Erweiterte Schutzkonzepte für Elektroinstallation

Der überwiegende Teil der Elektroanlagen in Deutschlands Wohnbauten ist veraltet. Die Zahl der elektrischen Verbraucher pro Haushalt hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfach...

Der überwiegende Teil der Elektroanlagen in Deutschlands Wohnbauten ist veraltet. Die Zahl der elektrischen Verbraucher pro Haushalt hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht - und die Integration erneuerbarer Energiequellen wie Photovoltaik belasten zunehmend vorhandene Installationen. Gefragt sind deshalb erweiterte Schutzkonzepte, die das nötige Maß an ­Sicherheit gewährleisten und die Voraussetzung für einen energieeffizienten Gebäudebetrieb schaffen - sagt Andreas Matthé, CEO des Siemens-­Geschäftsbereichs Low Voltage & Products.

Deutschland hat, auch im europäischen Vergleich, einen hohen Anteil an Liegenschaften, die vor 1971 errichtet wurden: 29 Mio. Einheiten sind älter als 35 Jahre, davon 11 Mio. älter als 60 Jahre. Deren Renovierung schließt die Erneuerung der Elektroinstallation häufig nicht ein - und dies, obwohl Elektroanlagen laut des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) nur eine Lebensdauer von 30 bis 35 Jahren haben. 70 Prozent aller Elektroanlagen in Deutschlands Wohnbau sind demnach in Betrieb, obwohl ihre Lebensdauer bereits überschritten ist. Auch von defekten Leitungen können vielfältige Gefahren ausgehen.

Mängel in der Elektroinstallation
Was das in der Praxis bedeutet, zeigt eine Untersuchung von rund 1.450 Wohnungen und 46 Gärten in Dresden und Hannover. 1.500 Mängel in der Elektroinstallation fanden die Fachleute dort - darunter z. B. ca. 900 lockere Klemmen, ca. 200 Verletzungen des Berührungsschutzes, 65 fehlende FI-Schutzschalter im Bad wegen Bestandsschutz (Baujahr vor 1984), 65 fehlende FI-Schutzschalter für Außensteckdosen, etc. Auch beim Personen- und Brandschutz herrschten gravierende Mängel.
Dieser Befund bestätigt den häufig maroden Zustand der Elektroinstallation in deutschen Wohngebäuden. Die Folgen sind laut Zahlen vom Statistischen Bundesamt, VdS, IFS und GDV verheerend - einige Beispiele: Elektrisch bedingte Brände kosten jährlich über 100 Menschenleben und verursachen finanzielle Schäden in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr. Rund 30 Prozent aller elektrisch verursachten Brände sind auf Mängel in der Elektroinstallation zurückzuführen.

Gestiegene Anforderungen
Der allgemein mangelhafte Zustand der Elektroinstallation wiegt umso schwerer, als die durchschnittliche Belastung stark gestiegen ist: Noch vor 30 Jahren nutzte ein durchschnittlicher Haushalt etwa acht elektrische Anwendungen. Heute dagegen sind teilweise bis zu siebzig elektrische Geräte pro Haushalt im Einsatz, darunter etliche Großverbraucher wie Waschmaschine, Geschirrspüler und Mikrowelle. Hinzu kommt: Moderne Elektrogeräte zeigen andere Charakteristika hinsichtlich der Stromaufnahme als frühere Geräte, etwa durch Frequenzumrichter in Waschmaschinen oder Schaltnetzteile bei Fernsehern, PCs, LED-Lampen. Dies erfordert neue, geeignete Schutzgeräte. Und auch dezentrale Energieerzeuger wie Photovoltaik-Anlagen stellen bisher unbekannte Anforderungen an die Elektroinstallation. Ebenso bringt beispielsweise das Laden eines Elektroautos einen hohen Strombedarf über mehrere Stunden mit sich. Ältere Installationen können diesen regelmäßigen Belastungen auf Dauer nicht standhalten.

Risikominimierung nach Stand der Technik
Aufgabe solcher erweiterter Schutzkonzepte ist die gezielte Minimierung des Restrisikos durch den bedarfsgerechten und kombinierten Einsatz verschiedener Schutzkomponenten. Dies setzt eine genaue Kenntnis möglicher Gefährdungspotenziale und entsprechender Gegenmaßnahmen voraus. Im Rahmen eines systematisch umgesetzten Schutzkonzeptes decken intelligent ineinander greifende Komponenten drei wesentliche Schutzbereiche ab: den Leitungs-, den Personen- und den präventiven Brandschutz.

