mit den drei Schritten Lokalisieren, Verfolgen, Zoomen. Letzteres liefert detaillierte Bilder – und beim Lokalisieren und Verfolgen geht es um Intelligente Videoanalyse?

Gert van Iperen: Das ist richtig. Mithilfe der Zoomfunktion können Sie ein Bild nahe heranholen und dadurch aufgenommene Details besser erkennen. Beim Lokalisieren und Verfolgen kommt dann die in unseren Kameras standardmäßig eingebaute, intelligente Videoanalyse ins Spiel. Mit dieser wird das Videomaterial durch das Hinzufügen von Metadaten bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme strukturiert. So können große Mengen an Videomaterial schnell nach kritischen Informationen durchsucht werden. Des Weiteren erkennt die in der Kamera eingebaute Videoanalyse selbständig, ob es sich bei einem Objekt um eine Person, einen PKW oder einen LKW handelt. Aber das ist nur eine von 17 verschiedenen Analysefunktionen. Nehmen wir das Thema Überwachung von Einkaufszentrum: Wird beispielsweise ein Notausgang durch ein Objekt versperrt, kann auch hier die in der Kamera eingebaute intelligente Videoanalyse selbstständig einen Alarm auslösen, wodurch die Sicherheit von Kunden und Angestellten erhöht wird. Die intelligente Videoanalyse kann aber auch für Zwecke eingesetzt werden, die weit über die Sicherheit hinausgehen.

…diese Entwicklung gibt es ja schon längerem – was schwebt Ihnen hier vor?

Gert van Iperen: Um im Bereich Einzelhandel zu bleiben: Mithilfe der intelligenten Videoanalyse kann beispielsweise ein Alarm abgesetzt werden, wenn die Anzahl der Personen in einer Warteschlange eine vordefinierte Grenze überschreitet. In diesem Fall könnte die Beschallungsanlage des Geschäfts eine benutzerdefinierte Nachricht senden, die die Angestellten darauf hinweist, dass eine weitere Kasse geöffnet werden muss.

…was bieten Sie diesbezüglich bei Bosch?

Gert van Iperen: Nehmen wir unsere neue Lösung Bosch In-Store Analytics. Diese liefert mithilfe der intelligenten Videoanalyse einem Shop-Besitzer wertvolle Informationen, über die Besucherströme in seinem Laden – wann kommen wie viele Besucher, wo bleiben sie stehen, wo gehen sie schnell dran vorbei und vieles mehr. Diese Informationen werden auf Basis von Positionsdaten aus den Kameras generiert. Eine Analyse und Speicherung personenbezogener Daten findet hier nicht statt.

Beim Lokalisieren geht es nun darum, ganz bestimmte Zielpersonen zu finden. Wie genau funktioniert das?

Gert van Iperen: Wie bereits erwähnt, kann die intelligente Videoanalyse mittels bestimmter Algorithmen selbständig unterscheiden, ob es sich um eine menschliche Person oder um andere Objekte, wie ein Fahrzeug handelt. Dabei lassen sich unsere Kameras auch nicht dadurch irritieren, wenn sich in dem zu überwachenden Gebiet im Hintergrund beispielsweise Bäume befinden, die sich im Wind bewegen. Das wird komplett ausgeblendet. Die Bäume sind in diesem Überwachungsfall ja nicht relevant. Unsere Kameras können auch erkennen welche Farbe die Kleidung einer Person hat, und legen dann das entsprechende Bildmaterial ab. Wird später nach einer Person mit einer roten Jacke gesucht, dann wird diese mittels der abgelegten strukturierten Daten einfach herausgefiltert. Die Polizei kann das aufgenommene Videomaterial in Verbindung mit einer speziellen Software zur späteren Identifizierung und letztendlich auch zur Strafverfolgung nutzen.

Hat man eine Person lokalisiert – oder will einfach sehen, was eine bestimmte Person genau macht –, kann man sie verfolgen. Wie sieht das technisch im Einzelnen aus?

