Siemens: Elektromobilität und Ladeinfrastruktur aus brandschutz- und gebäudetechnischer Perspektive
Bis zu 10 Millionen elektrisch betriebene Fahrzeuge könnten schon im Jahr 2030 auf Deutschlands Straßen rollen. Doch bedeuten mehr E-Cars auch mehr Batterien, mehr Ladeinfrastruktur, mehr brennbare Kunststoffteile – und damit neue spezifische Brandrisiken.
Wirkungsvolle Antworten auf diese Herausforderungen bieten anwendungsspezifische Brandschutzkonzepte, wie sie Siemens auf der Basis aktueller Detektions- und Löschtechnik entwickelt und umsetzt. Ein Beitrag von Carsten Meißner, Senior Consultant bei Siemens Smart Infrastructure, Deutschland.
In Elektrofahrzeugen kommen LithiumIonen-Batterien zum Einsatz, denn diese bieten eine hohe Energiedichte auf kleinem Raum. Ein wichtiger Bestandteil ist der inonenleitende Elektrolyt. Allerdings birgt dieses erfolgreiche wie in aller Regel auch sichere Funktionsprinzip einige bauartbedingte Risiken. So sind die eingesetzten Elektrolyten typischerweise brennbar bzw. leicht entzündlich.
Um einerseits immer höhere Reichweiten zu realisieren und andererseits den Ladevorgang möglichst zu verkürzen, müssen Batterien und Ladeinfrastruktur immer leistungsfähiger werden. Damit steigt auch das Risiko einer Überhitzung. Z. B. beim Be- und Entladen kann dies zu einem sogenannten Thermal Runaway führen. Dabei wird in der Batterie gespeicherte Energie schlagartig freigesetzt und die Temperatur steigt innerhalb von Millisekunden auf mehrere hundert Grad an. Der Elektrolyt entzündet sich und somit entsteht ein Fahrzeugbrand.
Kettenreaktion kann zu Großbrand führen
Zudem kann sich ein solcher Thermal Runaway in einer Kettenreaktion von Fahrzeug zu Fahrzeug ausbreiten und so in kurzer Zeit zu einem Großbrand führen. Dieses Gefahrenszenario wird dadurch noch akuter, dass moderne Fahrzeuge allgemein größer sind als früher und damit auf herkömmlichen Stellplätzen dementsprechend eng nebeneinander stehen. Weil zudem auch der Anteil an Kunststoffteilen in einem E-Car höher ist, steigt nicht nur die potenzielle Brandlast insgesamt, sondern auch die Temperatur bei einem Feuer. Dadurch können Bauschäden zum Beispiel an der Parkhauskonstruktion entstehen. Aktuelle Beispiele von Parkhausbränden in Norwegen und Großbritannien zeigen, dass dabei schnell mehrere hundert Fahrzeuge betroffen sein können.
Nicht zuletzt ist ein Batteriebrand extrem schwer zu kontrollieren: Weil die Batterie eine abgedichtete Einheit innerhalb des Fahrzeugs darstellt, erreichen sie flüssige Löschmittel (auch aus einer Sprinkler- bzw. Nasslöschanlage) nicht direkt. Wenn es zu einem Brand kommt, ist es praktisch unmöglich, das Feuer zu löschen. In der Praxis besteht die einzige Möglichkeit darin, die Batterie abzukühlen und zu warten, bis der Brand von selbst erlischt. Das kann 24 Stunden oder länger dauern. Wenn der Batteriebrand auf offener Straße auftritt, setzen einige Feuerwehren große spezielle Wassertanks ein. Das brennende Fahrzeug wird in den Tank eingetaucht, wo es mindestens 24 Stunden lang bleibt. Anschließend muss das kontaminierte Wasser aufwendig entsorgt werden.
Schutzkonzepte für Parkhäuser
Vor diesem Hintergrund sind spezielle Brandschutzkonzepte vor allem für Parkhäuser und Parkgaragen gefragt, die den Schutz der Fahrzeuge, der Ladeinfrastruktur und der elektrischen Energieversorgung gleichermaßen gewährleisten. Denn auch die Ladestationen und eventuell vorhandene Puffer-Batteriespeicher sind mögliche Brandquellen.
Ein solches Brandschutzkonzept kombiniert besonders leistungsfähige Brandmeldetechnik mit Löschanlagen (Sprinkler) und einer intelligenten Fluchtwegsteuerung. Zentral ist dabei, dass die einzelnen Bereiche bzw. Infrastrukturkomponenten – wie Ladesäulen, Batteriespeicher und allgemeine Parkflächen – anwendungsspezifisch abgesichert werden.