Leitungsschutzschalter zum ­Anlagenschutz
Leitungsschutzschalter schützen Kabel, Leitungen und Anlagen vor Überlast und Kurzschluss. In den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen, ob in Industrie, Infrastruktur oder in der Gebäudetechnik, garantieren sie eine sichere und schnelle Abschaltung und können so Sachwerte und Menschenleben schützen. Sie sind in der Regel flexibel einsetzbar und untereinander kombinierbar. Ergänzend dazu decken Überspannungsschutzgeräte transiente, also kurzzeitige Überspannungen ab, wie sie zum Beispiel durch Blitzeinschläge oder Spannungsschwankungen im Netz verursacht werden.
Personenschutz durch FI-Schutzschalter während Leitungsschutzschalter primär die Anlage schützen, dienen Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen der Sicherheit von Personen: Sie vermeiden gefährliche Körperströme bei indirektem und direktem Berühren, indem sie beim Überschreiten eines bestimmten Differenzstroms den überwachten Stromkreis schnell und sicher vom Netz trennen. Die Fehlerursache kann beispielsweise ein defektes Elektrogerät sein. Für viele Anwendungsbereiche ist deshalb die Installation von FI-Schutzschaltern mit Bemessungsfehlerströmen von maximal 30 mA in Neubauten bereits Pflicht: Beispielsweise seit 1984 in Räumen mit Badewanne oder Dusche und seit 2007 zudem für alle Steckdosen-Stromkreise mit einem Bemessungsstrom bis 20 A, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind.
FI-Schutzschalter des Typs A lösen sowohl bei sinusförmigen Wechselfehlerströmen als auch bei pulsierenden Gleichfehlerströmen aus. In zahlreichen modernen Betriebsmitteln, wie z. B. Waschmaschinen oder Heizungspumpen, sind einphasige Frequenzumrichter eingesetzt. Diese können auf der Abgangsseite Fehlerströme aus einem Frequenzgemisch mit Frequenzanteilen im kHz-Bereich erzeugen. FI-Schutzschalter des Typs A sind dafür nicht ausgelegt. Um in diesen Situationen die Schutzfunktion sicherzustellen hat zum Beispiel Siemens den FI-Schutzschalter des Typs F eingeführt. Er erweitert den Schutz- und Funktionsumfang des Typs A. Diese FI-Schutzschalter verfügen über eine Stoßstromfestigkeit von größer drei Kiloampere (kA) und eine Belastbarkeit mit glatten Gleichfehlerströmen von bis zu zehn Milliampere (mA), ohne dass die Geräte in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.

Brandschutzschalter schließt ­Sicherheitslücke
Eine der häufigsten Brandursachen sind gefährliche Fehlerlichtbögen. Insbesondere serielle Fehlerlichtbögen können von Fehlerstrom- und Leitungsschutzschaltern jedoch nicht erkannt werden. Bereits kleine Ursachen - beschädigte Kabelisolierungen, gequetschte Leitungen, abgeknickte Stecker, lose Kontaktstellen in der Elektroinstallation, aber auch die mangelnde Qualität billiger Imitate von Elektro-Markenprodukten - können gravierende Folgen haben. Daraus entstehende Lichtbögen können Leitungsisolierungen entzünden und zu einem Kabelbrand mit der Folge eines Gebäudebrandes führen. Diese Sicherheitslücke schließt bislang erst ein Gerät auf dem europäischen Markt: der Brandschutzschalter 5SM6 von Siemens. Er reagiert auch auf serielle Fehlerlichtbögen und schaltet die betroffenen Stromkreise im Detektionsfall sicher ab. Dafür misst er permanent das Hochfrequenzrauschen von Spannung und Strom in deren Intensität, Dauer sowie die dazwischen liegenden Lücken. Integrierte Filter mit intelligenter Software werten die Signale aus. Bei Auffälligkeiten schalten sie innerhalb von Sekunden-Bruchteilen den angeschlossenen Stromkreis ab. Harmlose Störquellen, wie sie zum Beispiel beim Betrieb von Bohrmaschinen oder Staubsaugern vorkommen, kann der Brandschutzschalter von gefährlichen Lichtbögen unterscheiden.

 


GIT SICHERHEIT.de im Gespräch mit Andreas Matthé, CEO des Siemens-Geschäftsbereichs „Low Voltage & Products".

GIT SICHERHEIT.de: Herr Matthé, 70 % aller Elektroinstallationen sollen deutlich überaltert sein, wie die von Ihnen genannte Studie nahelegt. Wie verteilt sich das auf Private Häuser im Vergleich zu gewerblichen, industriellen und sonstige Zweckbauten?

Andreas Matthé: Belastbare Zahlen gibt es hauptsächlich für den privaten Gebäudebestand. In der Industrie wird der Zustand der Installationen ohnehin regelmäßig überprüft - und zwar alle vier Jahre, in kritischen Bereichen sogar jedes Jahr. Einen derartigen automatischen Prozess gibt es bei Privathäusern nicht - es gibt hier keine Überprüfung der einmal eingebauten Elektroinstallationen. Abgesehen von der Überalterung sind sehr viele Häuser daher auch nicht auf dem neuesten Stand der Technik: Das betrifft z. B. Brandschutzschalter, die es erst seit relativ kurzer Zeit gibt.

Fehlt es im Privatbereich am Problem­bewusstsein?

Andreas Matthé: Im Kontext eines Unternehmens übernehmen wir automatisch Verantwortung, schon weil wir gegenüber unseren Mitarbeitern rechtlich dazu verpflichtet sind. Zuhause denkt man weniger darüber nach. Wir sehen hier unsere Installateure in der Pflicht - denn der durchschnittliche Hausbesitzer weiß über diese Dinge nicht Bescheid. Der Installateur der Elektroanlage sollte im Rahmen der Kundenbetreuung von sich aus stärker informieren und Empfehlungen zur Nachrüstung abgeben. Hier hat sich in jüngerer Zeit allerdings auch schon einiges geändert.

Wie und bei welchen Themen unterstützt ­Siemens insoweit seine Partner?

Andreas Matthé: Wir unterstützen unsere Partner über die gesamte Themenpalette der Energieverteilung und Elektroinstallation hinweg, also in den Bereichen Leitungs-, Personen- und präventivem Brandschutz, aber auch z. B. beim Überspannungsschutz. Wir bieten Schulungen an, informieren umfassend via Internet und engagieren uns in allen relevanten Verbänden. Außerdem stellen wir unseren Partnern - darunter zählen unter anderem Schaltanlagenbauer, Großinstallateure, Maschinenbauer und Großhändler - Planungs- und Servicetools zur Verfügung, die die neuesten Technologien und Standards berücksichtigen.

 

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