EU-Maschinenverordnung: Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Nach mehr als 15 Jahren wird die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durch die neue ­EU-Maschinenverordnung 2023/1230 abgelöst. Aufgrund der Stichtagsregelung tritt die Verordnung 42 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt am 20. Januar 2027 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die derzeitige Maschinenrichtlinie exklusiv. Danach müssen sich die Maschinenhersteller auf einige Veränderungen und Neuerungen einstellen.

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Die Änderungen in der neuen EU-Maschinenverordnung betreffen nicht nur die Maschinenhersteller, sondern sämtliche Wirtschaftsakteure, die Maschinenprodukte im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr bringen. © Phoenix Contact

Bereits am 12. Juli 2021 wurde ein Entwurf der Verordnung publiziert. Am 15. Dezember 2022 haben sich das EU-Parlament und der EU-Rat vorläufig hinsichtlich der neuen Verordnung geeinigt, die schließlich am 18. April 2023 mit großer Mehrheit angenommen worden ist. Doch warum erfordert es eine neue EU-Maschinenverordnung (MVO)? Technologien entwickeln sich heute immer schneller weiter. Daher erweist es sich als unabdingbar, dass sich Richtlinien und Verordnungen ebenfalls an den Stand der Technik anpassen und mit der Zeit gehen müssen. Dies ist einer der Hauptgründe für die Überarbeitung. So sollen zukünftig im Rahmen der Maschinensicherheit auch die Bereiche Digitalisierung, Cyber Security und künstliche Intelligenz (KI) berücksichtigt werden.

Der Vorteil einer Verordnung gegenüber einer Richtlinie liegt in ihrer Verbindlichkeit. Da eine Richtlinie zunächst nicht als verpflichtend anzusehen ist, muss sie von den einzelnen Mitgliedstaaten zuerst in nationales Recht umgesetzt werden. Das geschieht aktuell noch mit der Maschinenrichtlinie über die 9. Verordnung des Produktsicherheitsgesetzes. Demgegenüber ist die EU-Maschinenverordnung nach Ablauf der 42 Monate unmittelbar für alle Mitgliedstaaten der EU direkt gültig und zwingend anzuwenden.

Die Änderungen in der neuen EU-Maschinenverordnung betreffen nicht nur die Maschinenhersteller, sondern sämtliche Wirtschaftsakteure, die Maschinenprodukte im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr bringen. Dazu gehören beispielsweise Händler und Importeure sowie Betreiber, die ihre Maschinen wesentlich verändern oder verketten. Die wichtigsten Änderungen der MVO sollen im Folgenden betrachtet werden:

  • Veränderte Reihenfolge der Anhänge
  • Abgrenzung zu unvollständigen Maschinen
  • Unterscheidung beim Konformitätsbewertungsverfahren
  • Einheitliches Vorgehen bei wesentlichen Veränderungen
  • Absicherung gegen Cyberangriffe
  • Digitale Bereitstellung von Dokumenten

 

Veränderte Reihenfolge der Anhänge

Die Struktur der Verordnung hat sich gewandelt. Hierbei handelt es sich zwar um eine rein redaktionelle Anpassung, die aber zur Folge hat, dass sich zum Beispiel die Reihenfolge der Anhänge verändert. Dadurch sind unter anderem Verweise und derzeit noch harmonisierte Normen nicht mehr korrekt. Der bisherige Anhang I (Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen) findet sich etwa demnächst in Anhang III. Anhang I umfasst dann die Inhalte des ursprünglichen Anhangs VI (Maschinen mit hohem Risikopotenzial), weil die Kommission der Auffassung ist, dass Hochrisikomaschinen zukünftig mehr Bedeutung zukommen sollte.

Zudem wurden einige Begriffsdefinitionen überarbeitet, um ein besseres Verständnis sowie eine Vereinheitlichung zu schaffen. In der neuen EU-Maschinenverordnung wird beispielsweise von „Maschinen und dazugehörigen Produkten“ gesprochen, was eine Abgrenzung von Maschinen an sich zu Produkten – etwa Sicherheitsbauteilen oder auswechselbaren Ausrüstungen – herstellt.
 

Abgrenzung zu unvollständigen Maschinen

Verschiedene Begriffsbestimmungen wurden in der EU-Maschinenverordnung adaptiert respektive erweitert. Eine Maschine, bei der lediglich das Aufspielen einer Software aussteht, fällt jetzt ebenso unter den Maschinenbegriff. Das führt zu einer Abgrenzung zu unvollständigen Maschinen. Des Weiteren beinhaltet der Begriff des Sicherheitsbauteils nun auch Software, die zur Ausführung einer oder mehrerer Sicherheitsfunktionen dient und separat in Verkehr gebracht wird. Diese Software muss den Anforderungen der EU-Maschinenverordnung genügen.
 