Aus Sicht des Brandschutzkonzeptes macht es kaum einen Unterschied, ob es sich um einen Bestands- oder um einen Neubau handelt. Es bestehen zwar einige Anwendungsrichtlinien zum Brandschutz, beispielsweise technische Vorschriften wie VdS 2095, DIN VDE 0833-2 und DIN 14675. Diese setzen sich allerdings nicht speziell mit dem Thema Elektromobilität auseinander. Andere Richtlinien, wie die Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung über Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (M-GarVO), werden jedoch aktuell weiterentwickelt, um auch Aspekte der eMobility abzudecken.
Lösungen für Branddetektion und -löschung
Wie bei jedem Brandschutzkonzept geht es auch in Parkhäusern mit Elektrofahrzeugen darum, die Entstehung eines Feuers möglichst früh zu detektieren und seine Ausbreitung bis zur endgültigen Löschung möglichst gering zu halten. Wichtig ist deshalb eine nicht nur frühe, sondern auch zuverlässige Branderkennung. Eine parametergestützte Detektion, wie sie Siemens schon lange durch die Brandmeldern mit ASA-Technology ermöglicht, kann dabei typische Störgrößen ausschließen und bietet damit eine hohe Sicherheit gegen Falschalarme. Siemens bietet seinen Kunden in diesem Zusammenhang eine Vergütungsgarantie an. Das heißt: Sollte einer der Brandmelder doch einmal einen Falschalarm auslösen, übernimmt Siemens unter bestimmten Voraussetzungen anfallende Gebühren für den Feuerwehreinsatz
Wo punktförmige Rauchmelder – wie zum Beispiel bei der Erkennung von Elektrobränden – nicht ausreichen, sind Ansaugrauchmelder (Aspirating Smoke Detectors; ASD) die richtige Lösung: Diese entnehmen kontinuierlich Luftproben aus den zu überwachenden Bereichen und überprüfen sie auf Rauch- und Gaspartikel. Damit sind sie zum Beispiel auch ideal zur Überwachung von Ladeinfrastruktur geeignet.
Um intelligente Ladevorgänge für eMobilität gewährleisten zu können, kommen stationäre Lithium-Ionen-Energiespeichersysteme als Zwischenspeicher zum Einsatz. Siemens hat als erstes Unternehmen ein VdS-zertifiziertes Schutzkonzept für stationäre Lithium-Ionen-Energiespeichersysteme entwickelt. In diesem Schutzkonzept werden Ansaugrauchmelder, die mittels der Dual-Wellentechnologie sowohl elektrische Brände als auch Elektrolytgase bzw. -dämpfe erkennen können, mit einer Sinorix-N2-Gaslöschanlage kombiniert. Mit diesem Schutzkonzept werden Brände solcher Zwischenspeicher frühestmöglich erkannt, eine Ausbreitung des Thermal Runaway gestoppt und somit Sekundärbrände verhindert.
Integration von intelligenter Ladeinfrastruktur in Smart Buildings
Brandschutz im Umfeld von Elektromobilität beginnt jedoch schon viel früher, nämlich mit der Planung und Installation einer Ladeinfrastruktur, die sich perfekt in das Stromnetz und in die Gebäudetechnik einfügt. Siemens begleitet Elektromobilitätsprojekte deshalb von Anfang an und liefert nicht nur die erforderliche Hardware, sondern auch die passenden Systeme für ein intelligentes und zentrales Management der Ladeinfrastruktur.
So schafft das Gebäudemanagementsystem Desigo CC V5 komplette Transparenz und ermöglicht eine optimale Planung der Ladezeiten sowie eine einfache Verwaltung von Abrechnungsdaten und -optionen bis hin zur Optimierung der Stromkosten. Mit ihrer übersichtlichen und intuitiven Benutzeroberfläche bietet die Software darüber hinaus nicht nur zuverlässige Berichte, Trends und Alarmmeldungen. Sie erlaubt auch die einheitliche Steuerung und Bedienung der E-Infrastruktur gemeinsam mit den HLK-, Brandschutz-, Sicherheits-, Energie- und Beleuchtungssystemen im Gebäude. Im Brandfall werden beispielsweise alle Ladevorgänge sofort gestoppt.
Fazit
Elektrofahrzeuge, aber auch die Ladeinfrastruktur bergen spezifische Brandrisiken und stellen damit eine potenzielle Gefahr für Mensch, Umwelt und Gebäude dar. Die Antwort bietet hier ein ganzheitliches Konzept für Elektromobilität, das sowohl die Gebäude- und Ladeinfrastruktur schützt als auch die Energieverteilung sowie den Ladeprozess managt. Siemens gewährleistet mit entsprechenden Lösungen den bestmöglichen Schutz. Und trägt damit als kompetenter Partner wesentlich dazu bei, dass sich Elektromobilität in Zukunft noch weiter durchsetzt und die Energiewende gelingt.
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