Sichere Vernetzung: Rufanlagen und IP
Rufanlagen sollen in Notsituationen Menschen, die sich selbst nicht helfen können, helfen. Nach DIN VDE 0834 müssen sie ein eigenes, von Fremdsystemen unabhängiges Leitungs- und Übertragungsnetz besitzen, dass durch die Geräte der Rufanlage überwacht und gesteuert wird. Die Ruffunktion hat höchste Priorität. Der ZVEI hat gerade sein Merkblatt zum Thema Rufanlagen und IP-Vernetzung in vollständig überarbeiteter zweiter Auflage vorgestellt. Es beschreibt die Risiken, die in Zusammenhang mit der Nutzung von systemfremden IT-Infrastrukturen entstehen können. Näheres erläutert Dr. Matthias Rychetsky, Mitautor des Merkblattes und Vorsitzender des Fachkreises Rufanlagen nach DIN VDE 0834 im ZVEI.
GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Rychetsky, eine Rufanlage zum Beispiel in einem Pflegeheim oder Krankenhaus wirkt immer auch mit der Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) zusammen. Zur sicheren Vernetzung der beiden hat der ZVEI kürzlich ein Merkblatt herausgegeben. Ist das Verhältnis zwischen Rufanlage und ITK technologisch vielleicht ein wenig gespannt…?
Matthias Rychetsky: Keineswegs, aber es kommt darauf an, wie man mit der ITK umgeht, wo und wie man Schnittstellen zwischen Rufanlagen und ITK schafft und wie man diese behandelt und überwacht. Auf keinen Fall darf ein Signal einer Rufanlage, was ja in aller Regel ein Hilferuf eines Menschen ist, der sich nicht selbst helfen kann, verloren gehen. Daher muss die Ruffunktion höchste Priorität haben und jederzeit gewährleistet sein. Das ist unter allen Umständen zu berücksichtigen und prägt das Verhältnis der Rufanlagen zur ITK im Krankenhaus, Pflegeheim oder wo auch immer Rufanlagen eingesetzt werden.
Sie haben das Zusammenwirken in einem neuen ZVEI-Merkblatt „Rufanlagen nach DIN VDE 0834 und IP-Vernetzung“ dargelegt. Was sind die wichtigsten Inhalte?
Matthias Rychetsky: Zentrale Aspekte der DIN VDE 0834 sind zum einen die funktionale Sicherheit, gewährleistet z. B. durch eine laufende und selbständige Störungsüberwachung und die Einschränkung der Nutzung systemfremder Übertragungswege. Zum anderen geht es um die elektrische Sicherheit zum Schutz des Patienten insbesondere die elektrische sichere Trennung der Stromkreise nach EN 60601-1 mit 2 x MOPP der Rufanlage gegenüber anderen Systemen und dem Versorgungsnetz. Das Merkblatt geht insbesondere auf die Nutzung von Übertragungswegen anderer Systeme ein, da das nach DIN VDE 0834 in der Regel nicht zulässig ist.
Wie genau kann das umgesetzt werden?
Matthias Rychetsky: Ideal ist ein eigenes von anderen Systemen unabhängiges Leitungsnetz der Rufanlage. Daran dürfen nur durch den Hersteller der Rufanlage freigegebene Geräte angeschlossen werden. Schnittstellen müssen elektrisch und funktional sicher sein. Unter sehr streng abgegrenzten Bedingungen, wie etwa einem kontinuierlichen Risikomanagement, dürfen zwischen zusammenhängenden organisatorischen Einheiten der Rufanlage, sogenannten Organisationsgruppen, und externen Gewerken Übertragungswege von Fremdsystemen eingesetzt werden. Innerhalb der Organisationsgruppen der Rufanlage ist dies definitiv ausgeschlossen. Selbstverständlich ist es komplett unzulässig, die einzelnen Geräte der Rufanlage über die allgemeine IT-Infrastruktur miteinander zu verbinden. Diese Zusammenhänge haben wir in praxisnahen Schaubildern erläutert, aus denen der Planer und Praktiker erkennen kann, welche technischen und organisatorischen Konstellationen zwischen Rufanlage und allgemeiner ITK zulässig sind und welche nicht.
Eine Kopplung von Radio oder Fernsehen im Kranken- oder Pflegezimmer mit der Rufanlage ist technisch also unzulässig?
Matthias Rychetsky: So pauschal trifft das nicht zu. Die zulässigen und unzulässigen Konstellationen werden in unserem Merkblatt präzise dargelegt. An die Rufanlage dürfen nur durch den Hersteller der Rufanlage freigegebene Geräte angeschlossen werden. Das Anschließen anlagenfremder Geräte ist nur dann möglich, wenn eine Beeinträchtigung der Rufanlage und eine Gefährdung des Patienten oder Bewohners ausgeschlossen werden kann. Dieses Prinzip heißt Rückwirkungsfreiheit – die Funktion der Rufanlage darf auf keinen Fall gefährdet werden. Bei einer Integration von Mehrwertdiensten in die Rufanlage via Anschlussstecker oder Endgerät sind die Normvorgaben, insbesondere bezüglich Isolation, sowie die funktionale und elektrische Sicherheit der Rufanlage zu beachten.
Welche organisatorischen Aspekte sehen Sie für den normenkonformen Betrieb einer Rufanlage?
Matthias Rychetsky: Neben der Technik spielen auch betrieblich-organisatorische Zusammenhänge für die Funktionalität einer Rufanlage eine wichtige Rolle. Das beginnt mit der eindeutigen Kennzeichnung von Anschlussdosen, Patchkabeln und Patchfeldern, um die verwechslungsfreie Zuordnung zur Rufanlage dauerhaft zu gewährleisten. Bei der Zusammenlegung von Abteilungen im Nacht- oder Wochenend-Betrieb ist darauf zu achten, dass innerhalb der Organisationsgruppe – als kleinste von einer einzelnen Person betreubare Einheit – das beschriebene unabhängige Leitungsnetz nicht verletzt wird. Und schließlich gibt die Norm DIN VDE 0834 die regelmäßige Überprüfung der Rufanlage vor.
Hier finden Sie das komplette ZVEI-Merkblatt