Gert van Iperen: In diesem Fall kommt unser „Intelligent Tracking“ also die intelligente Bewegungsverfolgung ins Spiel. Mit der Funktion können die Laufwege von Personen automatisch verfolgt werden. Aber es gibt auch die Möglichkeit, manuell mit nur einem Klick direkt in einem Live-Video eine Überwachung zu starten. Fällt zum Beispiel einem Mitarbeiter in einer Leitstelle auf, dass eine Person auf einem Parkplatz immer wieder von einem Auto zum anderen geht, dann kann er diesen Vorfall auch verfolgen, indem er die Person direkt im Video anklickt. Die Kamera unternimmt dann eine dynamische Neueinstellung des Zooms, damit die Bilder der zu verfolgenden Person bei deren Bewegung durch das Sichtfeld der Kamera detailliert erfasst werden. Wir haben „Intelligent Tracking“ in allen unseren Autodome IP- und MIC IP-Kameras eingebaut.

Die Videotechnik ist heute extrem ausgereift – worin unterscheiden sich Bosch-Systeme von anderen?

Gert van Iperen: Viele Hersteller starten den Wettlauf um höhere Auflösungen und Pixelzahlen. Bosch geht hier einen etwas anderen Weg. Wir bieten mehr als nur gute Bildauflösung. Da möchte ich als erstes die intelligente Rauschreduzierung IDNR (Intelligent Dynamic Noise Reduction) nennen. Bei allen Bosch-Kameras mit IDNR und intelligentem Streaming in Kombination mit der neuen H.265-Videokompression lassen sich die Übertragungsraten je nach Umgebung um bis zu 80 Prozent verringern. Das ist doch ein enormer Prozentsatz. Mit unseren Techniken zum Bitratenmanagement können wir die Speicherkosten deutlich senken und auch die Netzwerkauslastung verringern, da die verfügbare Bandbreite nur bei Bedarf genutzt wird. Und das reduziert die Kosten für unsere Kunden. Bosch-Kameras bieten aber noch mehr: Durch einen hohen Dynamikbereich in unserer neuesten Kamera-Generation lassen sich Schattierungen oder Spiegelungen optisch besser analysieren. Das bedeutet, dass wir mit unserer intelligenten Videoanalyse sogar Objekte auf dem Wasser detektieren können. Ein weiterer Vorteil: Auch die Fehlalarme – die durch Regen, Hagel und Sturm sowie Vibrationen entstehen können – werden deutlich reduziert.

Die Leichtigkeit der Montage ist ein wichtiges Argument für Ihre Systeme – ist das für Ihre Kunden ein entscheidender Anreiz?

Gert van Iperen: Absolut, denn hier können sowohl Zeit als auch Geld gespart werden. Als ein Beispiel möchte ich Ihnen unsere Panorama-Kamera nennen. Die Flexidome IP Panoramic 7000 MP hat einen einzigartigen Dreh- und Klick-Mechanismus, der die Installationszeit erheblich verkürzt. Die Kamera wird dabei in den vorher installierten Halterungsring gedreht und mit einem Klick arretiert. Dafür braucht man keine weiteren Werkzeuge. Unsere eigene Bosch Errichter-Organisation unterstützt uns in der Entwicklung solcher Funktionen mit praktischen Hinweisen.

Eine Königsdisziplin der Videoüberwachung ist der Umgang mit extremen Umweltbedingungen. Der Klassiker ist die sturmgepeitschte Bohrinsel. Durchblick im Nebel, Gleichgültigkeit gegen ­Affenhitze und Lausekälte – was gehört hier alles zum Bosch-Arsenal?

Gert van Iperen: Wie Sie schon richtig gesagt haben, ist der Einsatz von Kameras in extremen Situationen die Königsdisziplin. Die Kameras unserer Produktfamilie MIC IP Starlight 7000 oder MIC IP Fusion 9000i sind beispielsweise speziell für extreme Einsatzsituationen entwickelt. Das heißt, sie sind unempfindlich gegen Regen, Schnee, Staub, Windstöße und starke Erschütterungen. Diese Kameras liefern IP-Videobilder in höchster Qualität auch unter extremen Witterungsbedingungen und werden unter anderem bei der Absicherung von Innenstädten, Autobahn-, Tunnel- und Brückenüberwachungen sowie kritischen Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise der von Ihnen genannten, sturmgepeitschten Bohrinsel eingesetzt. Selbst bei Temperaturen von -45 bis +60 Grad Celsius und bei bis zu 100 Prozent Luftfeuchtigkeit liefern unsere Kameras eine sehr gute Bildqualität. Mit diesen Kameramodellen ist sogar ein 360-Grad-Rundblick möglich. Wenn die Kamera zum Beispiel auf einen hohen Mast montiert wird, dann hat man einen vollständigen Überblick und kann Objekte frühzeitig erkennen, selbst wenn die Sicht behindert ist, beispielsweise aufgrund von Rauchentwicklung. Das macht unsere MIC-Serie zu eine der beliebtesten Kameras für die Überwachung im öffentlichen Raum.