Unterscheidung beim Konformitätsbewertungsverfahren

Der neue Anhang I enthält in Zukunft eine Liste von Maschinenprodukten (ehemaliger Anhang IV der Maschinenrichtlinie). Diese Produkte sind besonders zu betrachten. Für das Konformitätsbewertungsverfahren wird künftig zwischen Teil A und Teil B des Anhangs I unterschieden. Je nach Typ können verschiedene Wege der Konformitätsbewertung zum Ziel führen. Die Liste der Hochrisikomaschinen lässt sich durch die Kommission in Form von delegierten Rechtsakten anpassen.
 

Einheitliches Vorgehen bei wesentlichen Veränderungen

Bislang ist das Thema der wesentlichen Veränderung von Maschinen in Deutschland über ein Interpretationspapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) geregelt worden, wenn eine vorhandene Maschine durch den Betreiber verändert wurde. Die EU-Maschinenverordnung umfasst jetzt den Begriff der „wesentlichen Veränderung“, sodass im gesamten Europäischen Wirtschaftraum ein einheitliches Vorgehen umgesetzt wird.

Werden Maschinen und zugehörige Produkte nachträglich verändert und resultiert aus dieser Modifikation ein erhöhtes Risiko, das mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen abzusichern ist, handelt es sich um eine wesentliche Veränderung. Maschinen, die wesentlich verändert werden, sind als neue Maschinen anzusehen. Der Betreiber der Maschine wird zum Hersteller und muss somit allen Anforderungen der EU-Maschinenverordnung gerecht werden. Durch die Aufnahme in die MVO gibt es in Zukunft für sämtliche Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums eine einheitliche Vorgabe.
 

Absicherung gegen Cyberangriffe

Die EU-Kommission zielt darauf ab, Maschinen und Produkte vor Cyberangriffen zu schützen. Solche Attacken können erhebliche Schäden an Maschinen hervorrufen und folglich die Sicherheit von Personen, die mit und an der Maschine arbeiten, gefährden. Spätestens mit der Gültigkeit der EU-Maschinenverordnung sollen Hersteller ihre Produkte besser gegen Cyberangriffe absichern.

In diesem Rahmen wurden die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (Anhang III, Kapitel 1.1.9 – Schutz gegen Korrumpierung) angepasst bzw. erweitert. Gemäß der EU-Maschinenverordnung müssen Maschinen und Produkte so konstruiert sein, dass durch die Kommunikation über externe Wege – zum Beispiel Fernzugriffe und Datenübertragungen – keine gefährlichen Situationen entstehen können.
 

Digitale Bereitstellung von Dokumenten

Die neue EU-Maschinenverordnung sieht die Möglichkeit vor, dass Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen zukünftig ebenfalls in digitaler Form zur Verfügung stehen. Das Bereitstellen einer Papierversion der beiden Dokumente auf Anfrage ist dennoch zwingend erforderlich. Wenn die Dokumente in digitaler Form vorliegen, muss auf dem Produkt selbst oder in den Begleitdokumenten eindeutig ersichtlich sein, wo die Dokumentation heruntergeladen werden kann. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass das angebotene Dateiformat auf dem Endgerät des Nutzers zu öffnen und lesbar ist. Und schließlich muss sich die aktuelle Version der Dokumentation eindeutig der entsprechenden Maschine zuordnen lassen.

Ein Vorteil der digitalen Bereitstellung der Betriebsanleitung liegt in der Einsparung von Papier. Ferner können sich in Zukunft neue Möglichkeiten der Verwendung ergeben. Denkbar wäre beispielsweise, dass sich Informationen über Störungen direkt über die Bedienoberfläche der Maschine darstellen lassen, sodass Störungen und Fehler schneller behoben werden können.
 

Fazit

Abschließend bleibt festzustellen, dass sich viele aus der Maschinenrichtlinie bekannten Punkte in der EU-Maschinenverordnung wiederfinden. Jedoch führen kleine Änderungen sowie wichtige Ergänzungen in Zukunft dazu, dass sich Maschinenhersteller und teilweise auch -betreiber und -händler Konzepte überlegen müssen, wie sie zum Stichtag der Veröffentlichung mit den Neuerungen umgehen und diese in ihre Prozesse und somit ihre Maschinen integrieren können.

Aufgrund von redaktionellen Anpassungen ändert sich zum Beispiel die...
Aufgrund von redaktionellen Anpassungen ändert sich zum Beispiel die Reihenfolge der Anhänge. © Phoenix Contact

Dienstleistungen rund um die funktionale und Cybersicherheit

Als Dienstleitungseinheit unterstützt das Competence Center Services von Phoenix Contact bei der Umsetzung der Anforderungen der neuen EU-Maschinenverordnung. Die Safety-Expertinnen und -Experten stehen zudem bei der Erstellung einer CE-konformen Maschine zur Seite. Auf Wunsch werden dabei die Risikobeurteilung, Dokumentation, Verifikation und Validierung sowie Betriebsanleitung übernommen. Das Leistungsspektrum umfasst darüber hinaus eine Begleitung bei der Durchführung von wesentlichen Änderungen oder Verkettungen bereits vorhandener Maschinen. Gleiches gilt für die Realisierung der Anforderungen zum Schutz vor Cyberangriffen und ungewollten externen Zugriffen.

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