Davon profitieren vermutlich auch andere Anwender? Nebel, Schnee und Hitze gibt es ja auch bei Bahnhöfen zum Beispiel?

Gert van Iperen: Ja, auch auf Bahnhöfen, in den Außenbereichen von Flughäfen, vor großen Shoppingmalls oder aber bei der Überwachung von großen Flächen kommen die MIC-Kameras zum Einsatz. In Polen überwachen beispielsweise nur zwei Bosch MIC IP 7000-Kameras 25.000 Hektar Wald der Forstverwaltung von Czarne Człuchowskie auf Anzeichen von Feuer. Die beiden Kameras liefern gestochen scharfe Bilder sowie die dazugehörigen Koordinaten über die gesamte Fläche.

Lassen Sie uns zum Abschluss doch noch mal auf das Thema Datenschutz eingehen. Wenn man sich die technische Entwicklung ansieht, scheinen das Mögliche und das Erlaubte verschiedene Wege zu gehen. Wie sehen Sie diese Entwicklung bei Bosch?

Gert van Iperen: Für uns ist Datenschutz von herausragender Bedeutung. Technische Entwicklung und die Weiterentwicklung in Hinblick auf den Datenschutz müssen Hand in Hand gehen. Betrachten wir das Thema zuerst von der technischen Seite. Unsere Kameras besitzen ein Trusted Platform Modul (TPM). Das ist eine Art von Smartcard-Chip, der auch bei Kreditkarten verwendet wird. Alle Video-, Audio-, Meta- und Kontroll-Daten werden bereits auf Hardwareebene mit einem kryptografischen Schlüssel verschlüsselt. Dieser ist dann sicher auf einem integrierten TPM gespeichert. Des Weiteren bekommen alle Komponenten im Netzwerk einen Authentifizierungsschlüssel zugewiesen. Damit wird sichergestellt, dass nur „trusted“, also vertraute, Komponenten Daten austauschen. Darüber hinaus können wir unsere Kunden bei der Konfiguration einer Public-Key-Infrastruktur zur Verschlüsselung digitaler Kommunikationswege unterstützen. Doch die Technik ist nur eine Seite. Datenschutz ist auch eine organisatorische Aufgabe. Wir bei Bosch unterstützen durch interne Regelwerke die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen zu Datenschutz und Informationssicherheit. Das geschieht vor allem im Interesse unserer Kunden. Zudem wird der Zugriff auf sicherheitsrelevante beziehungsweise personenbezogene Daten restriktiv gehandhabt und regelmäßig kontrolliert. Darüber hinaus werden unsere Mitarbeiter im Umgang mit diesen Daten sensibilisiert und erhalten fortlaufende Trainings.

Dieses Spannungsverhältnis schafft natürlich die Notwendigkeit von Abwägungsprozessen beim Anwender vor Ort – und verstärkten Beratungsbedarf. Was leisten Sie in diesem Zusammenhang seitens Bosch?  

Gert van Iperen: Wir informieren unsere Kunden darüber, wie wir unsere Kamerasysteme vor unerlaubtem Zugriff schützen. Wie das funktioniert, habe ich bei Ihrer vorherigen Frage erläutert. Wir als Hersteller, Lieferant und Installateur beraten unsere Kunden nicht hinsichtlich Datenschutz, aber wir können ihn auf mögliche Konflikte aufmerksam machen. Wenn es um konkrete Fragen zum Datenschutz geht, ist der jeweils zuständige Datenschutzbeauftrage eines Unternehmen der richtige Ansprechpartner oder in kleineren Unternehmen, die keinen eigenen Datenschutzbeauftragten haben, ein externer Berater meist ein Rechtsanwalt.

Welche Rolle spielt die Videoüberwachung im Öffentlichen Raum bei der Aufklärung von Straftaten?

Gert van Iperen: Eines muss man sich bewusst machen: Videoüberwachung verhindert keine Straftaten. In erster Linie dient sie deren Aufklärung. Aber auch der Abschreckungseffekt ist nicht zu unterschätzen. Sehen Täter, dass ein Bereich mittels Kameras überwacht wird, kann das möglicherweise dazu führen, dass die Straftat nicht durchgeführt wird, da die Angst vor Entdeckung zu groß ist.

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